15 Jahre Audiolith Feine Sahne Fischfilet Thees Uhlmann und Sookee erzählen krasse Geschichten
Konzert der Audiolith-Band Egotronic 2017 (Foto: imago | HMB-Media)

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15 Jahre Audiolith: Die krassesten Storys zum Label erzählt von Feine Sahne Fischfilet, Thees Uhlmann & vielen anderen

Das Independent-Label aus Hamburg hat sich über all die Zeit seine punkigen Wurzeln bewahrt. Soll heißen: Da ist verdammt viel abgefahrener Scheiß passiert.

Dieses Jahr knacken bei Audiolith feierlich die Dosenbiere, das Independent-Label feiert 15-Jähriges. Gegründet 2003 von Lars Lewerenz in Hamburg wurde Audiolith zur Bastion von Elektro-Indie-Punk-Rave-Zeckenrap und einer gesunden "Fick mal die Industrie, wir machen das komplett anders"-Haltung.

Feine Sahne Fischfilet, Egotronic, Frittenbude, Captain Capa, Bratze, Neonschwarz, Olli Schulz, Supershirt, Waving the Guns – sie alle sind oder waren mal beim Label mit der eingekreisten Hand und den zwei Sternen auf dem Gelenk. So viele Acts, so viele Wegbegleiter, so viele Jahre … Da werden doch sicher auch jede Menge irrer Geschichten passiert sein, oder?

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Wir haben mal bei Freunden des Hauses nachgefragt und uns Anekdoten erzählen lassen. Natürlich wurde da auch der Abend angesprochen, an dem Lars Lewerenz erst den HANS (Hamburger Musikpreis) verliehen bekommen hatte, um ihn später mit einer Axt zu zerstören. Und Feine Sahne Fischfilet erzählen, wie sie zu Audiolith gekommen sind. Glaubt uns: Ihr Hinweis, dass die Story kein fake sei, ist bitter nötig.

Thees Uhlmann

Solokünstler, Sänger von Tomte, Mitgründer des Labels Grand Hotel van Cleef

Man kann es sich nicht mehr vorstellen, aber es gab in Hamburg mal bezahlbare Proberäume. Sie rochen alle gleich nach einer Mischung aus nassem, altem Teppich, selbstgedrehten Zigaretten und irgendetwas Unerzählbarem, was in Stephen-King-Romanen vorkommt.

Stemmi, Bodo und ich übten gerade in unserem Proberaum am Borstelmannsweg an der ersten oder zweiten Tomte-Platte. In der Hamburger Morgenpost gab es damals im Kontaktanzeigen-Teil regelmäßig eine Anzeige, in der stand: "F**** fisten am Borstelmannsweg". Wir wussten noch nicht mal genau, was das war, aber wir wussten, dass in dieser Gegend Proberäume sein mussten und hingehörten.

Und aus irgendeinem Grund, den ich wirklich nicht mehr weiß, teilten wir uns unseren Proberaum nur mit Bands, die schreiten. Ich weiß, dass das eigentlich "schrien" heißt, aber sie schrien nicht. Sie schreiten.

Enfold, Lebensreform, Kindle, Chispa. Math-Core für Menschen mit Dyskalkulie? California-Punk für Oi-Liebhaber? Posi-Core für Okkulte? Wir hatten alles – wenn man Punk und Hardcore damals als die Mitte von allem ansah. Und das taten wir.

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Während wir unsere Instrumente einpackten, hörten wir, wie die anderen mit ihrer Musik anfingen. Das war dann immer so:

Eine Hi-Hat zählte zischend scheppernd auf Vier ein und schon hörte man eine Band, die sich mit engen Holzketten um den Hals und akkurat geschnittenen Haaren in einem nicht nachzuvollziehenden Akkordgewitter auf schlechten Gitarren und teuren Marshall-Verstärkern in ihre Songs erbrach und sich hechelnd ihren Weg durch wunderbar komplexe Songs bahnte.

Und genau diese ganzen Bands hatten einen inoffiziellen Bürgermeister. Sein Name war Lars Lewerenz.

Ein Freund von mir arbeitete mal in einem Skater-Laden. Eine Dame kam rein und meinte, dass sie eine Baseballkappe für ihren Enkel kaufen möchte. Er reichte ihr mehrere zur Auswahl, aber sie wollte eine haben, bei der der Schirm der Kappe nach hinten zeige. Das würde man jetzt so tragen.

