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Rechtsextremismus

Sachsen und die Neonazis: Rechter Klamottenladen sponsert Fußballklub

Es ist nicht der erste Fall, der den Sächsischen Landesverband zu überfordern scheint.
Foto: imago | IPON

Sie waren nach Bautzen gekommen, um etwas über Hass zu lernen: Vier Wissenschaftler der Uni Bielefeld zogen Anfang des Jahres für zwei Monate in die sächsische Kreisstadt, um herauszufinden, warum dort so viele Menschen gegen Ausländer hetzen und brennende Flüchtlingsheime bejubeln. Wir hätten da einen Vorschlag: Als Nächstes könnten sich die Soziologen doch mal in sächsischen Fußballstadien umschauen. Denn eine ganze Reihe von Vereinen im Freistaat hat ein Neonazi-Problem. Das belegt aktuell ein weiterer Fall – ausgerechnet aus Bautzen.

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Am Donnerstag präsentierte der SV Bautzen aus der Kreisoberliga stolz seinen neuen Sponsor. Künftig laufen die Spieler mit dem Schriftzug "NRDLND" des Ladens "Nordland" auf. Der Shop aus dem Landkreis Bautzen verkauft Marken wie Thor Steinar, Yakuza oder Label 23, die vor allem in der rechtsextremen Szene und in rechten Hooligankreisen beliebt sind. Daneben gibt es Quarzsandhandschuhe – vom BGH als "gefährliches Werkzeug" eingestuft – und Mini-Boxhandschuhe mit dem Aufdruck eines Tiger-Panzers der Wehrmacht, daneben der Spruch: "Lasst die Katzen los" – ein Titel der rechtsradikalen Band Blitzkrieg.

Der Betreiber des Ladens soll unter anderem mit der rechtsextremen Band Asatru in Verbindung stehen, schreibt Steffen Grundmann, der für Die Linke im Bautzener Stadtrat sitzt. Die Band wurde 2011 vom Sächsischen Verfassungsschutz als "rechtsextrem" eingestuft. Noch am Mittwoch, so Grundmann gegenüber VICE, habe ein Banner des Ladens am Geländer vor dem Vereinshaus des SV Bautzen gehangen. Der Verein selbst war am Freitagmorgen für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Der Sächsische Fußballverband (SFV) erklärte auf Nachfrage, dass er sich erst am Montag äußern könne. In der Spielordnung des Landesverbands steht unter anderem, dass Trikotwerbung nicht "gegen die allgemein im Sport gültigen Grundsätze von Ethik und Moral" verstoßen dürfe. Zudem heißt es: "Werbung für politische Gruppierungen und mit politischen Aussagen wird nicht gestattet."

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Die Frage ist also: Ist es schon eine politische Aussage, das Logo eines Shops auf der Brust zu tragen, der vor allem unter Neonazis beliebte Klamotten vertreibt? Aus rechtlicher Sicht ist das knifflig. Die Verbandsregeln zur Trikotwerbung sind im Fußball aber dehnbar: Im Saarland sah man bereits im Schriftzug einer Pornodarstellerin eine Grenze überschritten – das Trikot wurde verboten. Moralisch und ethisch zweifelhaft ist der aktuelle Fall aber ganz sicher.

Denn: Eigentlich müsste sich der SFV mit dem neuen Sponsor schon längst auseinandergesetzt haben. Vereine müssen sich ihre Trikotsponsoren nämlich grundsätzlich per Antrag vom Verband absegnen lassen. Zwei Klicks hätten also gereicht, um herauszufinden, dass der neue Sponsor des SV Bautzen die rechtsradikale Szene der Umgebung mit Thor-Steinar-Klamotten versorgt.


