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Drogen

Eine Forschungsgruppe verklagt Deutschland wegen Coffeeshop-Verbot

Ein Antrag, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern, liegt dem Bundesrat vor. Kommt nach der Ehe für Alle nun auch noch die Legalisierung von Cannabis?
Foto: imago | Christian Meng

Nicht nur die Bundestagsabgeordneten fahren diese Woche in ihren wohlverdienten Urlaub, auch der Bundesrat steht schon mit einem Fuß in der Toskana und hält am Freitag seine letzte Sitzung vor der Sommerpause. Während die Parlamentarier des Bundestags letzten Freitag noch recht spontan die Ehe für Alle beschlossen, steht auch im Bundesrat im letzten Moment noch eine Herzensangelegenheit der Deutschen auf der Tagesordnung: Coffeeshops.

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Die Bundesländer Bremen und Thüringen haben sich nämlich zusammengeschlossen und Mitte Juni im Bundesrat einen Antrag gestellt. Die beiden Länder wollen das Betäubungsmittelgesetz so ändern, dass "wissenschaftlich begleitete Versuchsprojekte mit kontrollierter Abgabe von Cannabis" – Beamtendeutsch für "Coffeeshops" – eingerichtet werden dürfen. Gras könnte damit auch an gesunde Erwachsene verkauft werden. In Friedrichshain-Kreuzberg scheiterte zuletzt 2015 ein Coffeeshop-Modellprojekt am Betäubungsmittelgesetz.


Ebenfalls bei VICE: Wie das Cannabisverbot in Großbritannien versagt


Bremen und Thüringen schlagen nun den Weg über eine sogenannte "Bundesratsinitiative" ein. Sie schlagen mit ihrem Antrag eine Gesetzesänderung vor und die Bundesratsmitglieder stimmen am Freitag darüber ab, ob der neue Gesetzesentwurf zur Abstimmung in den Bundestag gehen soll. Kommt damit nach der Ehe für Alle nun auch noch die Legalisierung von Cannabis? Nein, wohl eher nicht.

Denn leider ist diese Woche kein Brigitte-Live-Talk mit Marlene Mortler (CSU), der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, geplant. Aus ihrem "Cannabis ist verboten, weil es illegal ist" wird wohl nicht spontan noch eine "Gewissensentscheidung". Stattdessen winkt dem Antrag die sichere Ablehnung, denn der den Bundesrat beratende Gesundheitsausschuss (des CDU-geführten Gesundheitsministeriums) empfiehlt dem Bundesrat, ein klares Nein zur Gesetzesänderung abzugeben. Bremen und Thüringen haben nur 7 von 69 Stimmen im Bundesrat.

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Fallen Kiffer-Studien etwa nicht unter die Forschungsfreiheit?

In dem Bundesrat-Antrag wird die Notwendigkeit eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts mit der Absicht begründet, nur so auch eine "erstmals wissenschaftlich fundierte Überarbeitung des Betäubungsmittelgesetzes" durchführen zu können. Als Beispiele für erfolgreiche Cannabis-Politik werden die Niederlande, die Schweiz, Spanien, Portugal und auch die USA angeführt. Dazu wird ganz richtig festgestellt: "Empirische Belege für Deutschland fehlen". Und die würden die Versuchsprojekte in Bremen und Thüringen gerne liefern.

Die Bestrebungen, auch endlich in Deutschland wissenschaftliche Fakten zu schaffen, auf die der Gesetzgeber dann zurückgreifen kann, sind nicht neu – genauso wenig wie die Rückschläge für die Leute, die sich dafür einsetzen. Schon im November 2016 lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine wissenschaftliche Studie ab. Die "Forschungsinitiative Cannabiskonsum" wollte damals an 25.000 gesunden, erwachsenen Studienteilnehmern die Langzeitfolgen von Cannabis-Konsum untersuchen.

Am Montag verklagte die "Forschungsinitiative Cannabiskonsum" auch in Hinsicht auf die anstehende Ablehnung im Bundesrat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BfArM. "Wir streiten vor Gericht für die Forschungsfreiheit", sagt Geschäftsführer Marko Dörre gegenüber VICE. "Unser Studienantrag ist zulässig und gut begründet. Wenn notwendig, gehen wir durch alle Instanzen." Die Forschungsfreiheit gehört in Deutschland zu den Grundrechten.

Solange deutsche Wissenschaftler keine Studien zu Cannabis durchführen dürfen, wird es für den Gesetzgeber immer einfach bleiben, gegen die Legalisierung zu argumentieren: Die Langzeitschäden sind nicht absehbar, das Risiko zu ungewiss, bla bla. Für Marko Dörre ist klar, warum wissenschaftliche Studien immer wieder blockiert werden. Er sagt nur: "Politik."

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