Nach PA Sports vs. KC Rebell: Eine Anleitung für vernichtende Disstrack-Musikvideos

Betrachtet man die HipHop-Kultur 2018, kann man feststellen, dass das Genre so offen und grenzenlos geworden ist wie nie zuvor. Eine Entwicklung, die man in der restlichen Welt schmerzlich vermisst. Rap kann heute so gut wie alles sein. Es gibt jedoch eine Ecke im großen, bunten und gesetzlosen Garten des HipHop, in der noch feste Regeln und Gesetze gelten. Die Ecke, wo die Disstrack-Musikvideos gedreht werden.

Zugegeben: Das experimentierfreudigste Genre war HipHop in Sachen Videos noch nie. Bis heute hält sich (natürlich nicht nur) die Kombi “Möpse und Motoren” hartnäckig und das ist auch OK so – Möpse und Motoren können ja auch super sein. Es ist dennoch auffällig, dass sich besonders die Bildästhetik der Musikvideos von Disstracks seit den 2000er Jahren so gut wie gar nicht verändert zu haben scheint. Was Savas einst mit “Das Urteil” vormachte, ist bis heute Gesetz. Aktuelles Beispiel ist PA Sports’ am vergangenen Donnerstag veröffentlichter Disstrack namens “Guilty 400” gegen KC Rebell (auf den KC inzwischen mit einem Instagram-Post antwortete, 2018 Baby!).

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Neben Ghostwriting-Vorwürfen und szeneinterntem Gossip will PA Sports in dem 17-minütigen Track hauptsächlich KC Rebell als unloyalen Opportunisten demaskieren, den der Wind immer genau dorthin weht, wo es für ihn gerade am lukrativsten ist. Ein klassisches Thema von Disstracks, das natürlich nach einem klassischen Disstrack-Video verlangte – das Auge disst schließlich mit!

Da wir bei Noisey Disstracks, Musikvideos und Listen lieben, ist “Guilty 400” der perfekte Aufhänger, um einmal zusammenzufassen, welche unverzichtbaren Essentials man braucht, wenn man ein Musikvideo zu einem Disstrack drehen möchte.


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1. Ein mehr oder weniger authentisches Double

Der Gegner ist das A und O des Disstracks. Um ihn dreht sich alles, er ist der unsympathische Bösewicht, den der glänzende Ritter der Wahrheit zum Duell fordert und schließlich mit seiner verbalen Lanze aufspießt – aus der Sicht des Diss-Ausführenden natürlich. Anders als angenommen, ist es für die Besetzung dieser Rolle sogar von Vorteil, wenn das Double dem Original nicht wirklich ähnlich sieht. Überzeichnete Charakteristika oder sogar ein scheinbar vollkommen wahllos ausgesuchter Platzhalter unterstreichen die Ignoranz und Überlegenheit des Dissenden sogar, remembering Eko in “Das Urteil”.

Es gilt also: Double unverzichtbar, aber gerne möglichst wenig Mühe damit geben und das Ganze komplett ins Lächerliche ziehen.

2. Eine spektakuläre Entführung – wenn möglich mit Waffen

Ob “Sack übern-Kopf und rein in den Van”-Strategie oder das plötzliche Erwachen an einem anderen Ort: Egal, wie die Entführung abläuft, ist es essentiell wichtig, das Opfer gegen seinen Willen an einen Ort zu verfrachten, wo es gerichtet wird. So erwachten bereits Fler, Bushido oder nun eben auch KC in Lagerhallen, Gummizellen oder ähnlich prekären Orten (mehr dazu bei Punkt Vier). Gerne lautet am Ende das Urteil dieses Gerichts Todesstrafe, ist aber kein Muss und davor folgen noch einige weitere Must-haves.

3. SEK-Beamte und oder Freunde verkleidet als SEK-Beamte, spricht: schutzsichere Westen

Irgendwer muss schließlich die Entführung durchziehen. Hat man also keine linkische Prostituierte, die das nichts ahnende Opfer in eine Falle lockt, möchte alles dennoch filmreif inszenieren, führt kein Weg an den gepanzerten Beamten vorbei. Aber psssst: Im Herzen gilt immer noch fick die Polizei.

