Politik

Geleakte Videos: So gefährlich war die Stimmung im erstürmten Kapitol

Dank des Parler-Hacks gibt es jetzt viel belastendes Material, aufgenommen von den Tätern selbst.
Neue Videos von den Ausschreitungen im Kapitol in Washington
Screenshot von YouTube aus dem Video "205ff69f ba5e 493a 9a71 34793e7b5518" von bellincat

Ein Beamter der Capitol Police muss einem fliegenden Stuhl ausweichen, während er versucht, eine Sicherheitsschleuse zu schließen – aber die Trump-Fans blockieren das Tor und strömen hinein. Als der Beamte sich vom Mob wegdreht, schreit jemand: "Jetzt hast du Schiss, Motherfucker!"

Wir wissen von diesem Vorfall, weil einer der Randalierer im Kapitol ihn gefilmt und beim rechten Netzwerk Parler hochgeladen hat. Anfang der Woche ging die Seite offline, nachdem Amazon angekündigt hatte, die Plattform nicht länger zu hosten. Bevor bei Parler das Licht ausging, hatte eine Hackerin aber noch 99,9 Prozent aller Inhalte runtergeladen und gesichert, die auf der Seite gepostet worden waren. Ermöglicht hatte das der schlechte Programmcode des Netzwerks.

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In den vergangenen drei Tagen haben Expertinnen und Experten die Dateien analysiert, die die Hackerin @donk_enby von der Seite gesichert hatte. Jetzt werden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Diesen Mittwoch gingen mehrere Projekte online, die der breiten Masse die Videos von Parler zugänglich machen, die am 6. Januar in und außerhalb des Kapitols gemacht wurden.

Ein Entwickler namens Patr10tic erstellte eine interaktive Karte, auf der du sehen kannst, wo die Videos genau im Kapitol gefilmt wurden. Ein ähnliches Projekt hat sogar noch mehr Videos kartiert. Die Daten dafür stammen aus einer Liste mit über 1.000 Videos, die aus und vor dem Kapitol bei Parler hochgeladen worden waren.

Ein Screenshot der Google-Maps-Ansicht zum Kapitol mit zahlreichen Markierungen

Weil die Menge an Videomaterial etwas überfordernd sein kann, hat das investigative Recherche-Netzwerk Bellingcat eine Liste mit 14 Aufnahmen von den Ausschreitungen zusammengestellt. Sie zeigen deutlich das Chaos, die Zerstörung und die Angst, die der Mob von Trump-Fans in dem Regierungsgebäude anrichtete.

Der Parler-Datensatz dürfte eine wichtige Quellensammlung für das FBI und andere Strafverfolgungsbehörden werden, die einige Randalierer bereits aufgrund von Livestreams identifiziert und verhaftet haben. 

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Dieser Randalierer zum Beispiel hat praktischerweise ein Video von sich vor dem Kapitol gepostet, in dem er zugibt, dass er der Polizei einen Schutzschild entwendet hat. "Wenn ihr jemals das Kapitol oder irgendeinen anderen großen Laden stürmen solltet, bringt auf jeden Fall einen Schild mit. Die kriegt ihr nirgendwo, außer aus der Hand eines Polizisten."

Der Soundtrack der Videos besteht größtenteils aus Rufen wie "USA USA USA", "Wessen Haus? Unser Haus" oder "Wo sind die Verräter?" In einem Video rufen die Randalierer "Verräter", während zwei Männer versuchen, ein Fenster des Kapitols einzuschlagen.

Von oben ist zu sehen, wie Randalierer durch die Türen des Kapitols strömen. Die Aufnahmen vermitteln noch einmal einen guten Eindruck, wie groß der wütende Mob an diesem Tag war.

Ein einminütiges Video, das beim Haupteingang des Kapitols aufgenommen worden ist, zeigt, wie die Randalierer herumstehen und wild durcheinanderrufen. Zwischendurch ist ein Mann in einem typischen Römerkostüm zu sehen.

Ein anderes Video zeigt einen überfüllten Korridor, in dem eine Person durch ein Megafon fragt, wo die ganzen Verräter seien. Dann setzt die filmende Person zum Fistbump mit einem anderen Randalierer an und sagt: "Amerika, Baby!"

Während in vielen Videos vor allem zu sehen ist, wie die Randalierer relativ ziellos durch das Kapitol irren und eher daran interessiert sind, Selfies zu machen, als "Verräter" zu finden, kam es teilweise auch innerhalb des Mobs zu Spannungen.

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Ein Video zeigt Dutzende Menschen, die wegen der Masse an Leuten, die in das Kapitol drängen, nicht mehr vor und zurück kommen. Als einige Leute versuchen, aus der Menge rauszukommen, können sie sich aufgrund des Gedränges kaum bewegen. Ein Mann schreit deswegen mehrmals: "Macht einen Weg frei!"

Zum Glück sagen einige Leute beim Filmen ihrer Videos klar und deutlich, dass sie sich innerhalb des Kapitols befinden. Zum Beispiel der Mann, der diese Szene mit dem QAnon-Schamanen festgehalten hat.

Ein weiteres Video zeigt mehrere Randalierende, die durch die Gänge des Kapitols ziehen und gegen diverse Türen treten. Dabei skandieren sie "1776" und "Sieh an, Amerika ist da".

In einigen Videos wird klar, dass manche Randalierer nicht mit allem konform gehen, was ihre Kollegen und Kolleginnen machen.

In einem kurzen Clip ist zum Beispiel zu hören, wie ein Randalierender schreit: "Das ist unser Haus!" Daraufhin scheint ein anderer Randalierer ihn beschwichtigen zu wollen und ruft: "Entspann dich, wir sind besser als das."

In einem anderen Clip ist eine Frau zu hören, die einen Randalierer zusammenstaucht, weil der wohl die Inneneinrichtung des Kapitols beschädigt: "Aufhören, deswegen sind wir nicht hier!"

Am Dienstag sagte US-Präsident Donald Trump gegenüber der Presse, dass er keine Verantwortung für die Gewalt auf dem Capitol Hill tragen würde. Seine Rede, die er nur wenige Stunden vor dem Sturm gehalten hat und die vielen Leuten zufolge die Randalierer angestachelt habe, sei "absolut angemessen" gewesen.

Eines der Parler-Videos zeigt da etwas anderes: Vor dem Kapitol schreit ein Mann der Polizei entgegen, dass der Präsident der USA ihn und die anderen Randalierer eingeladen habe.

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