Lars Lewerenz ist der Grund für solch verwirrte Menschen. Seine Mütze trug er damals meistens mit dem Schirm nach hinten und er sagte immer "Digger, Alter!". Es gab immer etwas zu planen und zu machen und Lewe war der kleine, geile Architekt des Ganzen.

Das Dosenbier vom Sky-Supermarkt um die Ecke war nie kalt und keiner war tätowiert. Punk-Logistik.

Lars Lewerenz hat schon mit allen rumgehangen. Steve Aoki, At The Drive-In, Kettcar. Was für eine Liste. Was für ein Mann.

Irgendwann mussten wir den Proberaum auf- und ausräumen und schälten die verschiedenen Schichten von billigem Velour-Teppich aus dem Raum. Zwischen den Ritzen der verschiedenen Teppiche lagen vereinzelt kleine, farbige Tabletten. "Oh, hier hat jemand seine Tabletten verloren. Hoffentlich ist der nicht krank geworden", sagte ich.

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"Das ist Ecstasy, du Idiot", brummte Timo von hinten. Wenig später gründete Lars Lewerenz Audiolith. Der Rest ist Geschichte.

Sookee

Rapperin aus Berlin, Freundin von Audiolith

Meistens bin ich, wenn die legendären Saufgelage inmitten der Audiolith-Frontfiguren in die Geschichte eingehen, schon voll wie Kollegahs Konto und kann mich an das Wenigste erinnern. Deswegen folgt nun keine abgefahrene Backstage-Anekdote.

Aber eines kann ich großen Herzens über dieses Label sagen: Dafür, dass Audiolith in der Musikindustrie mitmischen, sind die Menschen hinter der Veröffentlichung von über 250 Tonträgern ausgesprochen vertretbarer Acts echt korrekte Atzen. Und Atzinnen.

Denn was manchmal übersehen wird, aber in diesen Zeiten doch nennenswert ist: Die Audiolith-Power besteht zu einem Drittel aus Frauen. Chrissie, Molly und Dominique rocken die Scheiße in Sachen Label, PR, Management und Booking fett. Bei allen Hüten, die ich vor den Audiolith-Boys für ihre saugute Arbeit ziehe, sollte das doch nicht unerwähnt bleiben.

Ein Hoch also auf Fraudiolith!

Marcus Wiebusch

Sänger von Kettcar, Mitgründer des Labels Grand Hotel van Cleef

Die erste Kontaktaufnahme mit Lars Lewerenz muss so 2002 gewesen sein, also noch bevor es Audiolith gab. Wir brauchten mit Kettcar für Studioaufnahmen einen Gitarrenverstärker. Denn es war mal wieder so, dass der Schrott, den wir uns leisten konnten, hinten und vorne nicht langte. Also ab nach Bahrenfeld, da wohnte jemand, der einen Engl-Amp – als Dauerleihgabe seines Vater – sein Eigen nannte: Lars Lewerenz. Kontakt kam über Der Tante Renate, ein späterer Audiolith-Act.

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Von da an hatte ich Lars File under: aufgeräumt, hilfsbereit, geiler Typ. Beim Zurückgeben des Amps ein bisschen ins Plaudern gekommen. "Ja, ich hab auch ein Label", meinte er. Dim Mak war der Name, aber nur eine Band, an deren Name ich mich nicht mehr erinnern kann. War aber musikalisch unerträglicher Hippie-Schrott. Glaub ich. Ist aber vollkommen egal, weil man damals schon spürte: Der Typ ist anders. [Bei Steve Aokis Label Dim Mak kümmerte sich Lewerenz um die Europa-Releases. Seine eigene Band hieß Dos Stielettos, Anm. d. R.]

Dann ging es los. Erst mit Clickclickdecker, dann mit Frittenbude viel zu tun gehabt und Audiolith beim Wachsen zugesehen. Und was man damals schon spürte, wurde dann Gewissheit: Lars ist der Typ, der die Sachen erledigt und Ideen, das Herz und das Gespür hat. Und immer nach seinen Prinzipien handelt.

Wenn ich etwas nach all den Jahren im Musikbusiness weiß: Künstler brauchen solche Typen wie Lars! Die an einen glauben, die cool sind und die Sachen erledigen.

Lars hat mir letztens mal die erste Pressrechnung von Audiolith vom 13. September 2003 zugemailt, die über mein damaliges Punklabel B.A. Records abgewickelt wurde (vermutlich weil Lars noch keinen Fuß in der Tür zu den Presswerken hatte). Nennt mich eitel, aber irgendwie erfüllt mich das mit Stolz.

