Es heißt ja, der Geruchsinn sei mit unseren Erinnerungen verbunden wie kein anderer Sinn. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das stimmt. Der Geruch von eingelegtem Kohl bringt mich sofort zurück in die Küche meiner irischen Großmutter; der widerliche, performativ-maskuline Duft von AXE-Deo lässt mich wieder in mein 14-jähriges Selbst schlüpfen, das betört von den benzinartigen Dämpfen seine Hüfte behutsam an den Jungen drückt, mit dem ich meinen ersten Kuss hatte.
Ein anderer Geruch, der mich sofort nostalgisch werden lässt, ist das abartig süße Aroma von Britney Spears’ erstem Vorstoß ins Parfümgeschäft: Curious. Monatelang schmachtete ich dem 2004 erschienen Duft hinterher, bis ich ihn noch im selben Jahr als Geschenk unter dem Weihnachtsbaum hatte. Damals war Britney einfach alles für mich. Ich verehrte ihren Bauchfrei-Look mit abgeschnittenem Hemd und tiefgeschnittenen Jeans – für mich damals der Inbegriff von Erwachsensein; ich liebte ihre Musik und ahmte wie eine Besessene vor dem Fernseher ihren Tanzstil nach. Ein Parfüm, das sie mit ihrer eigenen, feinen Nase kreiert hatte, musste ich also unbedingt haben.
Videos by VICE
Curious war ein Phänomen – sowohl in meiner eigenen, als auch in der großen, weiten Welt. Der Kosmetikfirma Elizabeth Arden brachte es 2004 über 100 Millionen US-Dollar ein. Wie viele andere Neunjährige werden sich diesen Britney-Duft so sehr gewünscht haben wie ich? Zusätzlich gewann es 2005 den Women’s Consumer Choice Award der Fragrance Foundation. Viel wichtiger ist allerdings, dass Curious einer der ersten Düfte war, den ein Mainstream-Popstar ‘kreiert’ hatte – nur Cher und J Lo waren ihr zuvorgekommen. Britney öffnete damit die Tore für eine Multimillionen Dollar Industrie.
Heutzutage wird von weiblichen Popstars (und Popstars mit überwiegend weiblichen Fans wie Justin Bieber und One Direction) quasi schon erwartet, dass sie ihren eigenen Duft auf den Markt bringen. Und so haben über die Jahre Künstlerinnen wie Katy Perry, Beyoncé, Nicki Minaj, Lady Gaga und Rihanna (und natürlich auch Parfüm-OG-Britney, die, Stand Juni 2016, bereits 20 Parfüms ihren Namen geliehen hat) Millionen im Celebrity-Duft-Geschäft verdient.
Leider befindet sich dieses Geschäftsmodell gerade auf einem absteigenden Ast. Laut der britischen NPD-Group [hat nichts mit der braunen Partei zu tun], einer Organisation von Einzelhandelsexperten, sei der Markt für Promi-Parfüme 2016 gegenüber dem Vorjahr um 22 Prozent eingebrochen. Im Gespräch mit der Daily Mail sagte Teresa Fisher von dem Verband, dass “der Rückgang in den Verkäufen eine Veränderung der Konsumentenvorliebe und des Kaufverhaltens darstellt.” Die Statistiken zeigen, dass Parfümkunden Designer-Marken wie Lancôme und Chanel den Celebrity-Düften vorziehen.
Und warum? Vielleicht liegt es daran, dass Popstars zunehmend Werbung für echte Marken machen. Vielleicht ist aber auch die grassierende Instagram-Ästhetik marmorierter oder roségoldener Luxusgüter Schuld daran. Popstar-Parfüme bewegen sich im Duftgeschäft schließlich im mittleren bis unteren Preissegment und haben dank Marktübersättigung und einer überwiegend jungen Zielgruppe einiges von ihrem Prestige eingebüßt. Vorpubertäre Mädchen strahlen trotz aller Anstrengungen dann eben doch nicht so viel ‘Sophistication’ aus.
Aber für die Celebrity-Düfte und die armen, hilflosen Popstars, denen gerade anscheinend Millionen durch die Lappen gehen, ist noch nicht alles verloren. Wenn es nämlich etwas gibt, das wir Normalsterbliche lieben, dann sind das andere Menschen, die berühmter, schöner und talentierter sind als wir – man muss uns ihre Produkte nur vernünftig präsentieren. Ich selbst würde mich als eine Art Expertin auf diesem Gebiet bezeichnen. Was habe ich bitte vorzuweisen, fragst du? Ich liebe Popstars und alles, wofür sie ihren guten Namen hergeben. Einmal habe ich sogar 30 Euro für einen Lippenstift bezahlt, nur weil Kim Kardashians Name drauf stand. Ja, genau so eine bin ich. Also habe ich mir angeschaut, was der heiß umkämpfte Promi-Duft-Markt zu bieten hat, und Kraft meiner großartigen Millennial-Skills überlegt, was unsere Popdiven machen könnten, um die Verkäufe wieder anzukurbeln.
BEYONCÉ
Beyoncé ist dieses Mädchen in deiner Klasse, das einfach gut in allem ist (Mathe und Sport zum Beispiel) – was du bewundernswert wie latent ätzend findest. Irgendwann sitzt du aber neben ihr im Kunstunterricht und merkst, dass ihre kleine Tonfigur ziemlich schlecht wird – du merkst, dass sie doch nur ein Mensch ist.
