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Google-Bewertungen

Die lustigsten Google-Bewertungen für deutsche Bahnstationen

"U-Bahnhof Schönleinstraße: der urbane Vorhof zur Hölle, der Boulevard of broken dreams."
Foto: STPP

Neben all den anderen Dingen, die das Internet revolutioniert hat – die Arbeitswelt, den Sex, unser Verhältnis zu ehemaligen Schulkameraden, die wir eigentlich nie wieder sehen wollten –, hat es uns auch noch eine besonders mächtige Waffe an die Hand gegeben: die Online-Rezension.

Wo wir früher gezwungen waren, einfach damit klarzukommen, dass sich niemand für unsere Meinung interessiert, haben wir jetzt die Möglichkeit, sie trotzdem immer und überall zu sagen. Und natürlich ist diese Macht uns sofort zu Kopf gestiegen. Seit wir es können, bewerten wir alles, was uns begegnet: Restaurants, Einwohnermeldeämter, Kirchen und Konzentrationslager (Auschwitz hat 4,5 auf TripAdvisor).

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Nur bei TripAdvisor. Ich habe meine Gartenlaube zum besten Restaurant der Stadt gemacht


Unsere Bewertungswut geht so weit, dass wir sogar Orte rezensieren, bei denen das nie etwas ausrichten wird – wie U-Bahnstationen. Allerdings wissen auch Stationen-Rezensenten, dass niemand aufgrund ihrer Bewertungen lieber die nächste Haltestelle nimmt. Aber es ist genau diese Sinnlosigkeit, die den Charme dieses eigenartigen Genres ausmacht. Das sind die schönsten Bewertungen aus ganz Deutschland:

Berlin

Was CSU-Politiker schon lange vermuten, bestätigt sich bei der Lektüre der Berliner Station-Reviews: Wer in Berlin lebt, lebt in der Postapokalypse. In Kreuzberg duellieren sich Drogenabhängige mit verseuchten Spritzen. In Mitte schleppen Taschendiebe säckeweise Raubgut aus den Zügen und in Neukölln stoßen 23-jährige volltätowierte Spanier ihre Rennräder in die übervollen Wagons. Berliner Fahrgäste absolvieren auf glitschigen Bahnsteigen einen täglichen Spießrutenlauf zwischen Menschen, die mit unterschiedlichen Methoden an dein Geld wollen, und Bächen aus Urin. Eigentlich sind hier alle U-Bahnstationen eine Zumutung, doch am schlimmsten finden die Google-Tester die Station Schönleinstraße in Kreuzberg, mit 2,7 Sternen Berlins am schlechtesten bewertete Haltestelle.

Interessanterweise kommt dieser Nutzer bei seiner Kritik sogar noch auf drei Sterne. Vielleicht liegt das an dem Rocko-Schamoni-Konzert. Der nächste Rezensent war wohl eher Green-Day-Fan:

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Das Kottbusser Tor ist für die einen Himmel, für die anderen Hölle. In den Kneipen klebt der Boden vor Bier, nachts um drei verkaufen Männer an neonbeleuchteten Marktständen frische Ananas und andere ein paar Meter weiter Heroin. Kein Wunder, dass auch die Rezensionen der U-Bahnstation weit auseinander gehen. Für manchen verkannten Poeten ist der Ort, an dem sich U1 und U8 kreuzen, offenbar "eine sanfte Wiege der Großstadtkriminalität", oder auch "etwas für Träumer und Genießer". Andere fassen nüchtern zusammen, was die Station ihrer Ansicht nach auszeichnet: "Wenn man hier etwas sucht, dann findet man es, zum Beispiel Streit." Noch präziser sind nur diese beiden Posts:

Für manche sind Haltestellen sogar eine Inspiration. Ein Nutzer merkt an, man könne am Bahnhof Ostkreuz "sehr viel Geld" mit einem "Toilettenwagen" verdienen. Eine revolutionäre Idee. Gerade jetzt, wo nach drei Jahren Bauzeit die Bauzäune an der Station in Berlin-Friedrichshain verschwinden, müssen neue Orte geschaffen werden, um dem Partypublikum beim Pinkeln zu helfen. Man sieht: Es ist nicht alles schlecht an den Berliner Haltestellen. Ein Nutzer findet die Station Leopoldplatz im Wedding sogar fast romantisch.