Linus Volkmann

Musikjournalist, ehemaliger stellvertretender Chefredakteur der Intro

In den 00er-Jahren hatten einem die großen Plattenfirmen einfach nichts mehr zu geben. Die herrschende Krise der Musikindustrie machte sie bloß von arroganten Aufschneidern zu kleingeistigen Unsympathen.

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Die Zuflucht zur coolen Indie-Company schien ebenfalls vernagelt, gingen die doch entweder pleite oder in die komplette Irrelevanz. Eine Neugründung schockte indes: Audiolith. Bei meinem Arbeitgeber Intro setzte ich ein Labelporträt durch. Hausbesuch inklusive, wie man es heute von daueraufgebrachten Rappern kennt.


Noisey-Video: "Under the Influence: Glam Rock"


Audiolith in Hamburg war natürlich Home Office. Labelboss Lars Lewerenz hauste dort zwischen einer Unmenge an, das denke ich mir nicht aus, Tierskeletten. Erster Eindruck: So hatte sich sicherlich auch Hannibal Lecter eingerichtet. Ich wählte schon mal die Notrufnummer vor und war in dem Gespräch jederzeit bereit, auf "Anrufen" zu drücken.

Doch Lewerenz stellte sich als motivierter Start-up-Guy mit Oi!-Background heraus. Nett aber natürlich komplett am Markt vorbei. Zum Abschied schüttelten wir die Hände, ich lächelte und gab ihm und seinem Laden gedanklich maximal zwei Jahre bis zur Abwicklung.

Es kam völlig anders. Gut so.

Andrea Rothaug

Geschäftsführerin RockCity e.V. – Zentrum für Popularmusik

Audiolith ist für mich Mastermind und Haudegen in einem Face. Egal, ob damals zur ersten Gründungsberatung bei Bier und Bratwurst oder im hochelektrischen Verkaufsgespräch über unsere RockCity-Bands Fuck Art Let's Dance und Finna.

Besonders ist mir aber das gruselige Axt-Inferno auf der HANS-Verleihung in Erinnerung. Nie werde ich vergessen, wie wir der Audiolith-Bande am Vormittag die alternative und wahre Indie-Axt verliehen haben, in bestem Wissen und Gewissen, dass es die Richtigen trifft.

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Umso irrer, das Beil nachts im Hamburger HANS-Preis zu sehen. Wir hielten den Atem an und hofften, dass unser Axt-Schriftzug "mit besten Grüßen von RockCity" nicht am nächsten Morgen gemeinsam mit dem kiebigen Mützen-Punk aus Kaltenkirchen (aka Lars) auf dem Titelblatt der Mopo landete. Es gelang!

Beat Gottwald

Chef von Beat The Rich, der Management-Agentur von Kraftklub, Casper, K.I.Z

Wir hatten die Idee, als große Promoaktion für das Album In Schwarz von Kraftklub die Band "In Schwarz" bei Audiolith rauszubringen. Deren Single "Hand in Hand" erschien mit einem passenden Schwarz-Weiß-Video, inklusive ein paar reingeschnittenen Demonstrationsszenen.

Das Musikvideo haben wir in unserem alten Büro in der Falckensteinstraße im Keller gedreht. Die Band, das waren dann einfach Mitarbeiter unserer Firma, die Masken aufhatten. Allen wurde sogar etwas anderes angezogen, damit man nicht mal anhand des Körpers erkennen konnte, wer nun wer war. Witzig war, dass danach behauptet wurde: "Ey, ich hab die sofort erkannt!"

Audiolith hat den Song in der Version wirklich noch auf eine 7inch gepresst und rausgebracht. Man hat es Audiolith auch abgenommen, dass das jetzt eine neue Band von denen ist. Und Till Kummer, Bassist von Kraftklub, hat sein Gesangstalent bewiesen.

Noch eine andere Geschichte:

Einmal hat glaube Casper in Hamburg gespielt. Danach sind Lars und ich zur Party einer Agentur gerannt. Es dauerte keine zwei Minuten, da sind wir rausgeflogen. Was wir nicht wussten war, dass die Agentur wohl auch den HANS mitveranstaltet oder da mitgeholfen hat. Da hatte doch Lars den Preis zerkloppt. Und wir wunderten uns, warum wir sofort rausflogen. Klar, es gibt gute Gründe, uns irgendwo rauszuschmeißen, aber das war SEHR schnell.

