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Nicki Minaj und 6ix9ine sind jetzt wohl beste Freunde – und das ist scheiße

Nicki Minaj hat auf Instagram bekannt gegeben, dass 6ix9ine, der kontroverse Rapper aus Brooklyn, einen der drei Opening-Slots bei ihrer und Futures Welttournee bekommt. Das ist einerseits überraschend, andererseits aber auch nicht. Die Nachricht kommt nämlich direkt nach der Veröffentlichung der gemeinsamen Single “FeFe”, die innerhalb von fünf Tagen über 50 Millionen Views bei YouTube gesammelt hat. Die Ankündigung ergibt also schon Sinn, ist gleichzeitig allerdings ziemlich problematisch. Ihr neues Album Queen dreht sich laut Minaj vor allem um “Selbstrespekt” – und da passt 6ix9ine nicht wirklich ins Bild.

Als ich mir das Video zu “FeFe” zum ersten Mal ansah, stieg in mir ein richtig unangenehmes Gefühl hoch. Schuld daran waren nicht die beiden polarisierenden Musiker, sondern die Szenerie und die kindliche Bildsprache. Das Ganze spielt in einer Art kunterbuntem Schlaraffenland, was bei 6ix9ine nicht gerade eine gute Wahl ist. Der Rapper bekannte sich 2015 schuldig, eine Minderjährige für eine sexuelle Performance angestellt zu haben. Er hatte sich mit der nackten 13-Jährigen auf seinem Schoß filmen lassen. Mitte Juli wurde er verhaftet, weil er einen 16-Jährigen in einer Mall gewürgt haben soll. Im Video beißt er mehrere Male herzhaft in ein Waffeleis und die zuckrige Milchspeise rinnt ihm danach die Mundwinkel hinab. Ja, es sieht genauso ekelhaft aus, wie es klingt.

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Diese Bilder wurden nur noch von einer anderen Szene getoppt, nach der ich das Video wirklich wegklicken musste: 6ix9ine und Nicki Minaj sitzen sich gegenüber, beugen sich vor und teilen sich eindeutig zweideutig eine Portion Eis. Das gemeinsame Lied ist eine Sache, solche Features können ja beide Künstler pushen – und manchmal steht bei solchen Kollaborationen ganz offensichtlich der strategisch-kommerzielle Aspekt im Vordergrund. Durch die Szene mit dem geteilten Eis habe ich jedoch das Gefühlt, dass Minaj nicht nur 6ix9ines Sound abnickt, sondern zu Provokationszwecken auch sein zweifelhaftes Verhalten.


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Minaj hat sich vor Kurzem schon einmal einen Ausrutscher erlaubt: Sie schickte der Kulturkritikerin Wanna Thompson beleidigende Privatnachrichten, nachdem die sich im Vorfeld zu Minajs anstehendem Album Queen etwas kritisch geäußert hatte. Die Rapperin tat so, als habe sie in ihrer Karriere nie Fehler gemacht, zählte verschiedene Erfolge auf, log bezüglich ihres Alters und behauptete, Thompson sei nur neidisch. Bis heute hat sich Minaj nicht weiter zu dem Vorfall geäußert – selbst dann nicht, als Thompson Todesdrohungen von Minaj-Fans bekam.

Nicki Minajs Auseinandersetzung mit Thompson, ihre neue Freundschaft mit 6ix9ine und der Opening-Slot des Rappers bei der NickiHndrxx-Welttournee lässt eine Frage aufkommen: Wird man ihr neues Album jetzt genauso auffassen, wie es sich die Musikerin erhofft? In einem aktuellen Interview mit dem Fashion-Magazin Elle schien Minaj zu versuchen, eine andere Version des Empowerments für sich zu beanspruchen als zuvor. Eine, bei der es weniger darum geht, sich auf das Gesicht eines Manns zu setzen, sondern mehr um die Tatsache, dass die Rapperin zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder Single ist. “Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, ohne jemandem auf die Füße zu treten”, sagte sie gegenüber Elle. Schon komisch, scheinbar hat sie ja auch kein Problem damit, Leuten auf die Füße zu treten, wenn sie mit einem der aktuell kontroversesten Rapper zusammenarbeitet.

Schon in ihrer MTV-Dokumentation aus dem Jahr 2010 setzte sich Minaj lautstark für Frauen ein: “Ist es falsch, dass ich für mich selbst mehr will? Dass ich will, dass man mich respektvoll behandelt?”, fragte sie. “Hätte ich damals das Gurkenwasser akzeptiert, würde ich auch jetzt noch Gurkenwasser trinken.” Diese Einstellung schrieb sie sich im Laufe ihrer Karriere immer wieder ganz groß auf die Fahne – zum Beispiel auch, als das gewagte Video zu ihrem Lied “Anaconda” 2015 bei der wichtigsten VMA-Auszeichnung “Video of the Year” nicht berücksichtigt wurde. “Wenn in deinem Video dünne Frauen zelebriert werden, dann nominiert man dich auch für das Video des Jahres”, twitterte sie. Damit machte sie sehr eindringlich auf die Tatsache aufmerksam, dass schwarze Frauen und ihre Körper von der Popkultur in gewisse Nischen gedrängt werden (“Anaconda” war in den VMA-Kategorien “Best Female Video” und “Best Hip-Hop Video” nominiert). Da fragt man sich, wie Queen in den großen Kontext dieser Einstellung passen soll, wenn 6ix9ine vor Minaj auftritt. Die Zusammenarbeit mit einem Missbrauchstäter steht in krassem Gegensatz zu dem, für das sich die Rapperin laut eigener Aussage schon während ihrer ganzen Karriere eingesetzt hat.

Man kann hier aber nicht die komplette Schuld auf Minaj abladen. Future ist ja ebenfalls Teil der Tour. Zwar ist der Rapper jetzt nicht für feministische Projekte bekannt, aber auch Männer müssen ihre Kollegen zur Verantwortung ziehen. Das bedeutet: Alle Künstler, die auch weiterhin mit Missbrauchstätern zusammenarbeiten, hängen ebenfalls mit drin. Wie bahnbrechend wäre es zum Beispiel, wenn Future Stellung beziehen und sagen würde: “Mit einem solchen Künstler will ich nichts mehr zu tun haben.” Es hätte mit Sicherheit einen großen Einfluss, wenn erfolgreiche Musiker sich auch auf geschäftlicher Ebene klar und deutlich distanzieren würden, denn ein solcher Schritt hätte so viel mehr Gewicht als “nur” ein Boykott auf einem persönlichen Level. Man sollte wirklich mal darüber nachdenken, was das im größeren Kontext für die Musikbranche bedeuten würde.

Unterm Strich bleibt trotzdem zu sagen, dass Nicki Minajs Kollaboration mit 6ix9ine auf mehreren Ebenen enttäuscht. Und ich kann Eiscreme nie wieder mit den gleichen Augen sehen.

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