Die Altstadt von Sanaa, die zum UNESCO-Welterbe zählt.
Sanaa, die Hauptstadt des von Bürgerunruhen und Terrorismus geplagten Jemen, führt einen aussichtslosen Kampf um die Aufrechterhaltung ihrer architektonischen Geschichte. Mit über 6.500 bewohnten Gebäuden, die mehrere Jahrhunderte alt sind, gehört die Altstadt von Sanaa zum UNESCO-Welterbe. Dieses Labyrinth aus Lehmziegelmärkten, Gärten und Häusern ist aufwendig verziert mit weißem Stuck, der die Außenseiten der Gebäude schmückt. Erstaunlicherweise werden die Erhaltungsarbeiten am Erbe Sanaas trotz sinkenden Touristenzahlen in den letzten Jahren fortgeführt, und das auf die gleiche riskante Art und Weise wie schon im Mittelalter.
Jedes Jahr zerfressen Sandstürme die Lehmhäuser und den Stuck der Altstadt, und Arbeiter machen sich daran den künstlerischen Charme der Stadt wieder herzustellen. Gen Himmel steigen Maler von den Dächern und balancieren dabei auf schmalen Holzplattformen, die mit nur einem Seil gehalten werden. Anders als bei modernen Fensterwäschern ist die Arbeit der Maler durch eine jahrhundertealte Tradition gekennzeichnet. Das bedeutet, dass die Arbeiter ohne Haltegurt oder Sicherungsausrüstung an bis zu zehn Stockwerke hohen Gebäuden arbeiten.
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Ein kürzlich wegen undichter Rohre und schlechter Wartung eingestürztes Gebäude.
Manchmal finden sich Handwerker auf halber Höhe an der Außenseite eines Gebäudes hängend, wenn die Zeit fürs islamische Gebet kommt. Doch die kleinen Plattformen, auf denen sich die Maler befinden, können nach nur unten gelassen und nicht nach oben gezogen werden. Deshalb gibt es für sie nur eine Möglichkeit: Nur durch pure Kraft klettern sie an einem Seil Stück für Stück und mit den Füßen auf der Gebäudeseite wieder hoch.
Und während der gesamten Zeit sind sie auf Khat—einer euphorisierenden Pflanze, die wie Kautabak konsumiert wird. „Wenn du malst, musst du stark sein, und wenn ich kaue, kann ich perfekt arbeiten”, sagt Mohammed al-Seeani. Mohammed ist 65 Jahre alt und hat 40 Jahre Erfahrung, was ihn zu einem der respektiertesten Maler im Jemen macht.
„Als ich jung war, holte ich immer Wasser vom Brunnen, und ich bemerkte eine Gruppe Maler, die in der Nähe Wasser und Gips mischte“, erinnert sich Mohammed. Neugierig sprach er die Männer an, die ihm daraufhin ihr Handwerk beibrachten. „Dann, eines Tages, gab es eine Quelle, die sehr tief war, 65 Meter. Sie war mit Schmutz verstopft und jemand musste den Schmutz entfernen, damit man an das Wasser darunter kam.“
Mohammed auf dem Weg vom stabilen Dach auf die wackelige Plattform
Sich in diese düsteren und klaustrophobischen Brunnen abzuseilen, ist ein Initiationsritus für angehende Maler und wird als Test für die psychische Bereitschaft des Kandidaten angesehen. „Sie nahmen das Seil, und wenn es dein erstes Mal war, banden sie es dir um den Bauch“, sagt Mohammed. Er kannte einst einen Mann, der sich in einen Brunnen abseilte; das Seil riss und er stürzte in die Dunkelheit. Doch zum Glück tauchte Mohammed unverletzt und voller Selbstvertrauen wieder auf. „Nach dem Brunnenerlebnis wusste ich, dass ich Maler sein wollte“, sagt er.
Die Arbeit der Arbeiter wird durch den steten Verfall der Altstadtgebäude von Tag zu Tag gefährlicher. Mehr als 400 Häuser sind in dem Gebiert des Welterbes mittlerweile wegen Bauarbeiten und der Installation von Rohrleitungen in eben diesen uralten Gebäuden eingestürzt. Über die Jahre haben Rohrlecks die Gebäude von innen zerfressen, während schlechte Abwassersysteme die Dächer, auf denen die Maler arbeiten, aufweichten. „Einmal fielen drei Dachbalken herab und trafen meinen Sohn, aber es ging ihm gut und er arbeitete eineinhalb Monate später wieder“, erzählt Mohammed.
Ein jemenitischer Teenager hält das Seil, an dem sowohl Mohammed als auch seine Plattform hängen.
Der kritische Zustand der Altstadt veranlasste die UNESCO letzten Frühling zum Überdenken von ihrem Status als Welterbe. Laut Mohammed spornte die finanzielle Unterstützung durch die UNESCO die Regierung dazu an, alle Maler des Landes einzuberufen, um den Status zu erhalten. Eine Mobilisierung dieses Ausmaßes hatte es bisher nur einmal gegeben, als die Regierung im Jahr 2004 (wieder mit UNESCO-Geldern) 140 Maler engagierte, um die gesamte Altstadt neu anzustreichen.
„Wir Maler sind alle Freunde“, sagt Mohammed. „Wenn die Regierung uns alle wieder engagiert, werden wir alle wieder kommen. Nur ein Anruf und wir sind alle in Sanaa.“ Bis dahin bringt Mohammed seinem Sohn weiterhin diese uralten Techniken bei.