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Nein, Amazons Assistentin “Alexa” hat gerade keinen Mord verhindert

“Amazons ‘Alexa’ rettet Frau bei Streit das Leben” – diese virale Meldung über einen Notruf, den die virtuelle Sprachassistentin während eines drastischen Falls häuslicher Gewalt abgesetzt haben soll, ist zu schön, um wahr zu sein.

Medien weltweit, in Deutschland unter anderen die Bild, berichteten in den vergangenen Tagen von folgendem Eifersuchtsdrama: Der bereits vorbestrafte 28-jährige Eduardo B. habe mit seiner Freundin und dessen Tochter ein Haus nahe der US-Stadt Albuquerque gehütet. Dann rastete er plötzlich aus: Seine bessere Hälfte hatte wohl eine SMS von einem anderen Mann bekommen. Schnell ist B. auf 180 und hat eine Waffe in der Hand.

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“Hast du die Polizei gerufen?”, soll er seine Freundin dann angefaucht haben, bevor er ihr mit der Waffe ins Gesicht schlug, sie auf den Boden stieß und zu treten begann – das schrieben nicht nur die Medien auf, auch die offizielle Pressemitteilung der örtlichen Polizei-Dienststelle lautet so. “Diese Frage, so sagte die Betroffene aus, veranlasste ein Smart Home-Gerät namens ‘Alexa’, die Polizei zu rufen”, heißt es in der Mitteilung weiter.

Wollte hier die Maschine tatsächlich selbstlos einen Menschen retten?

Geradezu demütig-bewundernde Worte findet der örtliche Sheriff Manuel Gonzales III dann für die kleine Mikro-Lautsprecher-Kombination mit W-Lan: “Diese bahnbrechende Technologie hat definitiv dabei geholfen, eine Mutter und ihr Kind aus einer extrem gewalttätigen Situation zu retten”, wird er zitiert.

Hatte die Künstliche Intelligenz des Wirtschaftsriesen Amazon etwa die Frage des Verbrechers an sein Opfer versehentlich als Sprachkommando interpretiert? Oder gar selbstständig erkannt, dass hier ernsthafte Gefahr in Verzug war und jemand die Polizei rufen sollte? Nein, denn die Mär von der Technologie als bestem Freund des Menschen hat einen Haken: Die intelligente Sprachassistentin “Alexa”, die Amazon für seine smarten Lautsprechersysteme Echo und Echo Dot entwickelt hat, ist technisch bisher gar nicht in der Lage, einen solchen Anruf überhaupt durchzuführen.



New York Times Buzzfeed NENA

(National Emergency Number Association), zuständig für den technischen Support von Notrufnummern in den USA, schloss einen Notruf durch “Alexa” aus.Warum die Polizei bisher trotzdem vehement behauptet, der 911-Notruf sei von “Alexa” durchgeführt worden, ist unklar. Gleichzeitig können die Beamten die zahlreichen Anfragen nationaler und internationaler Medien zu den technischen Details, beispielsweise welche Amazon-Hardware sich genau in dem Haus befand, kaum beantworten.

Der örtliche Sheriff scheint von Amazon Echo keine Ahnung zu haben

Die Aussagen der Dienststelle in Bernarillo County zu dem Fall tragen leider nicht zur Aufklärung des Sachverhalts bei, sondern sind regelrecht wirr. So heißt es beispielsweise in der Pressemitteilung: “Auf der 911-Aufnahme [dem Mitschnitt des Notrufs] hört man die Zeugin rufen “Alexa, call 911”. Mit einem solchen Sprachbefehl kann man persönliche Assistenten wie Siri tatsächlich aktivieren, nicht aber Amazon Echo.

Nach dieser Version der Polizei hätte also “Alexa” die Dienststelle angerufen, und das Opfer hätte während des laufenden Anrufs noch einmal versucht, die Sprachassistentin zu aktivieren.

Wahrscheinlicher ist, dass B.s Freundin schnell das Festnetz oder ihr Mobiltelefon in die Hand nahm, als es brenzlig wurde und den polizeilichen Notruf wählte. Denn wie es in der Strafanzeige gegen B. heißt, die der New York Times vorliegt, habe der Anrufer schnell wieder aufgelegt. Das würde dann auch erklären, warum B. plötzlich fragte: “Hast du die Polizei gerufen?”. In einem solchen Notfall kann die Polizei die Nummer nachverfolgen und durch den Anruf automatisch den Standort des Anrufers sehen. Auch die Aussage einer Sprecherin der Polizei, “Alexa” sei “zusammen mit dem Festnetztelefon” verwendet worden, deutet daraufhin.

Ungeachtet ihres wohl mangelnden technischen Verständnisses, was Amazon Echo und Alexa betrifft, waren die lokalen Einsatzkräfte dann aber mit einem SWAT-Team schnell vor Ort. Wie das zuständige Bernalillo County Sheriff’s Office in derselben Presseerklärung mitteilte, konnten die Beamten der Spezialeinheit die Frau und ihr Kind umgehend in Sicherheit bringen. Während die Mutter Verletzungen durch die Tritte davontrug, blieb das Kind unversehrt. B. dagegen hatte sich mit seiner Waffe im Haus verbarrikadiert und wollte sich auch nach geschlagenen sechs Stunden Verhandlungsgesprächen nicht stellen. Die Beamten konnten ihn schließlich mit Hilfe eines Polizeihundes stellen.

Dass Amazons Echo allerdings durch einen selbstständigen Anruf “ein Leben gerettet” habe, wie es am Ende der Presseerklärung heißt, bleibt ein Missverständnis.