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Umwelt

Wir haben prominente Grüne gefragt, wie oft sie im letzten Jahr geflogen sind

Wie transparent geht die Klimaschutzpartei mit ihrem eigenem CO2-Ausstoß um?
Montage von Cem Özdemir, der mit einem Flugzeug spielt
Hintergrund: imago | Westend61;
Özdemir: imago | Stefan Bösl

Was hast du über Weihnachten und Silvester gemacht? Plätzchen gefressen, dich mit deiner Schwester gestritten, drei Tage lang Red Dead Redemption 2 gezockt, bis deine Mutter dich aus dem Zimmer gejagt hat? Normal halt.

Was verschiedene grüne Politiker in der Zeit gemacht haben:

  • Cem Özdemir ist über die Anden von Argentinien nach Chile gewandert.
  • Die bayerische Grünen-Chefin Katharina Schulze aß in der kalifornischen Sonne Eis.
  • Der Bundestagsabgeordnete Dieter Janacek erkundete die ärmsten Stadtteile im südafrikanischen Johannesburg.
  • Jamila Schäfer, die stellvertretende Bundesvorsitzende, ist im norwegischen Lillehammer die Pisten runtergewedelt. (Ihren Original-Post können wir nicht verlinken, weil Schäfer den mittlerweile gelöscht und ihr Instagram auf privat gestellt hat.)

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Klingt alles nach ziemlich geilen Ferien. Was viele in der kalten, grauen Heimat daran nicht so geil fanden: Um an diese Orte zu kommen, mussten die jeweiligen Politiker mit Flugzeugen fliegen, die enorm viel CO2 in die Atmosphäre geblasen haben.


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Zwei Beispiele: Özdemir wird mit seinen Flügen nach Buenos Aires und zurück, je nach Rechnung, bis zu 9 Tonnen CO2 verursacht haben, Katharina Schulzes Los-Angeles-Flugreise hat pro Person rund 7 Tonnen ausgestoßen. Zum Vergleich: Für 7 Tonnen CO2 muss man mit dem Auto fast 37.000 Kilometer durch die Gegend fahren. Und: In Deutschland stößt eine Person im Durchschnitt rund 9 Tonnen CO2 – im gesamten Jahr.

Was Politiker in ihrem Urlaub machen, geht niemanden was an, könnte man sagen. Normalerweise hätte man auch Recht damit – wenn es eben nicht gerade um die Grünen ginge, die sich auf einem permanenten (und absolut gerechtfertigten) Kreuzzug gegen Treibhausgase befinden.

Natürlich ist klar, dass es für den Klimaschutz unendlich viel wichtiger ist, dass Deutschland den Kohleausstieg schafft, als dass einzelne Politiker auf Urlaubsflüge verzichten – aber muss man als Grüne wirklich nach Norwegen zum Skifahren fliegen, wenn man das auch direkt in der Münchner Umgebung machen kann?

Die Grünen treffen damit genau den Geschmack ihrer Wähler: Eine Umfrage fand 2014 heraus, dass Grünen-Anhänger von allen Wählern am öftesten ins Flugzeug steigen. Der Vorwurf, der seitdem im Raum steht: Grüne halten sich selbst nicht an das, was sie anderen predigen.

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Warum fragen wir sie nicht einfach?

Um da ein bisschen Transparenz reinzubringen, haben wir neun prominente Grünen angeschrieben und gefragt, wie oft sie im vergangenen Jahr geflogen sind: Robert Habeck, Annalena Baerbock, Cem Özdemir, Anton Hofreiter, Katrin Göring-Eckardt, Claudia Roth, Renate Künast, Winfried Kretschmann und Jürgen Trittin.

Um das Ganze ein bisschen einfacher zu machen, haben wir ihnen sogar eine kleine Tabelle geschickt, in die man einfach nur die Zahlen eintragen musste:

Eine Tabelle, in der die Grünen ihre Flüge eintragen sollten. Leider leer

Und dann haben wir gewartet. Und uns gefragt: Wie viele von denen würden uns das wohl beantworten? Wie viele Grüne würden selbstbewusst und transparent damit umgehen, dass auch sie manchmal Kompromisse eingehen?

Wie ihr euch wegen der Überschrift wohl schon gedacht habt: Keiner. Kein einziger von den Angefragten hatte Lust, diese Frage zu beantworten. Stattdessen bekamen wir nach zwei Tagen gesammelt folgende Antwort von der Pressestelle zurück:

"Für Dienstreisen gilt: Wann immer es geht, nutzen die Abgeordneten die Bahn, wenn das nicht möglich ist, weichen sie auch auf das Flugzeug aus. Darüber hinaus bitten wir um Verständnis, dass wir den Privatbereich der Abgeordneten grundsätzlich nicht kommentieren."

Das wollten wir so natürlich nicht stehen lassen, also haben wir nochmal bei den Grünen angerufen. Nach zwei Tagen hatten wir ihn endlich einen Pressesprecher dran, der uns folgendes mitgab: "Wir wollen niemandem das Reisen verbieten, sondern, dass Reisen ökologischer wird", schrieb er. "Politik hat dabei die Verantwortung, den richtigen Ordnungsrahmen zu schaffen und soll nicht nur die Verantwortung auf den Einzelnen abschieben."

Aber: darum ging es ja auch nicht. Wir wollen den Grünen das Reisen ja auch nicht verbieten, wir wollten einfach nur herausfinden, ob sie bereit sind, mit gutem Beispiel voranzugehen, ihre Reisen offenzulegen und dadurch Transparenz zu schaffen. Vielleicht hätte der oder die ein oder andere Abgeordnete auch erklären können, warum er das tut und tun muss, und warum das trotzdem mit seinem Engagement für das Klima zusammenpasst. Und das als Chance nutzen, so von selbst von dem Image als "Verbotspartei" wegzukommen.

Das Ergebnis ist aber: Nein, wollen sie nicht. Keiner der angefragten Grünen-Politikerinnen und -Politiker wollte uns sagen, wie oft er oder sie im letzten Jahr geflogen ist. So scheint der komische Trend, den Robert Habeck mit seinem Twitter-Abschied losgetreten hat, sich fortzusetzen: Je näher die Grünen der echten Macht kommen, desto weniger Lust haben sie auf Transparenz.

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