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Aufstiegswunder

Vom Bankrott bis in die Serie A: der wundersame Durchmarsch von S.P.A.L.

Noch 2013 dümpelte der norditalienische Traditionsverein insolvent in der 5. Liga rum. Doch der Anruf eines Bürgermeisters sollte eines der größten italienischen Fußballwunder auslösen.
Foto: Imago

Ab der Saison 2017/18 wird ein Team die Serie A schmücken, von dem du mit großer Sicherheit noch nie etwas gehört hast: S.P.A.L. 2013. Kein Wunder, schließlich hat die Mannschaft aus der norditalienischen Stadt Ferrara vor vier Jahren noch in der fünften Liga gespielt, bevor sie einen märchenhaften Durchmarsch hingelegt hat. Dass es sie überhaupt noch gibt, grenzt an ein kleines Wunder, nachdem der Klub 2005 und 2012 bankrott gegangen ist. Doch der lebensrettende Schulterschluss mit einem anderen Verein sollte sich als ungeahnter Glücksgriff erweisen.

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Will man den Aufstieg von S.P.A.L. als möglichst fatalistische Wendung beschreiben, fällt automatisch der Name Zigoni. Denn ein gewisser Gianfranco Zigoni sorgte mit seinem Tor im Mai 1968 dafür, dass die Società Polisportiva Ars et Labor (S.P.A.L.) aus der ersten Liga abstieg. Fast 50 Jahre später ist Zigonis Sohn Gianmarco einer der Schlüsselspieler bei S.P.A.L. und verhalf mit seinen zehn Treffern dazu, dass der Klub, den sein Vater einst in die Zweitklassigkeit schoss, plötzlich wieder in der Beletage Italiens mitmischen darf. Schicksal, grüß mich!


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Dabei glich schon der Aufstieg in die Serie B im letzten Sommer einem kleinen Wunder. 23 Jahre war es her, dass S.P.A.L. zuletzt in der zweiten Liga gespielt hatte. Darum standen die Zeichen in der abgelaufenen Saison eigentlich nur auf Abstiegskampf und, im besten Fall, Klassenerhalt.

"Keiner hat damit gerechnet, nicht einmal die optimistischsten Fans", erzählte Mauro Malaguti, ein Journalist aus Bologna, ESPN FC.

Menschen wie Malaguti haben noch frisch in Erinnerung, wie S.P.A.L. vor wenigen Jahren fast endgültig von der Bildfläche verschwunden wäre. Nur sieben Jahre, nachdem der Verein pleite ging, waren 2012 schon wieder die Kassen leer. Bühne frei für den deus ex machina, Bühne frei für die Unternehmerfamilie Colombarini. Der Familie gehörte schon mit Giacomense Calcio ein kleinerer Verein in der C2, der vierthöchsten italienischen Spielklasse. 2013 kaufte sie kurzerhand den Pleiteverein und Fünftligisten S.P.A.L. auf. Es war eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Für S.P.A.L. bedeutete der Zusammenschluss, dass der Verein fortbestehen und statt in der fünften in der vierten Liga spielen konnte. Für die Familie Colombarini bedeutete die Fusion, dass man plötzlich einen traditionsreichen, wenn auch in Vergessenheit geratenen Verein sein Eigen nennen konnte (schließlich ist der Verein, 1907 erstmalig gegründet, einer der ältesten in Italien und hat über 20 Serie-A-Spielzeiten auf dem Buckel). Und für den damaligen Giacomense-Präsidenten Walter Mattioli, der seit Kindheitstagen S.P.A.L.-Fan war, ging einfach mal ein Kindheitstraum in Erfüllung. Von einem Tag auf den nächsten war er plötzlich an der Spitze seines heimlichen Lieblingsvereins angekommen.

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Für Foxsports.it fasste Unternehmensboss Francesco Colombarini zusammen, was damals genau passiert ist: "Als uns der Bürgermeister von Ferrara anrief, vor mittlerweile knapp vier Jahren, lag S.P.A.L. schon unter der Erde und befand sich in Geschäftsauflösung. Wir besaßen den 1967 gegründeten Verein Giacomense, der in die C2 aufgestiegen war. Wir haben ihn 2013 aufgelöst und mit S.P.A.L. fusioniert. Und jetzt sind wir hier."

