FYI.

This story is over 5 years old.

rassismus im sport

Wiener Austria: Neonazis zeigen Reichskriegsflagge und brüllen rassistische Parolen

Doch der Verein trägt den Konflikt nicht offen aus.
Sticker der Wiener Austria gegen Nazis
Foto: Michael Bonvalot

Extrem rechte Fans des FK Austria Wien posieren auf Facebook mit einer abgewandelten Reichskriegsflagge. Ein exklusives Video zeigt den Vorsänger der Ultra-Gruppe Fanatics inmitten von Männern, die "Rassist, Faschist, Hooligan" brüllen. Zwei Ereignisse, die die Verbindungen zwischen Neonazi-Gruppen und extrem rechten Fußballfans des FK Austria so deutlich zeigen, wie selten zuvor. Was genau also war da los?

Anzeige
Wiener Austria Fans mit Reichskriegsflagge

Fans der Wiener Austria mit einer Reichskriegsflagge | Foto: Screenshot Facebook Ostnews Austria Wien

Am 6. Jänner haben sich Fanclubs der Wiener Austria zu einem privaten Fußballturnier getroffen. Mitspielen durfte auch die Neonazi-Gruppe "Unsterblich". Offiziell hat diese Gruppe zwar schon seit 2013 Hausverbot im Stadion des Vereins, in manchen Fankreisen gehört sie aber offenbar nach wie vor dazu.

Und die Unsterblich-Kameraden waren nicht nur eingeladen – sie haben das Turnier sogar gewonnen. "Verdiente Sieger" seien sie, schreibt die Facebook-Seite "Ostnews Austria Wien". Die Seite gilt als Sprachrohr der Fanatics, der wichtigsten Ultra-Gruppe der Austria. Ostnews hat dazu auch ein Foto veröffentlicht.

Die Unsterblich-Leute posieren darauf inmitten der anderen Turnierteilnehmer grinsend mit einer Reichskriegsflagge, ein Mann trägt ein Shirt mit einem Keltenkreuz. Veröffentlicht wurde das Bild am 7. Jänner 2018.

Die Fahne, die in extrem rechten Kreisen als Ersatz für verbotene NS-Fahnen verwendet wird, präsentieren die Unsterblich-Jünger immer wieder bei Auswärtsspielen der Violetten. Auf dem Gruppenbild des Turniers ist es sogar das einzige Frontbanner auf dem gesamten Foto.

"Unsterblich Wien", kurz Ust, ist nicht irgendeine Hooligan-Gang. Die militante Neonazi-Gruppe verübte im Oktober 2013 unter anderem einen Überfall auf das linke Kulturzentrum EKH und fällt seit Jahren mit NS-Symbolen rund um die Austria auf. Dass sich gerade bei den "Veilchen" extrem rechte Fans herumtreiben, ist absurd: Die Austria galt traditionell als jüdischer Verein. Vor 1938 hatten viele Funktionäre des Vereins einen jüdischen Hintergrund, später wurden viele von ihnen Opfer des NS-Terrors. Bis heute gibt es regelmäßig antisemitische Beschimpfungen gegen die Austria und ihre Fans.

Anzeige

Und wer durfte bei diesem Turnier noch mitspielen? Neben Austria-Fanclubs waren laut "Ostnews" auch Mitglieder der extrem rechten Fanszenen von Slovan Bratislava und dem FC Zbrojovka Brno am Fanturnier beteiligt. Slovan-Fans hatten 2015 ein Banner gemalt, das einen Zug nach Auschwitz zeigte. Daneben standen die Worte: "Refugees Welcome". Ein extra angereister Fan von Brno wiederum zeigte vor einem Spiel von Slovan Bratislava gegen Rapid in Wien im August 2018 ganz ungeniert den Hitlergruß.

Auf dem aktuellen Foto des Fanturniers ist auch ein Mann zu sehen, auf dessen violettem T-Shirt ein Keltenkreuz zu erkennen ist. Das Keltenkreuz wird in der Neonazi-Szene als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz genutzt. Das Motiv des T-Shirts zeigt daneben einen Wikinger sowie ein “H” für Hooligan. Auf Aufklebern mit demselben Motiv ist zu erkennen, dass dort im Keltenkreuz die Worte “Fußballklub Austria Wien” stehen.

Warum akzeptiert die Austria solche Fans?

Austria-Sprecher Christoph Pflug weist die Verantwortung von sich. Auf Anfrage von VICE erklärt Pflug, dass Unsterblich bereits 2013 aus dem Stadion ausgeschlossen worden sei. "Diese Leute haben alle Hausverbot und teilweise auch bundesweites Stadionverbot. Es ist ärgerlich, wenn sie immer noch als Austria-Fans bezeichnet werden."

Das stimmt zwar, aber das Problem geht weit über die Mitglieder von Unsterblich hinaus: Große Teile der Fanszene akzeptieren die Neonazis in ihren Reihen, laden sie zu ihren Fußballturnieren ein, verbringen also ihre Freizeit mit ihnen. Und die internationalen rechten Beziehungen werden keineswegs nur von Unsterblich getragen.

