Collage: Rebecca Rütten | Alle Fotos: Pixabay
Klar, dass Drogen süchtig machen können, wisst ihr. Was heißt das aber konkret für das Leben von Süchtigen, wie tief sind die Abgründe? Darüber schreibt Gaston.In diesem Teil der Erinnerungen aus meinem Junkiedasein geht es um einen meiner vorläufigen Tiefpunkte, im Jahr 2014. Was davor passierte, könnt ihr in Teil eins und Teil zwei nachlesen.Ein Freund aus Bayern besuchte mich und meine Freundin Maggy in Berlin, die ebenfalls auf Heroin war. Wir trafen uns gerne mit ihm, weil er in Berlin immer große Mengen Heroin und Rohypnol (ein starkes Benzodiazepin, ja, genau das aus Hangover) einkaufte, um das Zeug in Bayern zum doppelten bis dreifachen Preis loszuwerden. Dabei fiel für uns immer ein guter Teil ab. Wir trafen ihn am Hermannplatz, stiegen dort in den Dachstuhl eines Mietshauses und machten uns jeder einen Schuss. Ich war gut drauf, meine Freundin war gut drauf – aber Franz, so der Name unseres Freundes, war zu drauf. Er hatte nämlich schon fünf oder sechs Rohypnol drin und als er sich dann noch ein halbes Gramm Heroin auf einmal drückte, fiel er sofort um. Blaue Lippen, Überdosis. Zum Glück wusste ich, wie man Überdosierte wieder zurückholt, und begann sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung. Das klappte auch soweit, dass Franz zumindest wieder atmete, wenn er auch nicht bei Bewusstsein war.Das wollte ich ausnutzen und mir als Belohnung für meine Lebensrettung einen Schluck aus seiner Pulle Tilidin (ein häufig als starkes Schmerzmittel angewandtes Opioid) genehmigen. Das tat ich auch, aber nur, um circa eine Minute später ein äußerst schmerzhaftes Reißen im Darm zu verspüren, das mich Schreckliches ahnen ließ.
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Als ich die Flasche genauer betrachtete, fiel mir das Entsetzliche auf: "N-Tilidin" stand darauf. Es handelte sich also um Tilidin, das mit Naloxon versetzt war, um Junkies daran zu hindern, das Zeug zu nehmen. Naloxon ist ein sogenannter "reiner Opioidantagonist". Das bedeutet, dass dieses Teufelszeug alle Opiate aus deinen Rezeptoren rauskickt, wenn du es nimmst, sodass du als Abhängiger innerhalb von Sekunden komplett entzügig bist. "Turbo-Entzug" heißt das bei Junkies, oder auch "Turbo-Affe".Dass mir ein solcher nun bevorstand, war mir also klar. Was mich genau erwartete, wusste ich jedoch nicht. Nur dass es wahrscheinlich schlimmer werden würde als alles, was ich bis dahin erlebt hatte. Ich sollte mich nicht täuschen. Ich spürte, wie sich in meinen Darm ein Gewitter zusammenbraute und gab meiner Freundin den Auftrag, runter zu McDonald's zu gehen und so viele Servietten wie möglich mitzubringen. Als Maggy wieder zurückkam, war es bereits passiert – ich saß mitten in diesem Hausflur auf einer riesigen Lache Dünnschiss und konnte nicht aufhören, neue zu produzieren.Eine Treppe weiter oben war Franz weiterhin in Opiatträumen gefangen, während ich hier unten Höllenqualen ausstand. Der Turbo-Entzug war wirklich so schlimm, wie alle es mir erzählt hatten: Aus allen Löchern brachen meine Körperflüssigkeiten heraus, mein Schweiß lief mir in Strömen herunter und ich bemerkte, dass mein Geist sich trübte. Ich bewegte mich auf ein Delirium zu. Als ich das meiner Freundin Maggy vermitteln wollte, musste ich allerdings feststellen, dass ich meine Zunge nicht mehr kontrollieren konnte. Ich lallte so stark, dass sie mich kaum verstand. In diesem Moment hatte ich Angst, einen irreparablen Gehirnschaden davonzutragen.
Der Autor in der Zeit, als sich diese Geschichte ereignete
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