Vergangene Woche steht die Punk-Band Feine Sahne Fischfilet im Backstage des AJZ Chemnitz und erfährt, dass ihr Konzert nicht wie geplant stattfinden wird. Grund dafür ist eine anonyme Bombendrohung, die im Führungs- und Lagezentrum der Polizeidirektion Chemnitz eingegangen ist.
Während die Vorgruppe noch ihr Set spielt, versucht die Polizei bereits, einen Bombenspürhund zu organisieren. Wegen des Merkel-Besuchs am folgenden Tag in Chemnitz gestaltet sich das schwierig, die Hunde werden woanders gebraucht. Die Besucherinnen und Besucher werden schließlich aufgefordert, die Location zu verlassen, das Gebäude wird von oben bis unten durchsucht. Erst dann kann das Konzert stattfinden.
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Wenige Tage zuvor: In Schleswig-Holstein soll der Dokumentarfilm Wildes Herz im Rahmen der “SchulKinoWoche” an mehreren Orten in Schleswig-Holstein gezeigt werden, diesmal in Bad Schwartau. In dem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm erzählt Schauspieler Charly Hübner die Geschichte der Band Feine Sahne Fischfilet, insbesondere von Sänger Jan “Monchi” Gorkow.
Nachdem bei der Polizei eine anonyme E-Mail mit einer Bombendrohung eingegangen ist, wird die Vorführung aus Sicherheitsgründen abgesagt. In dem Schreiben drohen die selbsternannten “Enkel von Adolf Hitler” damit, in dem Kino “C4 Sprengkapseln” zu verstecken und “euch linke Lehrer (Volksverhetzer) mit 7.63 mm Vollmantelgeschossen aus Sturmgewehren” zu “erlösen”, wie die TAZ berichtet. Weiter heiße es: “Wir wünschen ein schönes langsames Sterben. Wir reden nicht mehr, wir handeln.”
CDU und AfD sind sich bei Feine Sahne Fischfilet sehr einig
Das Echo auf diese unglaublichen Vorfälle, die mehr als wahrscheinlich dem Segment “Rechter Terror” zuzuordnen sind, fiel abseits der Medien-Bubble verhalten aus. Im Vorfeld hatten – wie so oft – Politiker der CDU und der AfD sogar gegen die Konzerte und Vorführungen mobil gemacht.
So kritisierte etwa der thüringische CDU-Generalsekretär der Landespartei, Raymond Walk, dass die teilweise “gewaltverherrlichenden und hasserfüllten Texte” der Band weiter zur Spaltung der Gesellschaft beitrügen und sprach sich gegen die Filmauswahl der “SchulKinoWoche” aus. Ob Bombendrohungen und Einschüchterungen seiner Meinung nach ebenfalls zur Spaltung der Gesellschaft beitrügen, wurde dann leider nicht mehr überliefert.
Die AfD-Landtagsabgeordnete und Sprecherin ihrer Partei in Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, bezeichnete die Tatsache, dass Neuntklässler dieses “Machwerk” dargeboten bekämen, als “Skandal” und “Verstoß gegen die Verfassung”. In ihrem Facebook-Post vom 7. November 2018 findet sich ebenfalls das Foto eines Schulschreibens mit dem Titel “Infos zum Klassenausflug zu den Schulkinowochen”.
Es ist merkwürdigerweise exakt das gleiche Foto, das der bekannte Neonazi und ehemalige Betreiber des rechten “08/15”-Stores, René Metz, am Tag zuvor auf seinem privaten Profil veröffentlichte. Ein weiteres Beispiel für die Vernetzungen von militanter Nazi-Szene und der AfD. Das aus Worten oft Taten werden und sich die verschiedenen Spektren der rechten Szene immer öfter gegenseitig befruchten, ist längst kein Geheimnis mehr.
Schüsse auf Konzertlocation
Die beiden Bombendrohungen sind allerdings nur der Gipfel dessen, was die Band seit Jahren erleben muss. Sänger Jan Gorkow teilt beinahe wöchentlich auf seinen Profilen freimütig Anfeindungen, Todesdrohungen und Verunglimpfungen aus der rechten Szene. Konzerthäuser, in denen die Band auftreten soll, werden mit Parolen beschmiert, den Bandmitgliedern wird gedroht, dass sie zu Hause Besuch bekommen.