Anzeige

Vor allem die Verbindungen in die Slowakei laufen gleichermaßen über Unsterblich und über die Fanatics. Das sieht man zum Beispiel bei Spielen von Slovan. Hier werden nicht nur die Reichskriegsfahne von Unsterblich, sondern auch Banner der Fanatics präsentiert.

Und natürlich ist es auch ein eindeutiges Signal, wenn sich die Mitglieder von Unsterblich bei einem Fanturnier offen und stolz gemeinsam mit anderen Fangruppen präsentieren können – und dann auch noch als Sieger des Turniers hervorgehoben werden. Ihre eigene rechte Schlagseite haben die Fanatics erst im Juli 2018 wieder eindeutig gezeigt. Damals wurde der einschlägig auffällige Fanclub Inferno als Sektion aufgenommen.

Wozu die Verbindungen zwischen Fanatics und Slovan führen, zeigt ein Video vom August 2018, auf dem mutmaßlich Fans beider Klubs zu sehen sind. Damals hatte Slovan in Wien gegen Rapid gespielt, den Lokalrivalen der Austria. Das Video kursierte schon kurz nach dem Spiel in der Fanszene. Zahlreiche Medien haben über den Vorfall berichtet. Öffentlich zu sehen war das Video bisher nicht. Uns wurde es nun aus der Fanszene zugespielt.

Video zeigt Vorsänger der Fanatics in einer Gruppe, die "Rassist, Faschist, Hooligan" brüllt

Auf dem Video ist eine Horde Männer zu erkennen, die aus der geöffneten Tür einer U-Bahn den Slogan "Rassist, Faschist, Hooligan" brüllen, ein bekannter Spruch der faschistischen Fußball-Szene. Unter ihnen ist auch der Vorsänger der Fanatics, Manuel Z. Die Worte gelten einer Gruppe Polizisten.

Anzeige

Und was sagt die Austria dazu? Wir haben dem Verein das Video zugeschickt. Die Antwort: Laut Austria habe sich Manuel Z. "nichts zu Schulden kommen lassen, was ein Hausverbot zur Folge haben könnte."

Auf die Frage, wie der Verein in Zukunft mit Fanatics und anderen Fangruppen umgehen möchte, die mit Neonazis zusammenarbeiten, sagt Pflug: "Wir sprechen solche Vorfälle sehr deutlich mit allen Fanklubs immer wieder an, und sind der Meinung, dass wir hierbei immer sehr aktiv handeln." Konkrete Maßnahmen gegenüber einzelnen Fanclubs will Pflug nicht nennen.

Das Video ist nicht der einzige Hinweis auf die Verbindungen von rechten Fans der Austria mit der Neonazi-Szene. Diese rechten Kreise sind eng mit Kadern rund um das Netzwerk "Alpen-Donau/ Unwiderstehlich" vernetzt. Einer davon ist der umstrittene Parlaments-Security und Burschenschafter Thomas K.-C. Der trat nicht nur auf Neonazi-Festivals mit einem Shirt der verbotenen Homepage Alpen-Donau auf. Er ist auch regelmäßiger Gast auf der Fantribüne der Austria. Austria-Sprecher Pflug sagt, der Verein würde in diesem Fall bereits eng mit den verantwortlichen Behörden zusammenarbeiten.

Die Austria ist bemüht, sich von den extremen Rechten in ihrer Fankurve abzugrenzen. So hat etwa Kapitän Alexander Grünwald beim Heimspiel gegen Sturm Graz im vergangenen Oktober eine Regenbogen-Schleife als Zeichen gegen Homofeindlichkeit getragen. Anfang November haben die Mannschaft und ihre Betreuer das Holocaust-Mahnmal am Wiener Judenplatz besucht. Ebenfalls im November ist ein umfangreiches Buch zur Aufarbeitung der Geschichte der Austria im Nationalsozialismus erschienen. "Wir weisen laufend auf unsere klare Linie hin. In den Klubstatuten finden sich weitreichende Bekenntnisse des FK Austria Wien gegen jede Form von Rassismus und Gewalt", sagt Austria-Sprecher Pflug.

Die Austria steckt in einer Zwickmühle. Teile der aktiven Fanszene arbeiten offen mit Neonazis zusammen. Der Verein trägt den Konflikt aber nicht offen aus. Je länger die Verantwortlichen warten, desto schwieriger wird es. Ein wichtiger Schritt wäre, jede Zusammenarbeit mit Unsterblich und anderen Neonazis mit Hausverboten zu sanktionieren.

Das würde auch die vielen Fans stärken, die sich klar von den extrem rechten Teilen der Fanszene abgrenzen. Die antifaschistische Austria-Fanseite "Ostkurve statt Ustkurve" schreibt auf Facebook: "Die Austria muss frei werden vom Nazidreck! Für eine Ostkurve ohne Nazis!"

Update vom 17.01.2019, 08:30 Uhr: Durch ein redaktionelles Missverständnis hatten wir kurzfristig in einer Zwischenüberschrift insinuiert, dass der Vorsänger selbst mitgebrüllt habe. Wir haben den Fehler inzwischen korrigiert.

Folgt Michael Bonvalot auf Facebook und Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.