Hamburg

Der Berliner pflegt eine Hass-Liebe zu seiner Stadt wie die Deutschen sonst nur zum McRib. Der Hamburger dagegen liebt seine Heimat bedingungslos und besitzt die wunderbare Fähigkeit, im Rausch dieser Liebe englische Junggesellenabschiede auf St. Pauli und dauerpatrouillierende Drogen-Taskforces zu verdrängen. Denn obwohl auch Hamburgs Stationen eine olfaktorische Herausforderung darstellen und die Bahn hier keine Sekunde pünktlicher kommt als in Berlin, haben manche Bahnhöfe echte Fans, oder vielleicht eher: Liebhaber.

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Zwar brachte Karl Marx vor 151 Jahren das Manuskript seines berühmten Werkes Das Kapital zu einem Hamburger Verlag, warum er aber als U-Bahn ausgerechnet am Gänsemarkt zwischen Nobelboutiquen und großen Ketten halten würde, weiß nur der Autor dieses Posts. Warum er trotz seiner Zuneigung zu einer U-Bahn nur vier Sterne an die Station vergibt, leider auch. Verständlicher ist da der Frust, den dieser Mann angesichts der Haltestelle Berliner Tor empfindet:

Frankfurt am Main

Frankfurt ist inzwischen krimineller als Berlin. Hier treffen zwei Welten aufeinander: die der Banken- und die der Straßenkriminalität. Das lässt auf viele deftige Rezensionen hoffen, doch offenbar scheint unter Deutschlands einziger Skyline zumindest der Nahverkehr reibungslos zu funktionieren. Nur die Station Galluswarte, nahe des berüchtigten Bahnhofsviertels, sticht hervor. Dort kämpfen die Frankfurter offenbar mit einer geradezu biblischen Taubenplage, die es sogar in die lokalen Nachrichten schaffte.

Der Großteil der Frankfurter scheint von ihren Stationen aber nicht gefrustet genug zu sein, um sich auf Google auszukotzen. Im Gegenteil: Viele sind geradezu begeistert von ihren Bahnhöfen. Daran ändert auch Googles eigenwillige Übersetzung dieser Lobeshymne nichts.

Köln

Die Kölner und ihren KVB verbindet eine lange und komplizierte Beziehung: Tunnelbauarbeiten brachten das Kölner Stadtarchiv zum Einsturz, unter dem Dom dürfen die U-Bahnen nur im Schritttempo fahren und am Karneval schiebt sich die Straßenbahn lebensgefährlich durch eine Stadt voller Besoffener. Deswegen ist es fast schon seltsam, dass die meistens Kölner sich nicht über ihre Bahnen, sondern nur über andere Fahrgäste aufregen.

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Natürlich gierten wir darauf sofort auf die Rezensionen des Friesenplatz, eine Station weiter, um herauszufinden, wer die "fiese Klientel" ist und was sie dort treibt. Ein Nutzer sieht dort "Ohne Ende Besoffene und Penner" [sic!]. "Passt auf eure Sachen auf", warnt er seine Leser. Dennoch gibt es Leute, die über diese Makel hinwegsehen und die Station zu schätzen wissen:

Hingebungsvoller ist nur dieser Eintrag über den U-Bahnhof Heumarkt, der 2013 neu errichtet wurde und stolze 90 Millionen Euro kostete. Bei einer solchen Summe erwarten wir eigentlich 5 Sterne, mit 4,2 ist die Station aber nahe dran. Diese Bewertung übertraf jedoch all unsere Vorstellungen von U-Bahn-Wertschätzung:

München

Dass die "lebenswerteste deutsche Stadt" beim Station-Bashing auf Google nicht besonders hart getroffen wird, war zu erwarten. Doch dass in den Google-Bewertungen noch nicht einmal eine einzige Oktoberfest-Saufgeschichte zu finden war, ist doch überraschend. Keine christsoziale Ausländerbeschimpfung, keine Wut auf den einzigen Obdachlosen der Stadt, nichts. Während Menschen anderswo so wenig Zeit wie möglich in Bahnhöfen verbringen, scheinen sie in München sogar freiwillig dort abzuhängen.

Die Google-Bewertungen deutscher Bahnstationen zeigen uns eine Welt mit wenig Überraschungen. Berlin ist schmutzig, München schön und Köln hässlich, aber irgendwie ist man trotzdem gerne da. Vielleicht ist das der höhere Sinn der Bahnhofs-Reviews: Während um uns herum Züge zu spät kommen, Fahrgäste kollabieren und Fahrkartenautomaten unsere EC-Karten schreddern, bestätigen sich online unsere Vorurteile und bleiben erwartbar. Irgendwie auch beruhigend.

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