Das Alternative Kulturwerk in Bitterfeld teilte vor wenigen Tagen mit, dass im zeitlichen Umfeld des Konzerts von Feine Sahne Fischfilet Schüsse auf die Location abgegeben wurden. Die Bewohner stellten die Einschusslöcher jedoch erst später fest.
Mit dem medialen Echo auf das “Wir sind mehr”-Konzert in Chemnitz ist auch die Aufmerksamkeit für die Band und den Sänger gestiegen und der Hass auf sie hat sich nochmals multipliziert. Nun mündete er in den beiden Anschlagsdrohungen.
VICE-Video – “Chaos in Chemnitz”
Und nur, weil Feine Sahne schon immer da hingehen, wo es weh tut und sich partout nicht einschüchtern lassen wollen, ist das noch lange kein Grund, solche Angriffe mit einem müden Lächeln wegzuwischen. Es sind weder Bagatelldelikte, noch Dummejungenstreiche. Es gehört schon eine gehörige Portion Hass, Gewaltbereitschaft und kriminelle Energie dazu, Neuntklässlern mit dem Tod durch Bomben und Erschießen zu drohen.
Systematische Verbreitung von Angst und Schrecken
Die Polizei teilt derweil in beiden Fällen mit, dass die Ermittlungen andauern. Viel mehr wolle und könne man nicht sagen. Nachfragen zu konkreten Hinweisen auf mögliche Täter der Bombendrohung in Chemnitz, die Noisey vorliegen, werden mit Verweis auf das Sächsische Pressegesetz abgeblockt. Die Polizeidienststelle in Chemnitz teilt lediglich mit, dass sie wegen “Störung des öffentlichen Lebens durch Androhung von Straftaten” ermitteln würden. Das ist einerseits Beamtendeutsch und andererseits eine Verharmlosung dessen, was hier passiert.
Wie auch schon in Dessau, wo das Bauhaus ein vom ZDF geplantes Konzert der Band absagte, da sie Aktionen von Neonazis befürchteten, schaffen es Rechte in diesem Land, Bedrohungsszenarien aufzubauen, die man schlicht und einfach als Terror bezeichnen muss.
Denn die militanten Ankündigungen und Aktionen der Neonazis, sind nichts anderes als die “systematische Verbreitung von Angst und Schrecken” – genau das, was Terroranschläge, oder deren Ankündigung, erreichen sollen.
An sich ein Fall für den Bundesinnenminister würde man meinen. Die Reaktion der Politik hingegen sind endlose Debatten darüber, wie, warum und wann die Gruppe eigentlich mal vom Verfassungsschutz observiert wurde (damals wie heute an sich schon ein unglaublich peinlicher Akt), ob in irgendeinem Song irgendwann mal zu Gewalt aufgerufen wurde und wie links oder gar linksradikal die Band eigentlich ist.
Politiker sollten Feine Sahne Fischfilet dankbar sein – und mit ihnen gegen Rechts kämpfen
Dabei muss man einfach sagen: Was Feine Sahne Fischfilet mit ihrer politischen Arbeit seit Jahren leisten, ist genau das, was Politiker schmerzlich vernachlässigt haben. Es gibt kaum eine (nicht rechte) Gruppierung, die sich so sehr um den ländlichen Nachwuchs sorgt und mit unablässigem Eifer durch die Dörfer und Käffer fährt, um der Jugend eine Alternative zum grauen Alltag und den stumpfen Parolen der Rechten zu bieten.
Statt sich also dauernd um eventuelle, marginale und längst vergangene “Vergehen” der Band zu kümmern, sollten “konservative” Politiker lieber zuschauen, lernen und dankbar sein. Denn hier zeigt eine Band, wie es auch gehen kann. Und statt das Problem bei denen zu suchen, die das Ziel der Aggressionen sind, sollte die Polizei endlich anfangen, Antifaschismus als gewollte Normalität und nicht als “linksextrem” anzusehen. Denn die Behauptung, wer aktiv und konsequent gegen rechtsradikale Umtriebe vorgehe, sei quasi genauso schlimm, war schon immer falsch.
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