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Audiolith war aber immer sympathisch. Die haben immer alles selber gemacht, alle T-Shirts selber verschickt. Die sind genau so, wie sie sind. Das ist nicht irgendwie berechnet oder perfekt. Das ist deren Charme. Wir freuen uns auch überkrass über den Erfolg von Feine Sahne Fischfilet.

Feine Sahne Fischfilet

Punkband aus Rostock, seit 2012 bei Audiolith

Wie wir zu Audiolith gekommen sind…

Bei Audiolith gab es ne Weihnachtsfeier. Da Monchi Supershirt persönlich kannte und ihr Techniker ein Homie von ihm war/ist, nahm er ihn zu dem "Umsonstbesäufniss" mit. Essen gab es auch noch. Umsonst. Es wurd gesoffen.

Wenn man unsicher ist, macht man erstmal auf dicke Hose. Also Freisuff ohne Ende genommen, Schnitzel in alle Taschen gepackt. Für den Rückweg muss man schließlich auch wat schmausen. Irgendwann einfach die Pudhys-Hansa Rostock-Hymne auf YouTube angeschmissen. Die Feier war auf St. Pauli. 100 Meter vom Millerntor entfernt. Bei einigen kams nicht gut an.

Irgendwann wurden Monchi und Lars von Audiolith aufs Klo gesperrt, da beide angeblich mit Mülltonnen geschmissen haben oder sowat. Dann sich aufm Klo bestens verstanden. Monchi einfach Lars gesagt, dass er sie mal aufs Label nehmen soll, da sie ne geile Band sind und ordentlich Lieder fertig haben. Lars einfach "Ja" gesagt. Hand drauf. Zakk. Kein Scheiß. Wir uns gedacht, dass es nur Suff war und dass er das niemals macht.

Zwei Wochen später schrieb Lars dann Monchi eine Mail, ob er ihm mal die bisherigen Veröffentlichungen schicken kann, da er die Mucke noch bisher nich wirklich kennt. Er wills nur mal anhören. Hat nix damit zu tun, dat er dat nich rausbringen will. Sondern dat steht fest. Er will nur auch mal reinhören.

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Schwupp. Waren wir auf Audiolith.

nofake

Stefanie Hochmuth und Felix Mörl

vom Hamburger Club Uebel & Gefährlich

Wenn man gefragt wird, woran man sich erinnert, wenn man an gemeinsame Zeiten mit Audiolith denkt, fallen einem mindestens 100 genial verschrobene, mega abgefahrene Geschichten ein. Mit großartig durchgeknallten Typen und Ladys, deren Herz, Verstand und Vorhaben immer für die richtigen Dinge sehr laut aufschreien.

Gleichzeitig denkt man aber, dass man diese auf keinen Fall aufschreiben sollte, weil sie entweder zu krass oder nicht jugendfrei sind – oder den einen oder anderen Protagonisten auf so manche Art bloßstellen würden. Also: What happens with Audiolith stays with Audiolith…

Es war immer eskalativ und professionell in allen Belangen. Multitox und Alkoholika, Rave und Rave…

Da wird schon mal mit Mitarbeitern in den Tierkostümen von Frittenbude im Bierrausch heimlich nachts der eigene Club okkupiert und die gesamte "10 Jahre Frittenbude"-Show nachgestellt, während in den Hotelzimmern der Künstler Schaumpartys mit reichlich Hotelzimmer-Kühlschrankware gefeiert werden, die den werten Clubbetreiber nachträglich vom Stuhl hauen, wenn dann die Rechnung ins Haus flattert.

Oder es werden im toxischen Nebel auf der Toilette des Jolly Rogers (der Anlaufstelle für Punks, Ultras und Legenden der Szene) Deals für kommende Konzerte der legendären Musikgruppe Feine Sahne Fischfilet ausgeheckt.

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Es gibt so viele Dinge, die man über Audiolith sagen kann und so vieles, was wir zusammen erlebt haben. So viel sei gesagt: Es war immer eskalativ und professionell in allen Belangen. Multitox und Alkoholika, Rave und Rave…

Danke Audiolith, danke Artur und Lars für so viel Spaß.

Das, was Ihr macht, und wie ihr es macht, ist einzigartig in Doitschland!

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Die Audiolith-Crew

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