Foto: Naomi Pilgrim || Presse
Dass Schweden eine Hochburg guter Popmusik ist, wissen wir spätestens seit ABBA. Schwedens Musikgeschichte reicht weit bis vor die Platinum Pixie Queens, die genialen Produzenten und die EDM Wunderkinder zurück. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt beweist das kleine skandinavische Idyll, dass mit kleinerer Szene größere Qualität einhergeht. Dabei behält sich der schwedische Pop immer aufs Neue seine kleinen Eigenheiten, sein gewisses Etwas, diesen ganz speziellen Sound, der ihn so einzigartig macht—ein Cocktail aus euphorisierenden Ohrwürmern, mit süchtig machenden Beats und einem elektronischen Rückgrat. Nach US und UK ist Schweden der drittgrößte Popmusik-Exporteur. Großer Dank geht natürlich auch hier an ABBA: Wenn eine Band weltweit über 380 Millionen Platten verkauft, dann kann man nicht anders, als hinzuhören.
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Seit ABBA gab es eine stetige Entwicklung der schwedischen Popkultur. In den 90ern führte das „Schwedische Musikwunder“ Ace Of Base gefühlt sämtliche Charts an, von 1999 bis 2003 erreichte Schweden den Gipfel seiner Musikexporte. Seitdem scheint die schwedische Popszene über allen Sphären zu schweben, sowohl in Form von Musikern, als auch durch Produzenten wie Max Martin, der bereits mit Katy Perry und Taylor Swift kollaborierte. „Mit Bands wie ABBA und all den anderen Größen aus Schweden haben wir eine Geschichte, die uns zugute kommt. Es ist inspirierend, Musik zu machen, denn du denkst, du kannst es. Alle Augen richten sich auf Schweden, und mit jedem, der es aus dieser Szene zu etwas bringt, öffnet sich unsere Türe ein kleines bisschen mehr“, so Hampus Nordgren Hemlin, Mitglied von Kate Boy. ABBA, Robyn und Miike Snow sind allesamt Künstler, von denen sich Kate Boy für ihr kommendes Debütalbum inspirieren ließen.
Während die Zahl der Popkünstler massiv gestiegen ist, gab es außerdem einen Ruck in eine unabhängigere Richtung. Diese Entwicklung könnte man mit dem Boom der Indie-Recordlabels erklären, wie auch mit der Tatsache, dass Schwedens Musikszene sehr selbstbestimmt und in sich geschlossen agiert. Es ist eine kleine kreative Szene, in der jeder jeden kennt. Ein klassischer Nährboden für Freidenker: „Die Menschen hier sind Trends gegenüber sehr sensibel, sie fühlen sich in ihren kreativen Prozessen sehr frei. Auch, wenn natürlich schon viel Hype und Trend in die Musikszene geschwappt ist, so gibt es immer noch genug einzigartige Charaktere, die das Genre nach vorne pushen”, so Michel Rocwell, Mitglied von NONONO. „Wir haben all diese richtig großen Künstler wie Tallest Man On Earth oder Yung Lean, die in Schweden eigentlich niemand hört, aber die uns beim Rest der Welt Begeisterung einbringen. Auch die HipHop-Szene ist hier sehr groß, es ist fast schon wie eine eigene Religion. Und dann gibt es natürlich noch all unsere Pop-Prinzessinnen wie Zarah Larsson, Icona Pop, Tove Lo und natürlich Robyn“, resümiert auch Elliphant, die uns bereits 2013 auf ihrem Debütalbum A Good Idea mit 90er-inspirierten Popmeldodien im Wechsel mit Dubstep, Reggae und schönen Lyrics bezauberte, und sich nun für ihre neue Single „One More“ die Dänin Mø mit ins Boot holte:
Gut. Große Namen wie Robyn, NONONO, Little Dragon und Lykke Li gehören mittlerweile zu den alten Hasen am schwedischen Pophorizont. Zeit also, um ein paar neue Sternchen zu entdecken. Das könnt ihr aber nicht nur jetzt und hier, sondern auch in der AMAZING SWEDEN-Playlist, die wöchentlich mit drei neuen Künstlern upgedatet wird.
Mit dabei ist beispielsweise unser Liebling Mapei—deren Geburtsort Rhode Island wir gnädig übergehen, da sie in Stockholm aufgewachsen ist (und sie den schwedischen Underground-Rap-Background hat, um das auch zu beweisen). Ihr Debütalbum Hey Hey erschien im September, produziert von Magnus Lindehäll, der sich bereits Katy Perry und Sky Ferreira auf die Fahnen schreiben darf. Ihre Single „Don’t Wait“ wurde erst von Frankie Knuckles, später auch von Chance the Rapper remixed, vergangenen Oktober tourte sie mit John Legend und Lykke Li.
Mit ihrem hypnotisierenden Soulpop hat es Seinabo Sey bereits in die US-Billboard-Charts geschafft—oder zumindest Kygos Remix ihrer Single „Younger“. Ihr frisch erschienenes Debütalbum Madeline steckt aber noch voller weiterer Stücke, die man sich unbedingt anhören sollte. Mit smoothen Vocals und eingängigen Vibes bringt die 24-Jährige eine erfrischend soulige Note in die schwedische Popszene.
Von der Ji Nilsson kann man sich noch eine Scheibe abschneiden—zumindest hat das anscheinend Gwen Stefani getan. Deren Single „Baby Don’t Lie“ schien sich moralisch gesehen nur wenig an den Titel gehalten zu haben, klingt es doch verdächtig nach Nilssons „Heartbreakfree“. Die Schwedin nahm es gelassen und twitterte trotz allem ihre Bewunderung für Stefani.
Wenn man puren, glimmenden Synth-Pop sucht, so gibt es momentan kaum einen süchtig machenderen Künstler als Marlene. Ihre im Mai erschienene Debüt-EP Indian Summer verschwand zu Unrecht ein wenig unter dem Radar—aber wir wetten, dass sie im Frühjahr zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen wie der Phönix aus der Asche steigen wird.
Aus Lykke Lis Schatten ist ihre ehemalige Backgroundsängerin Naomi Pilgrim getreten. Ein sehr guter Schritt, denn so eine gewaltige Stimme sollte sich nicht im hinteren Drittel einer Bühne herumtreiben. Ihre soulige Stimme trifft den perfekten Punkt zwischen R’n’B und Pop, bei dem die ergreifende Melancholie keine Traurigkeit, sondern Hoffnung bedeutet.
Schwer begeistert sind wir außerdem von Nadya, deren Stil ein bisschen an die frühe M.I.A. erinnert. Ihr bisher einziger Track „Refugee“ besticht durch einen Middle-Eastern Heavy Bass und Nadyas gerappten Vocals, in denen sie sich mit Rassismus und Vorurteilen beschäftigt. Mehr davon!
Zhala hingegen macht, was sie selbst „Cosmic Pop“ nennt. Und nachdem sie der erste Schützling unter den Schwingen von Robyns Recordlabel Konichiwa ist, kann sie sich sowieso nennen, wie sie gerne möchte. Ihre Debütsingle „I’m In Love“ verfolgt uns bis in unsere Träume, ein eisiges Popskelett streckt seine Finger nach tanzbaren Vocals aus und ja, plötzlich sind wir verliebt und wollen uns nur noch drehen, drehen, tanzen und drehen…
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