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Ein Transmann erzählt von seiner Schwangerschaft

"Ich will nicht sein wie ein biologischer Mann."
Trystan Reese ist im achten Monat schwanger | Foto: Shanna Sturgell

Trystan Reese ist schon eine Weile Vater, aber schwanger zu sein ist für ihn trotzdem neu. Er ist 34 und lebt mit seinem Partner Biff in Portland im US-Staat Oregon – und er ist im achten Monat schwanger. Das Paar hat schon zwei Adoptivkinder, nämlich Biffs Neffen und Nichte, die ein neues Zuhause brauchten. Die Entscheidung dazu fällten sie nach nur einem Jahr Beziehung.

Das erste Jahr war hart, doch Reese sagt, er und Biff fänden das Elterndasein inzwischen toll. Vor ein paar Monaten verkündeten sie, dass ihnen ein leibliches Kind ins Haus steht. Reese kam weiblich zur Welt und trägt das Kind selbst aus. Er betont, er sei bei Weitem nicht der erste schwangere Transmann. Seine Geschichte hat einfach international mehr Schlagzeilen bekommen als andere.

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Wir haben Reese gefragt, wie die Schwangerschaft läuft und wie er mit der vielen Aufmerksamkeit zurechtkommt.

Das Paar bei der Hochzeit | Foto mit freundlicher Genehmigung von T. Reese

VICE: Warum habt ihr euch entschieden, ein leibliches Kind zu bekommen?
Trystan Reese: Unsere Kinder sind wundervoll und wir lieben es, Eltern zu sein. Eine Adoption hatten wir ja schon hinter uns, also wussten wir, wie schwierig das finanziell und emotional ist. Wir wollten wissen, wie es ist, alles selbst zu entscheiden. Ich bin transgender, er ist es nicht, also haben wir alle nötigen Körperteile, um unsere eigene Familie zu machen. Wir kennen viele Transmänner, die Kinder zur Welt gebracht haben. Wir haben hier in Portland mit einem Ärzteteam geklärt, dass das medizinisch ohne Komplikationen möglich ist. Es ist ein bisschen, wie wenn man die Pille absetzt. Bei mir haben alle Systeme sich wieder eingeschaltet. Das war gewöhnungsbedürftig, aber bei der Schwangerschaft läuft auch bisher alles super.

Wie lange hattest du da schon Hormone genommen?
Sehr lange. Dreizehn Jahre.


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Und wie war es, die Hormone abzusetzen?
Ich hörte mit dem Testosteron auf und sie machten Ultraschallbilder, um zu schauen, ob alles gesund aussieht und funktioniert. Ich hatte es schon so lange genommen, dass die meisten kosmetischen Auswirkungen jetzt auch nicht mehr verschwinden. Meine Stimme bleibt tief, mein Bart fällt nicht aus. Ich sehe noch total männlich aus, abgesehen davon, dass ich im achten Monat schwanger bin. Für mich war es hauptsächlich eine Umstellung, wieder einen Zyklus zu haben, nachdem der über ein Jahrzehnt lang weg war.

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Wie vereinbarst du die Schwangerschaft mit deiner Identität als Mann? Ist das ein Problem?
Es ist kompliziert. Viele Transmänner, die ich kenne, haben Babys zur Welt gebracht. Und sie sind großartige und liebe Menschen, die ich als Vorbilder sehe. In gewisser Weise habe ich für mich den Vorgang der Geburt vom Frausein getrennt. Ich weiß natürlich, dass in der Regel Frauen die Babys kriegen. Ich bin aber schon transgender und mache damit etwas außerhalb der Norm. Also fühlt es sich für mich auch nicht so in Stein gemeißelt an, dass Männer keine Babys kriegen sollen.

