Neonazis covern jetzt Popsongs, um ihre Parolen zu verbreiten

In einer Zeit, in der sich der Konsens der Popkultur auf ein sympathisches „Refugees Welcome“ eingependelt hat, ist es leicht, zu vergessen, dass auch der rechte Rand der Gesellschaft Musik produziert—und dabei meistens eher peinlich wirkt.

Dortmund an einem Montag vor ein paar Monaten: Kaum 30 Neonazis der Kleinpartei „Die Rechte“ stehen im Stadtteil Eving auf einem ansonsten völlig verlassenen Platz und hetzen gegen Flüchtlinge. Sie hatten wie auch in den Wochen davor eine Kundgebung gegen „Asylmissbrauch“ angemeldet. Wie jede Woche sinniert einer der Neonazis darüber, dass die ganzen Flüchtlinge eigentlich gar keine seien und nur wegen des Sozialsystems nach Deutschland kämen. Ein anderer, der stellvertretende Bundesvorsitzende der rechtsextremen Splitterpartei, beschwert sich darüber, dass deutsche Kinder im Schulsport als letztes gewählt werden und ihre Sprache nicht mehr richtig lernen. Arme kleine Nazis.

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Auch zwischen den Reden wiederholt sich bei jeder der viel zu regelmäßigen kleinen Kundgebungen der Dortmunder Rechten das selbe schlecht klingende Spiel: Durch die Lautsprecher auf dem roten Opel-Kombi der Neonazis ertönt Musik. Das rechte Geplärre entspricht dabei nur teilweise dem weit verbreiteten Rechtsrock-Klischee. Längst hört man auch in der rechten Szene nicht mehr nur schwer verständliches Gegröle oder biedere Balladen, gesungen von schmierigen Typen in braunen Hemden.

Seit einigen Jahren geht der Ausflug der Ewiggestrigen in die Welt der modernen internationalen Musik deutlich weiter. Während einige aus der Old-School-Braunhemden-Fraktion das Grauen bekommen, hören immer mehr Neonazis auch Hip Hop. Es gibt gar mehrere „Nationale Sprechgesangs-Gruppen“ (das klingt ganz schön bescheuert, oder?). Die meisten davon sind verdammt peinlich und schneiden musikalisch deutlich schlechter ab, als die meisten 12-jährigen Vorstadt-Rapper in irgendwelchen wackligen Youtube-Videos. Manchen wenigen gelingt es aber tatsächlich, Musik zu produzieren, bei der sich die Fußnägel nicht direkt hochrollen, und die für viele Jugendliche durchaus ansprechend klingt.

Um Aufmerksamkeit zu erregen und zumindest musikalisch anschlussfähig zu werden, geht die rechte Szene teilweise absurde Wege. Beliebt sind Coverversionen bekannter Lieder. Das hat sogar eine ziemlich lange Tradition: Schon 1930 hat die SA eine umgedichtete Version eines kommunistischen Arbeiterliedes benutzt. In den letzten Jahrzehnten haben Neonazis vor allem Schlagersongs wie „An der Nordseeküste“ gecovert, oder noch dreister: Lieder von überzeugten Antifaschisten wie „Wir sind Helden“ oder den „Ärzten“ auf ihren Demos gespielt.

Die Dortmunder Rechten sind nun noch einen Schritt weiter gegangen und spielen auf ihren Kundgebungen Nazi-Versionen von amerikanischen Pop-Hits. Eins der umgedichteten Lieder ist „Timber“ von Pitbull und Kesha. In der Nazi-Version geht es um die Verteidigung der Heimat und den „Verräterstaat BRD“. Künstlerisch ist das nicht besonders anspruchsvoll und selbst die jungen Fahnen-tragenden Neonazis auf der Kundgebung sehen eher gelangweilt aus, als das Lied gespielt wird. Das Ganze ist aber ein weiterer der vielen (meist missglückten) Versuche, sich als modern und anschlussfähig darzustellen.

Dass Neonazis „moderne Musik“ machen und hören, hat verschiedene Gründe. Zum einen gibt es eine Menge vor allem junger Neonazis, die mit Nazi-Skinhead-Lifestyle und „Schreimusik“ nur wenig anfangen können. Zum anderen war Rechtsrock immer schon ein Propagandamittel, um den Nachwuchs zu begeistern und zu politisieren—mit dem Rechtsrock der 80er Jahre funktioniert das heute natürlich nicht mehr

Kesha und Pitbull sind übrigens bei Sony Music unter Vertrag. Wir haben bei dem deutschen Ableger des Labels nachgefragt, was man von der Coverversion hält. Ein Vertreter des Labels teilte uns mit, dass es für Sony Music schwierig sei, etwas dagegen zu unternehmen, da die Rechte an dem Lied bei einem amerikanischen Musikverlag liegen. Die Nachfrage, ob dieser Verlag mit der Nutzung durch die Neonazis einverstanden ist, oder dagegen vorgehen will, wurde bislang allerdings nicht beantwortet.

Andere Musiker haben in der Vergangenheit bereits erfolgreich gegen die Nutzung ihrer Songs durch Neonazis geklagt. Die NPD darf beispielsweise keine Lieder von Wir sind Helden und Helene Fischer mehr auf ihren Veranstaltungen spielen.