Im Kleingedruckten steht: “Demokratie ist (auch nur) eine andere Form der Diktatur.”
Die Wahlbeteiligung war bei den Nationalratswahlen so niedrig wie nie zuvor in der Zweiten Republik: Mit allen Wahlkarten und allem Optimismus wird man wohl auf 74 Prozent kommen und irgendwie ist das mit den Nichtwählern wie mit den Puff-Besuchern: Sie existieren offensichtlich en masse, aber werden sie direkt darauf angesprochen, waren sie ganz brav bei der Frau, oder eben an der Wahlurne.
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Rechnet man FPÖ-Wähler und Nichtwähler zusammen dann haben fast die Hälfte aller Wahlberechtigten die FPÖ oder gar nicht gewählt. Lässt sich streiten, was für eine Demokratie schlechter ist. Aber auch, wenn ich der FPÖ—sehr euphemistisch ausgedrückt—nur wenig abgewinnen kann, muss ich diesem Zitat trotzdem vollkommen zustimmen: “Bad politicians are elected by good people who don’t vote”.
Die Nichtwähler haben in den nächsten fünf Jahren jedenfalls mindestens so viel Einfluss auf die österreichische Politik wie die Abgeordneten des BZÖ, die nicht rechtzeitig auf die wirre Seite von Todesstrafe und 20.000 Euro Monatslohn gewechselt sind. Wir haben einige der BZÖler unter den Wahlberechtigten ausfindig gemacht und sie gefragt, womit sie ihren Sonntag verbracht haben und wie glücklich sie über das Ergebnis sind.
Michele, 20:
Warum warst du nicht wählen?
Weil ich seit 3 Wochen in München lebe und mir die Leute von meiner Uni wichtiger waren. Und natürlich die Wiesn. Aber auch, weil ich mich mit den meisten Parteien in Österreich nicht auseinandergesetzt habe.
Wen hättest du gewählt?
Ich hätte aus Gewohnheit die ÖVP gewählt. Weil ich mich zu 70 % mit ihr identifizieren kann.
Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Das Ergebnis ist unglaublich grauenhaft. Ich verstehe nicht, wie ein Viertel der Österreicher die FPÖ wählen kann. Die FPÖ ist eine Schande für unser demokratisches System. Manche Leute sind einfach komplett behindert.
Luke, 34:
Warum warst du nicht wählen?
“Die Stimme, die in einer Demokratie am allerwenigsten bewegt, ist die, die nicht abgegeben wird”, schreibt Armin Wolf. Mimimi! Ich will auch gar nix “bewegen”. Wie anmaßend, einzufordern, Dritte sollten gefälligst so regiert werden, wie ICH es für richtig halte.
Was hast du stattdessen gemacht?
Ich war auf der Wahlparty der Neos, habe mich auf deren Kosten betrunken und mich ein wenig mitgefreut, auch wenn’s wurscht ist.
Wen hättest du gewählt?
Irgendwas, das sicher nicht in den Nationalrat kommt. Aber nur, wenn man mich mit der Pistole dazu zwingt und das dann Nichtwählen am nächsten kommt.
Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Das ist mir vollkommen blunzn.
Anna, 24 und Luca, 20:
Warum wart ihr nicht wählen?
Wir kommen beide aus Deutschland, dürfen also hier nicht wählen, obwohl wir hier leben.
Was habt ihr stattdessen gemacht?
Wir hatten eine Party.
Wen hättet ihr gewählt, wenn ihr dürftet?
Wir hätten gar nicht gewählt. Die österreichischen Politiker kann man nicht ernstnehmen, die sind alle ziemlich lächerlich.
Was haltet ihr vom Ergebnis?
Anna: Ich war echt schockiert, dass so viele Leute die FPÖ wählen. Dass man den Strache überhaupt wählen kann, mit seinem komischen Song, dem Nächstenliebe-Gerede und der Hetze gegen Ausländer. Dass die Leute so jemanden wählen, kann ich absolut nicht verstehen.
