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Im Packeis der Antarktis klafft ein mysteriöses Loch, so groß wie Tschechien

Es ist nicht das erste Mal, dass dieses Phänomen im Eismeer der Wissenschaft Rätsel aufgibt.
Das antarktische Weddell-Meer. Bild: Jeff Schmaltz/LANCE/EOSDIS Rapid Response/Jesse Allen/NASA

Ein Loch in der Größe von Tschechien hat sich im antarktischen Eismeer aufgetan und Wissenschaftler können nicht mit Sicherheit sagen, wie es entstanden ist.

Das gigantische, mysteriöse Loch ist "ziemlich bemerkenswert", bestätigt der Atmosphärenphysiker Kent Moore von der University of Toronto gegenüber Motherboard. "Das sieht so aus, als ob einfach jemand ein Loch in die Eisdecke geschlagen hätte."

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Große offene Wasserflächen im arktischen oder antarktischen Meereis bezeichnet man als Polynja. Normalerweise tauchen sie jedoch in Küstengebieten auf, erklärt Moore. Dort entstehen sie durch starke Winde, Gezeiten oder aufsteigendes warmes Meereswasser. Das Loch, das die Forschung aktuell in Staunen versetzt, befindet sich jedoch weit entfernt vom Festland, mitten im Packeis.

Diese Karte zeigt das Ausmaß des Weddell-Polynja | Bild: meereisportal.de

"Dieses Loch befindet sich hunderte Kilometer vom äußeren Rand des Packeises entfernt", sagt Moore. "Wenn wir keine Satelliten hätten, wüssten wir gar nicht von seiner Existenz." Das Loch hatte zeitweise eine Größe von bis zu 80.000 km2.

An genau dieser Stelle im antarktischen Weddell-Meer ist in den 70er Jahren schon einmal ein Loch von gigantischer Größe aufgetaucht, erklärt Moore, der mit der Southern Ocean Carbon and Climate Observations and Modelling Group das Phänomen erforscht. Damals waren die Messgeräte jedoch noch nicht so gut wie heute, daher konnte das Loch kaum untersucht werden. Doch dann verschwand es so plötzlich wie es gekommen war, und zwar 40 Jahre lang. Erst im vergangenen Jahr öffnete sich die Eisdecke wieder für ein paar Wochen – und auch dieses Jahr wird das Phänomen wieder beobachtet.

"Das ist nun das zweite Jahr in Folge, dass es sich auftut, nachdem es Jahrzehnte lang verschwunden war", sagt Moore über das Loch, das dieses Jahr am 9. September zum ersten Mal gesichtet wurde. "Wir versuchen immer noch herauszufinden, was hier eigentlich los ist."

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Es ist verlockend, dem Klimawandel die Schuld an diesem mysteriösen Loch im Eis zu geben – schließlich sorgt er für viele Veränderungen auf der ganzen Welt, auch in der Antarktis. Doch Moore hält diese Schlussfolgerung für "voreilig".


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Auch die Arbeitsgruppe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel glaubt, dass das Polynja "Teil einer natürlichen Klimavariabiliät" ist. Unter bestimmten Bedingungen könne sich warmes, salzhaltigeres Wasser aus den Meerestiefen an die Oberfläche arbeiten, wo es das Eis schmelzen ließe.

In einem Punkt sind sich Forscher jedoch jetzt schon einig: Das Polynja wird einen weitreichenden Effekt auf die Ozeane haben.

"Wenn das Meereseis wieder schmilzt, gibt es einen enormen Temperaturunterschied zwischen dem Ozean und der Atmosphäre", erklärt Moore. Dadurch findet ein Wärmeaustausch statt: Dichteres, kälteres Wasser sinkt zum Meeresboden, während wärmeres Wasser aufsteigt. "Wenn dieser Prozess einmal im Gange ist, kann er das Polynja offenhalten", meint Moore.

Andere Geoforscher vermuten, dass riesige Gebirge am Meeresgrund für die Entstehung von Polynjas verantwortlich sind, die sich nicht in Küstennähe befinden. Sie glauben, dass diese Gebirge warme Strömungen nach oben befördern und darum das Eis schmilzt.

Mit Satellitenaufnahmen und Tiefseerobotern arbeiten Moore und seine Kollegen daran, einige dringliche Fragen über Polynjas zu beantworten. "Verglichen mit der Situation vor 40 Jahren ist es beeindruckend, wie viele Daten uns heute zur Verfügung stehen", meint er.

Indem sie das Rätsel um das gigantische Loch im Eis lösen können, hoffen die Forscher auch weitere Veränderungen in der Antarktis besser zu verstehen, die momentan stattfinden.