Dieser Artikel ist Teil des VICE Guides für Festivals, alle Texte findet ihr hier.
Vergangenes Wochenende suhlten sich Musikfans in Nord- und Süddeutschland auf den Festivalgeländen der Zwillingsfestivals Hurricane und Southside. Endlich wieder drei Tage lauwarmes Dosenbier, Nieselregen, Glitzerschlamm in der Fresse und vor allem haufenweise geile Bands auf den Bühnen. Natürlich frohlockten viele Musikfans bei den souveränen Headlinern Arctic Monkeys, Arcade Fire, The Prodigy und Billy Talent, und Fußballfans mussten ihre Tränen auch nicht an ihrem Deutschland-Trikot mit den gelben Schweißrändern trocknen. Aber auch abseits der professionell und smooth durchgetakteten Bühnenshows ließen es uns folgende Highlights verdammt warm ums Herz werden.
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Der Auftritt von Feine Sahne Fischfilet
Mit “45 Minuten steife Nippel” kündigt Sänger Monchi das Konzert an. Die Jungs aus Mecklenburg-Vorpommern können es eigentlich selbst nicht glauben, dass sie es dieses Jahr um 18:30 auf die Hauptbühne geschafft haben. Vier Jahre vorher eröffneten sie noch Nachmittags um zwei die kleinste der Bühnen. Mit dem schönsten Arschgeweih-Banner der Welt, Bengalos in allen Farben, Moshpits, Antifa-Flaggen, Bier aus Plastikflaschen und einer mehr als würdigen Hauptbühnen-Show bildeten Feine Sahne das Highlight des ersten Hurricane-Tages. Mal mit viel Gefühl, mal heftiger Abriss. Am Ende wird noch eine “Souvlaki statt Seehofer”-Fahne geschwungen und ein durchgeschwitzter, ziemlich überwältigter Monchi stürzt sich in den Pit. Dieser Auftritt ist Sinnbild für die steile Karriere, die die wenigsten einer dreckigen Punkband wie Feine Sahne Fischfilet zugetraut hätten. Und wir finden’s einfach nur schön.
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Hurricane und Southside gegen Rechts
Nicht nur Feine Sahne, sondern auch Marteria, Broilers oder Kraftklub trugen eine wichtige Botschaft ans Publikum: eine klare Ansage gegen Homophobie, Ausländerfeindlichkeit und all die rechte Scheiße. Musikfestivals sind fürs Zusammensein gemacht, nicht für Ausgrenzung. Sascha Madsen (von … Madsen) brachte es dann ganz gut auf den Punkt: “Es ist ganz einfach: Nazis raus, verdammt nochmal! Immer und immer wieder!”
Frank Carter – Moshpit-Gott
Wer Samstags um vier Uhr nachmittags schon aus seinem siffigen Schlafsack gepellt und die ersten Flunky-Ball-Turniere überstanden hatte, hat sich hoffentlich vor der Bühne bei Frank Carter & The Rattlesnakes zusammengefunden, nur um sich Sekunden später wieder zu verlieren. Gleich zu Beginn sprang der englische Frontmann in die doch eher überschaubare Menge und entfachte einen ordentlichen Moshpit. Er erklärte den Pit zur Hauptbühne und verbrachte danach den Großteil der Show inmitten der zunächst noch recht zurückhaltenden Fans. Irgendwann spielten Frank und Gitarrist Dean Richardson einen kompletten Song, während sie AUF dem Publikum standen. Wer da noch nicht wach genug war, rannte anschließend mehrere Runden um die Wellenbrecher. Frank Carter ist ein fucking Moshpit- und Stage-Dive-Gott!
Frauen hatten oft die dickeren Eier
Frauen machen leider noch einen viel zu kleinen Teil der Festival-Line-ups dieser Welt aus. Die Diskussion ist bekannt. Wie krass KünstlerINNEN aber die Bühne abreißen, wenn man sie denn lässt, zeigten auf dem Hurricane und Southside Künstlerinnen wie SXTN. Mit einem lauten “Jetzt sind die Fotzen wieder da!” eröffneten sie ihre Show und lieferten ein derbes Brett nach dem anderen. Auch die Armee aus Backgroundtänzerinnen bei Kraftklub war ein kleiner, aber wichtiger Faustschlag in die Fresse der toxischen Maskulinität. Von 60 Acts gab es auf dem Hurricane 17 Bands, in denen mindestens eine Frau spielte. Damit ist das Festival in Deutschland tatsächlich noch immer Vorreiter.
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Das kuriose Instagram-Takeover von Elton
Habt ihr euch in letzter Zeit mal gefragt, was Elton so treibt? Der Typ mit der Brille von TV-Total? Der durfte nämlich während des Hurricanes reichlich Instagram-Stories drehen und seine Eindrücke und vor allem seine vielfältigen Wurstvorräte präsentieren. Was Leberwurst, Salami und Schinkenspicker so genau mit einem Musikfestival zu tun hatten, können wir euch zwar auch nicht erklären, es war aber einfach so random, dass es schon wieder unterhaltsam war. Außerdem zeigte uns Elton, dass man auch mit 47 Jahren auf dem Zeltplatz, beim morgendlichen Duschen und auf Konzerten noch abgehen kann wie ein Pfund Mettwurst. Falls ihr jemals denken solltet, ihr würdet zu alt für Festivals werden.
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