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Popkultur

Nach Cate Blanchetts 'Manifesto' wirst du jede Form von Kunst hassen

Und gleichzeitig wirst du sie lieben.

Es gibt nichts Schlimmeres als schulmeisternde Kunst. Ein selbstverliebter "Auteur" monologisiert irgendwelche Gedanken vor sich hin, bis man aus Trotz nur noch alle Staffeln Big Bang Theory schauen möchte. Schlechte Texte und schlechtes Artwork erkennt man schnell daran, dass sie dir ins Gesicht reiben wollen, wie blöd und unkultiviert du als Zuschauer doch bist. Manifesto von Regisseur Julian Rosefeldt behandelt genau diese fragile Gratwanderung zwischen "Kunst oder Kacke" und geht dabei noch ein paar Schritte weiter.

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Cate Blanchett spielt in Manifesto zirka ein Dutzend sehr unterschiedliche Charaktere, was man ihr nach Rollen als Elisabeth I, Sowjetagentin, nordische Comic-Göttin, Bob Dylan, blaue Jasmin oder die erschreckend glaubwürdig dargestellte Elbenkönigin Galadriel zweifellos zutraut. Alle ihre Figuren in Manifesto philosophieren über die weite Welt der Künste – und zwar in kontrastierenden, klinisch aufgeräumten Settings, die wie kleine bewegte Gemälde wirken.

Blanchett spielt einmal eine Fluxus-Regisseurin, die aussieht wie eine 20er-Jahre-Version von Marina Abramović, und erklärt Tänzerinnen in Alien-Kostümen, wie sie ihre Körper zu sich vereinenden Flächen formen sollen. Kurz darauf ist sie eine Dadaistin, die bei einer Beerdigung Kampfansprachen über den Tod von Dada hält. Sie spielt auch einen Obdachlosen, der auf einem Industriegelände verschwörerisch existenzialistische Dinge in seinen Bart murmelt. Die Ähnlichkeiten zum surrealistischen Anthology-Film Holy Motors sind nicht zu übersehen, nur hier eben mit einer weiblichen Hauptfigur.

Blanchetts Manifeste handeln davon, wie verschiedene Formen von konzeptioneller Kunst funktionieren – und teils davon, wie scheiße sie sind. Gleichzeitig ist der Film selbst aber eine einzige "Kunstinstallation". Manifesto fühlt sich dadurch so widersprüchlich und prätentiös an, dass du merkst, wie widersprüchlich und prätentiös du selbst bist. In manchen Szenen von Manifesto werden die Kunst-Elite und auch wir, das Publikum, direkt und ziemlich angriffig angesprochen. Im ersten Moment möchte man glauben, der Film will mit uns zusammen die eingebildete Art-Szene verarschen.

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Durch die vielen Meta-Ebenen wird man als Zuseher orientierungslos und zweifelt am eigenen Geschmack: Bekomme ich gerade eine Standpauke, ist das eine Vorlesung oder eine Show? Sobald du dann aber eine Anspielung auf Joseph Beuys oder Valie Export verstehst, fühlst du dich wie der schlauste Kulturexperte und schon bist du selber einer von den elitären Schnöseln.

Bei The Square, dem schwedischen Film aus 2017 über einen Museumskurator, passiert auf eine gewisse Art dasselbe. Die Oberflächlichkeit und Verlogenheit der Kunstwelt und deren Konsumenten werden bloßgestellt. Aber bei genauerer Betrachtung ist der Film genau für dieses ältere und "artsy" Publikum gemacht, das kritisiert wird. So erkennt sich der intellektuelle und selbstironische Zuschauer wieder, nickt und amüsiert sich schmunzelnd über den "vorgehaltenen Spiegel". Das ist übrigens alles so verdreht, dass vielen gar nicht auffällt, wie enttäuschend The Square eigentlich ist – bis auf die sehr coole, leider schon im Trailer verpulverte Affenmensch-Szene.

© Filmladen Filmverleih

Cate Blanchett spielt in Manifesto auf jeden Fall unbestreitbar gut, mit unterschiedlichen Nuancen der Sprache und ihrer so unglaublich intensiven Körperlichkeit. Man will oft einfach ganz laut zustimmen und fragen: "Warum erzählst du mir das? Ich bin auf deiner Seite! Warum forderst du mich auf, Kunst zu hinterfragen, während der Film künstlerisch so genial aufbereitet ist? Und habt ihr für diese eine Szene den Monolith aus Kubricks 2001: Space Odyssey geklaut?!"

Am Ende fühlt man sich zerrissen und ein bisschen persönlich beleidigt. Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass man danach jede Form von Kunst vorübergehend hasst – und dann wieder liebt, weil es verdammt noch mal wirklich schwierig ist, heutzutage noch etwas zu erschaffen, das die Menschen so bewegt und aufwühlt.

Manifesto ist zwar bereits 2015 erschienen, aber kommt nun auch in Österreich ins Kino. Wir sind also nicht nur beim Rauchverbot Spätzünder. Seien wir in diesen Zeiten einfach froh, dass es ein spannender Film auch in unser Land schafft. Und lasst uns die Manifeste feiern, wie sie fallen!

Josef auf Twitter: @theZeffo

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