Luca: Und dieser Badehosen-Post, das ist nur peinlich. Aber ich kann auch nicht unzufrieden sein, weil ich sowieso nicht gewählt hätte.
Andrea, 21:
Warum warst du nicht wählen?
Ich hatte 41 Grad Fieber und rektale Ovomaltine-Zustände. Die Grippewelle ist keine mediale Erfindung, sondern traurige Realität—wie das Wahlergebnis.
Wen hättest du gewählt?
Kim Jong-il oder Jörg Haider.
Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Das Ergebnis ist wie mein gesundheitlicher Zustand: zum Scheissen!
Adrian, 22:
Warum hast du nicht gewählt?
Ich musste am 29. 09. 2013 entsetzt feststellen, dass die begeistere Hysterie der post-demokratischen Svabo-Kultur um die Wahlen, die euphorischen Erwartungen hinsichtlich des “Grande Finales” von HBOs Breaking Bad zu überlagern wusste. Besagte Hysterie äußerte sich bei großen wie kleinen Männern und Frauen vor allem im stetigen Beharren auf die unbedingte Wahrnehmung meines (und eines jeden) Wahlrechtes. Sollte ich dieses Recht nicht als Pflicht wahrnehmen, so scheint es, muss ich mindestens faul, ignorant, oder dumm sein, und überdies spiele ich wohl dem “Größeren Übel” in die Hände. Tatsächlich habe ich mein überaus bequemes Bett an diesem großen Tage erst um Ein Uhr Mittags verlassen und trug noch immer meinen unmodischen, aber dafür umso bequemeren Skinny Pyjama. Auch exilierte ich mein demokratisches Bürgerbewusstsein in die Rub al-Chali meiner Gedankenwelt, um dem tanzenden Gott in mir einen größeren “Dancefloor” bieten zu können, und last but not least habe ich mir ein Mixtape aufgenommen, dessen musikalisches Donnergrollen ausschließlich von Klassikern der Komponisten Georg Friedrich Händel und Haftbefehl gestellt wird. Abwechselnd. Zur melodischen Illustration der Dialektik meiner Dummheit.
Ähm. Und wen hättest du gewählt?
Obwohl ich prinzipiell in meinem eigenen Lichte lebe, und jene Flammen in mich zurück trinke, welche aus mir brechen, um es ein weiteres mal mit Friedrich “Babo” Nietzsche zu sagen, war besagtes nicht entscheidend für meine Entscheidung mich nicht zu entscheiden. Denn ich entschied mich. Für Frank. “Jetzt”. Doch traf im Angesichte dieses nihilistisch anmutenden Beschlusses auch meine in ihrer alt-linken Ideologie gewissermaßen reaktionäre Mutter eine Wahl: Die Wahl, mir den vermaledeiten Zettel zu verweigern, weshalb ich nun mit dem österreichischen Nichtwähler-Gesindel Bett und Frühstück teilen muss. Jeder Babo weiß, dass das Leben ein Born der Lust ist; aber wo die Chabos mittrinken, da sind alle Brunnen vergiftet.
Klar. Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis?
Meine Unzufriedenheit lässt sich wohl nur durch meine Unüberraschtheit übertreffen. Im Grunde sind alle nativen Österreicher die unmittelbaren Nachkommen von “Mördern und Irren”, und in eben dieser Tradition werden in Svabo-Land die Wahlzettel besudelt. Dem weiß ich auch nicht mit dem Votum eines “Geringeren Übels” Abhilfe zu leisten. Eine unverzügliche Emmigration, wie ich sie mir nach jedem Wahltag auf ein neues ersehne, scheint die einzige tatsächliche Heilserwartung in sich zu tragen. Und dennoch verbleibe ich nach jedem weiteren Trauma bei der urbanen Einsiedelei.