4. Einen Wald oder eine verlassene Lagerhalle

Ist die Entführung erstmal vollzogen, findet sich das Opfer idealerweise in einem verlassenen Raum wieder, vorzugsweise einer verlassenen Lagerhalle oder auch gerne im Wald, wenn man Wert auf Frischluft legt. Hauptsache an einem Ort, wo das Opfer ohne Zeugen und Hoffnung auf Hilfe der Rache seines Richters ausgesetzt ist und sich an den Haaren ziehen, elektroschocken oder ohrfeigen lassen muss, oder alles gleichzeitig und noch viel mehr wie das Fler-Double in “Fanpost 2”.

5. Eine “Ich predige auf dich hinab”-Szene

Nicht jedes Entführungsopfer wird an den Haaren gezogen und malträtiert. Aber es ist unumgänglich, wir betonen, unverzichtbar, dass der Gedisste belehrt werden muss und das so eindrücklich wie es nur geht. Bei unserem aktuellen Beispiel schön umgesetzt von PA mit einem Rednerpult, das wir uns genauso auch von Frau Merkel vorstellen könnten, mit der gleißenden Sonne im Rücken, aber auch Bushidos Fernsehübertragung in “Leben und Tod des Kenneth Glöckner” demonstrierte perfekt das Machtgefälle der zwei Rivalen.

Es wird visuell deutlich gemacht, wer hier welche Position inne hat. Der allwissende, mächtige Vater (oder Mutti), der das dumme, schwache Kind von oben herab straft.

6. Feuer

Es geht um große Emotionen. Schließlich würde man niemandem einen 17-minütigen Song schreiben, ihn aufnehmen und ein Video dazu drehen, wenn diese Person nicht das eigene Blut zum Kochen bringen würde. Hass ist schließlich nicht das Gegenteil von Liebe, sondern Liebe auf den Kopf gestellt. Und nichts symbolisiert die Liebe und eben auch die zerstörerische Kraft der schlecht gewordenen Liebe so gut wie die alles verschlingende Feuerglut. Hat man kein Feuer, dann zumindest einen orange-gelben Scheinwerfer. Ansonsten ist Schnee oder auch prasselnder Regen eine gute Alternative. Ein Diss-Video ohne Naturgewalt ist kein Dissvideo, fragt nur mal Kollegah “brennende Totenköpfe im Wald” der Boss.

7. Extra: alte Video- oder Audio-Aufnahmen aus besseren Zeiten

Alte Video- oder Audioaufnahmen können drei Zwecken dienen. Als ultimatives Beweismittel, das man die Wahrheit sagt wie es beispielsweise Kay One in “Tag des jüngsten Gerichts” tat. Sie können aber auch als weiteres Tool, um den Gegner lächerlich zu machen, fungieren. Wir wissen schließlich alle aus eigener Erfahrung, wie wir es finden, wenn Eltern, Geschwister oder langjährige Freunde aus Unterhaltungsgründen alte Bilder oder Videos von uns präsentieren. Gar nicht gut finden wir das.

Appelieren die alten Aufnahmen nicht an unsere Scham, triggern sie ein anderes Gefühl, das noch viel schlimmer zu ertragen ist: reuevolle Sehnsucht. Ja, so schön war es damals und du hast alles kaputt gemacht! Nostalgie dringt in Teile unseres Herzens hervor, die unsere Fäuste langsam sinken lassen, ob wir sie nun zur Selbstverteidigung oder zum Angriff oben haben. Unsere verzerrten Gesichtszüge erschlaffen, ein Schleier legt sich über die Augen. Wir blicken auf die guten alten Zeiten, auf das nun Verlorene und es wird uns bewusst, dass es nie wieder wie früher sein wird. Der Vorhang fällt. Fin. Bis die Antwort kommt.

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