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Es ist nicht der erste Fall eines Sponsoring-Deals mit Thor-Steinar-Beteiligung, obwohl die Marke vom Verfassungsschutz als "rechtsradikal" eingestufte wurde. 2011 veranstaltete der damalige Drittligist Dynamo Dresden eine Autogrammstunde beim Vereinssponsor Sportcollection aus Altenberg im Erzgebirge. Auch dieser Laden hatte Hosen, T-Shirts und Mützen von Thor Steinar im Angebot. Dynamo Dresden gab damals zu: Die Aktion sei "unsensibel" gewesen – immerhin hatte der Verein den Besuchern seiner Heimspiele schon 2007 verboten, die Marke im eigenen Rudolf-Harbig-Stadion zu tragen. Solche Verbote gelten etwa auch in den Bundesligastadien des BVB, von Werder Bremen oder Hertha BSC – sowie im Bundestag und im Sächsischen Landtag.

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Sponsoren aus dem rechten Umfeld sind aber nur ein Symptom des grundlegenden Neonazi-Problems im sächsischen Fußball: Bei einem Punktspiel der Landesklasse Nord im Oktober etwa beschimpften Anhänger des TSV Schildau mitgereiste Fans von Roter Stern Leipzig (RSL) mit Wörtern wie "Judensterne" und "Zeckenpack". Das berichteten Vertreter von RSL gegenüber Spiegel Online. Nach dem Spiel stürmten 20 Angreifer aus dem Schildauer Block – einige trugen T-Shirts mit dem Aufdruck "White Aryan Resistance" – den Rasen, um zu den Roter-Stern-Fans zu gelangen. Sicherheitskräfte hielten sie zurück.

"Das war das Who-is-who der nordsächsischen Naziszene, die zum Teil schon bei vergangenen Partien gegen uns da waren", sagte der RSL-Pressesprecher Conrad Lippert nach dem Spiel. Einige der Angreifer in Schildau trugen Shirts mit dem Aufdruck "JDN CHM". Das Kürzel steht für "Juden Chemie". Buttons, Banner, Aufkleber und Shirts mit dem Slogan sollen Anhänger des Regionalligavereins BSG Chemie Leipzig provoziert werden.

Stefan Gärtner, der Schiedsrichter der Begegnung, schrieb in seinem Spielbericht von "Provokationen". Allerdings bezog er sich damit nicht auf die Angreifer, sondern auf T-Shirts von RSL-Fans, auf denen "Nazis raus aus den Stadien" zu lesen war. Die RSL-Anhänger mussten diese Shirts schließlich ausziehen. In einer Sicherheitsbesprechung hatten Vertreter der Polizei und einer des sächsischen Fußballverbands entschieden, dass "jegliche politische Provokation" zu unterlassen sei.

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Gegen Neonazis zu sein, das ist in Sachsen offenbar eine Provokation. Der Sächsische Fußballverband hatte trotz überregionaler Berichterstattung nach den Vorfällen fast zwei Wochen geschwiegen und erklärte laut einem Bericht von Neues Deutschland schließlich, dass er das Tragen der T-Shirts nur aufgrund "nicht korrekter Spielkleidung" untersagt habe. Der Blocksturm kostete am Ende 100 Euro, ein Zuschauer musste zusätzlich 250 Euro bezahlen, weil er zweimal "Juden-Sterne" gerufen hatte.

Der SFV zeigte mittlerweile zumindest ein wenig Einsicht. Gemeinsam mit dem Landessportbund Sachsen wolle der Verband den TSV Schildau nun "unterstützen": Der Klub solle mit einem "Demokratietrainer" zusammenarbeiten

Das Problem ist nur: Schildau ist einer von vielen sächsischen Klubs mit Neonazi-Problemen. Dass einzelne Störer aus der rechtsextremen Szene versuchen, Fußball zu instrumentalisieren, das wird den Sport ziemlich sicher auch in Zukunft begleiten. Für die Vereine und Verbände muss das heißen: Null Kooperation mit rechten Sponsoren. Und eine eindeutige Distanzierung von Neonazis. Besonders in Sachsen wird es höchste Zeit, damit anzufangen.

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