Hast du für die Einstellung schon mal Kritik geerntet? Ich kann mir vorstellen, dass viele Frauen es nicht so gut finden, wenn du sagst, dass Kinder zur Welt bringen und Frausein getrennt ist.
Von Frauen habe ich tatsächlich bisher kaum negative Reaktionen gesehen. Ich denke, die meisten Frauen wissen, dass es gut wäre, wenn Männer daran arbeiten, wie sie mit Babys und Kindern umgehen. Und wenn mehr Männer Zugang zum Geburtsvorgang kriegen, dann würden sich auch mehr Männer an der Familie beteiligen. Ich versuche auch, respektvoll zu sein. Wenn ich zum Beispiel zum Schwangerschaftsyoga will, frage ich vorher die Kursleiterin. Manchmal wollen Frauen auch einfach unter Frauen sein. Aber bisher hat mich noch nie jemand abgewiesen. Es sind hauptsächlich eher Männer, die ein Problem mit mir haben.

Was ist ihr Problem, meinst du?
Ich glaube, die meisten könnten so halbwegs Transgender-Personen akzeptieren, solange wir niemals erwähnen oder eingestehen, dass wir ein bisschen anders sind. Wenn ich aber sage: "Ja, ich bin ein Mann" und "Ja, ich werde ein Baby kriegen", dann hat das etwas an sich, womit die Leute nur schwer umgehen können. Ich will nicht wie ein biologischer Mann sein. Ich bin in einer einzigartigen Situation, die ich für wertvoll halte und nicht aufgeben will. Und ich dachte wirklich, dass wir es kulturell schon so weit gebracht haben, dass wir die Vorstellung von "Transgender" erweitern können. Es heißt immer, wir würden unsere Körper hassen und verändern wollen. Die Erfahrung haben viele Transgender-Leute, aber nicht ich. Manche akzeptieren einfach ihren einzigartigen Weg und gehen ihn.

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Wie gehst du mit Online-Belästigung um?
Mein Partner hat mir früh gesagt, dass es für uns gefährlich werden könnte, wenn wir unsere Geschichte erzählen. Ich habe ihm nicht geglaubt, bis sich alles zugespitzt hat. Das Unheimlichste finde ich, wenn Leute uns schreiben, wie ekelhaft und widerlich wir sind, oder wenn Leute sagen, sie hoffen, unser Baby wird totgeboren, weil das immer noch besser wäre, als unser Kind zu sein. Und dazu kommt natürlich das Übliche: "Das ist kein Mann, das ist eine bärtige Frau, das ist ein Zirkusfreak." Und dann hat auch noch eine Neonazi-Gruppe unsere Geschichte besprochen, was wirklich unheimlich war. Wir haben unsere Schlösser erneuert und wir passen wirklich gut auf, wenn wir unsere Kinder abholen oder ausgehen.

Wie reagiert die Trans-Community?
Ich habe erwartet, dass aus der LGBT-Community viel Kritik kommt. Ich dachte, andere Transmänner finden vielleicht, dass ich es ihnen damit erschwere, als Männer akzeptiert zu werden. Stattdessen ist es das totale Gegenteil. So viele LGBT-Leute haben mir schon dafür gedankt, dass ich diese Diskussion anführe und die Definition von "Mann" erweitere.

Wie empfindest du die aktuelle Lage in den USA?
Für Transgender lief es einige Jahre lang sehr gut. Wir konnten Gesetze durchbringen, die uns nicht nur vor Angriffen und Diskriminierung schützten, sondern auch so grundlegende Dinge wie die freie Wahl zwischen Jungen- und Mädchentoilette an Schulen. Aber jetzt schwingt das Pendel in den USA nach rechts und wir sind mehr im Verteidigungsmodus. Wir versuchen, den Leuten klarzumachen, dass wir noch genau die Menschen sind, die wir vor einem Jahr waren – nur das politische Klima hat sich etwas geändert. Es gibt auch inzwischen mehr aus Hass motivierte Verbrechen.

Wie reagieren eure Kinder auf deine Schwangerschaft?
Ziemlich normal. Manchmal sind sie aufgeregt, weil sie einen kleinen Bruder kriegen, und manchmal sind sie neidisch, weil alle wegen des Babys so aufgeregt sind. Ich glaube, sie haben Angst, dass sie ihre Spielsachen mit ihm teilen müssen. Sie sind sechs und neun, das ist also das, wozu sie aktuell fähig sind.

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