Parfüm ist Beyoncés Tonskulptur. Obwohl sie, Stand 2014, mit ihrem Duft Heat und seinen Ablegern beachtliche 400 Millionen US-Dollar verdient hat, hätte ich doch zwei Anmerkungen, wie es für sie in der lahmenden Popstar-Parfüm-Wirtschaft besser laufen könnte: Erstens: Schmeiß die Alte-Oma-Flasche weg! Auf der Kommode meiner Großmutter steht Zeug, das genau so aussieht. Zweitens: Bessere Werbung! Dieser Hotel-Spa-Look bringt es einfach nicht. Du hast doch eigentlich so ein makelloses Gespür für Ästhetik. Warum nicht bei deinem eigenen Parfüm? Das Video zu “Haunted” ist doch eigentlich schon die perfekte Parfümwerbung. So was will ich sehen. Dann würde ich sofort mein gutes Geld für einen Hauch zuckersüßen Beyoncé-Duft auf den Tisch zu legen.
NICKI MINAJ
Das hier allerdings – Nicki Minajs Minajesty – ist perfekt. Meinen Schätzungen zufolge basiert die Marke “Nicki Minaj” zu etwa 30 Prozent auf “Titten” – die restlichen 70 Prozent sind die kunstvolle Inszenierung eben dieser. Dieser kurvenreiche Flakon hat also mit einer Flasche alle Facetten abgedeckt. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mich mit diesem blumigen Duft aus Nicki Minajs majestätischen Torso einzudieseln. Für dieses Privileg zahle ich auch gerne 15 Euro. Onika, bitte weiter so.
KATY PERRY
Sagen wir es einfach gerade heraus, befreien wir uns von der Last: Katy Perrys Killer Queen-Parfüm ist potthässlich. Es sieht aus, als wäre es für Mädchen gemacht, die gerade ihre Fingerlose-Handschuhe-Phase durchmachen. OK, vielleicht handelt es sich dabei ja tatsächlich um die schlau anvisierte Zielgruppe, immerhin war Perry laut Forbes die am besten verdienende Musikerin 2015. Ihre drei Düfte Killer Queen, Meow! und Purr dürften jedenfalls ihren Teil dazu beigetragen haben.
Das heißt aber nicht, dass ihre Parfümserie nicht ein kleines Makeover gebrauchen könnte. Wie gesagt, der Markt bricht ein und Parfümexpertin Roja Dove beschreibt Purr außerdem wie folgt: “Ich muss sofort an den Tom-Jones-Song ‘What’s New Pussycat?’ denken. Bei diesem blumigen Duft leider gar nichts.” Ich als Expertin würde folgenden Ratschlag geben: Vergesst das grauenvolle “L1tTLe PrInC3sS”-Branding und orientiert euch an echten Marken. Aber gut, vielleicht bin ich doch nicht die richtige Ansprechpartnerin. Meine Fingerlose-Handschuhe-Phase ist schließlich schon zwei Jahre vorbei.
RIHANNA
Auf dem Karton von Nude sieht Rihanna wie eine glamouröse, weinsüffelnde Stiefmutter aus. Will heißen: Rihanna sieht so aus, wie du sie dir immer geträumt hast – ein Look den Rihanna übrigens unverhältnismäßig oft hinbekommt. Ich finde jedenfalls ihre ziemlich offensichtliche Entscheidung beachtlich, eine ältere Käuferinnenschicht ins Visier zu nehmen. Sie weiß auf jeden Fall, was sie macht: Bereits 2011 verdiente sie mit ihrem Parfümdebüt, Reb’l Fleur, beachtliche 30 Millionen US-Dollar. Seitdem hat sie nicht weniger als neun weitere Düfte auf den Markt gebracht – den neusten, Kiss, erst dieses Jahr. Angesichts dieser Erfolgsgeschichte und dem geschmackvollen Design kann sie auf meine guten Ratschläge wahrscheinlich verzichten. Ich hätte allerdings eine große Bitte an sie: Rihanna, kannst du bitte ein Parfüm kreieren, das so riecht wie du? Wenn ich wie Rihanna riechen würde – wie sie wohl riecht? Kann man den Himmel in Flaschen abfüllen? – könnte ich bestimmt jeden Mann, jede Frau, jedes alles erobern.
ARIANA GRANDE
Zu guter Letzt ist da die junge Ariana Grande, eine relative Newcomerin in der Welt der Popstar-Düfte. Das hier ist meiner Meinung nach das Beste, was es momentan auf dem Markt gibt. Ihres Zeichens selbst Millennial versteht Ariana natürlich, wie wir jungen und kaufkräftigen Menschen ticken. Millennials mögen Pastellfarben, infantil-plüschiges Gedöns, Minimalismus und, ganz wichtig, Instagram. Und dieses Parfüm – Sweet Like Candy, einer von vier Ariana-Grande-Düften – liefert gnadenlos an allen Fronten ab. Der Flakon bewegt sich optisch und haptisch irgendwo zwischen einem Kaktus und einem iPad Mini und ist damit perfekt für jeden Instagram-Feed. Ein noch größeres und noch flauschigeres Plüschding wäre mein einziger Verbesserungsvorschlag.
Damit wäre die Popstar-Parfüm-Krise 2017 dank meiner Expertise und meiner authentisch-jugendlichen Einsichten abgewendet. Aber wenn eine von euch noch einen Ratschlag braucht, ich bin nur eine E-Mail entfernt. Bey, Nicki, Katy, Rih, Ari: Ruft einfach an, ich mache euch ein gutes Angebot. Versprochen!