Was uns zu der logischen Frage bringt, wie der ehemalige Pleiteklub dieses Kunststück überhaupt fertig bekommen hat. In diesem Zusammenhang stoßen wir auf Altbekannte. Da wäre einerseits Präsident Walter Mattioli zu nennen, der die weise Entscheidung traf, den früheren Giacomense-Spieler Davide Vagnati zu S.P.A.L.s Sportdirektor zu machen. Das Duo harmonierte wie auf Knopfdruck und arbeitete eng mit der Familie Colombarini zusammen. Gemeinsam hatten sich die Drei ein grundlegendes Ziel gesteckt: Nie wieder sollte S.P.A.L. die Fehler der Vergangenheit wiederholen. "Wir schworen uns, dass es nie wieder finanzielle Probleme geben sollte, nie wieder Skandale," verriet Mattioli in der Corriere dello Sport. Dabei geholfen haben natürlich auch die üppigen Investitionen vonseiten der Familie Colombarini. So wurden erst im letzten Sommer für eine Modernisierung des Stadions rund eine Million Euro locker gemacht.

Zwei wichtige Erfolgsfaktoren bei : Sportdirektor Vagnati (links) und Trainer Semplici. Foto: imago

Doch im Gegensatz zu anderen Mannschaften in Europa wurde der sportliche Erfolg bei S.P.A.L. nicht "erkauft", der Gegenteil ist der Fall. Mit extrem geringen Mitteln wurde eine schlagkräftige Truppe zusammengestellt. Der Verein, bei dem einst Fabio Capello seine Spielerkarriere begann, holte sich in den letzten Jahren überwiegend ablösefreie Spieler – oder lieh sich Personal einfach von anderen Mannschaften aus. Angefangen mit dem 19-jährigen Alex Meret, der bei S.P.A.L. nicht nur zwischen den Pfosten steht, sondern auch die Abwehr dirigiert und als eines der größten Torwarttalente Europas gilt. Völlig zurecht wurde er vor einigen Wochen zur italienischen Nationalmannschaft berufen, als erster S.P.A.L.-Spieler seit den 50ern. Dann wäre da noch der ebenfalls erst 19-jährige Abwehrspieler Kevin Bonifazi, der eigentlich dem FC Turin gehört und bei S.P.A.L. die Defensive stabilisiert – und darüber hinaus drei Ligatore schoss. Aber die schönste Geschichte gehört wohl Manuel Lazzari. Der kam schon 2013 als Giacomense-Überbleibsel zu S.P.A.L., als der Verein in der fünften bzw. vierten Liga rumdümpelte. Und wird in wenigen Wochen gegen Mannschaften wie Juve oder Milan spielen dürfen.

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Aber gute Kicker brauchen auch einen guten Trainer und hier kommt Leonardo Semplici ins Spiel. Seit Dezember 2014 trainiert er S.P.A.L. und hat die Mannschaft seitdem von der dritten in die erste Liga geführt. Der ehemalige Jugendtrainer des AC Florenz steht für erfrischenden Offensivfußball und lässt seine Mannschaft – inspiriert von Monaco-Coach Leonardo Jardim – im 3-5-2-System spielen. In der Kabine können übrigens keine Sprachbarrieren aufkommen, denn S.P.A.L. ist der einzige Verein in der Serie B, der in der abgelaufenen Saison nur mit Italienern gespielt hat.

Doch bevor ab August die italienischen Spitzenklubs im heimischen Stadio Paolo Mazza empfangen werden können, muss das Stadion im Sommer noch ausgebaut und weiter modernisiert werden. Bis 2018 soll das über vier Millionen Euro kosten. Mehr als die Hälfte davon kommt mal wieder aus der Privatschatulle der Familie Colombarini. Legendenstatus in der Stadt Ferrara ist ihr jetzt schon sicher.