Nigerias steinreiche Prediger


Filmproduzent Seyi Rhodes (links) und Dr. Sign Fireman mit dem knallgelben Hummer v2.0 des Pfarrers

Eigentlich ist es so, dass man als Pfarrer ruhig und ohne irgendwelche übermäßigen Besitztümer lebt das Wort der Bibel denen weitergibt, die am Gottesdienst teilnehmen. In Nigeria allerdings bedeutet es immer häufiger, dass zehn Prozent des gesamten Einkommens der Kirchengemeinde dir gehören, dass du Eigentümer einer Flotte gelber Autos bist, dass du zu jeder Zeit von deiner Entourage begleitet wirst, und besonders, dass du zu einem landesweiten Promi wirst. Das heißt, wenn du einer der vielen Wohlstandsprediger bist. Wohlstandpredigen bedeutet, falls du es nicht wissen solltest, wenn man der Gemeinde erzählt, dass spiritueller Wachstum in direkter Verbindung zu finanziellem Wohlstand steht. Demnach neigen die Gottesdienste dazu, sich eher auf Dinge wie den Kauf von Bentleys zu konzentrieren, als deinem Nächsten zu helfen. Seyi Rhodes hat vor kurzem die Dokumentation Nigeria’s Millionaire Preachers gedreht, in der Dr. Sign Fireman, einen nigerianischen Wohlstandsprediger, begleitet.

Pfarrer wie Fireman behaupten, dass ihnen die Macht, die sie besitzen, direkt von Gott gegeben wurde. Macht, die es ihnen erlaubt, Dämonen zu exorzieren und Krankheit zu heilen, indem sie die Betroffenen einfach anschreien und sie ein bisschen schütteln. Weil Gott in Nigeria sehr wichtig ist, hinterfragt niemand wirklich diese Behauptungen. Ich habe Seyi angerufen, um mich mit ihm über Nigerias Wohlstandsprediger zu unterhalten.

VICE: Hallo Seyi. Was hat dich dazu bewegt, diesen Film zu drehen?
Seyi Rhodes: Während ich durch Afrika reiste, fielen mir die ganzen Kirchen auf, die überall aus dem Boden schossen. Afrika hat manchmal einen Wilder Westen-Charakter—viele unerforschte Gebiete und viele nomadische Leute. Dazu kommen noch die Prediger, die umherreisen und überall kleine Gebäude errichten. Also, wo auch immer man hingeht, man läuft immer anderen Predigern über den Weg. Ich stellte fest, dass ein recht vielen von ihnen Nigerianer waren und dass es viel Wunder- und Wohlstandspredigten gibt. Ich habe auch Familie in Nigeria und sie erzählten mir Geschichten über die berühmten Pfarrer und wie gerne sie mit ihrem Geld protzen. Sie tauchen in Magazinen auf, fahren schöne Autos und unternehmen Kreuzfahrten mit riesigen Yachten.


Die Kirche hat ein paar alte Busse gekauft und benutzt sie, um die Leute von überall aus der Stadt zur Kirche zu transportieren. An Sonntagen sind die Straßen von Lagos voll von den Kirchenbussen.

Yachten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie ein Pfarrer überhaupt ein Auto hat, geschweige denn eine Yacht.
Ja, es gibt einen Yachthafen in Lagos mit ein paar privaten Yacht-Clubs, bei denen auch einige der Pfarrer Mitglied sind. Weil die Clubs privat sind, konnte ich leider nicht reingehen und mir das ansehen. Das war das Hauptproblem. Es gibt keine Buchhaltung in diesen Kirchen. Es ist sehr schwer rauszubekommen, für was sie ihr Geld ausgeben.

Für Flotten gelber Autos, so wie es aussieht. Das Christentum war jahrelang ein großes Geschäft in den USA. Wo liegt der Unterschied zur Situation in Nigeria?
Es ist teilweise unterschiedlich und wiederum auch nicht. Es gibt viele Parallelen zwischen dem heutigen Afrika und dem Amerika, in dem diese Art von Religion geboren wurde, also zu Ende des 19. Jahrhunderts. Die Erfolgstheologie erfuhr in den 50ern einen regelrechten Boom in Amerika, als das Fernsehen populär wurde. Ich schätze, der wesentliche Unterschied ist, dass die Nigerianer das mit der Begeisterung angehen, die sie auch für alles andere hegen. Die Kirchen sind also lauter, bunter und charismatischer.

Und es ist dieses Charisma, das einige dieser Prediger zu Megastars macht, richtig?
Ja, mehr oder weniger. Nigeria hat eine sehr konservative Kultur und Gesellschaft. Niemand stellt einen Pfarrer jemals in Frage. Es ist einer sehr hierarchische Kultur, demnach bekommen die Leute mit großen Namen auch großen Respekt, auch die Pfarrer.

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Dr. Firemans „Protokollbeamte.”

Im Film sagst du, dass auch Stil ein sehr wichtiges Element ist. Was bedeutet das für gewöhnlich?
Es ist wichtig, in eine Rolle zu passen, was in Afrika wichtig ist und besonders wichtig in Nigeria. Das bedeutet, dass man reich aussieht, indem man teure Klamotten trägt und ein Gefolge von Bodyguards hat, schicke Autos und besitzt und alles, wovon man glaubt, dass es reiche Leute haben. Aber in Firemans speziellem Fall, wenn man sich den Film ankuckt, ist es, was Mode angeht, ziemlich witzig. Es ist vergleichbar mit anderen Orten mit einem großen afrikanischen Bevölkerungsanteil, wo jeder auf dem Weg zur Kirche richtig heiß aussieht.

Ja, glänzende Anzüge und Schuhe aus Schlangenhaut.
Richtig, genau dieses ganze Zeug. Dann kommen noch die Leute dazu, die sich keine Anzüge leisten können. Also stimmen sie ihre Outfits farblich ab, ein neuer Trend, den Fireman gesetzt hat. Weil Gelb und Rot die Farben seiner Kirche sind, sieht man Leute, die rote Schuhe aus gefälschtem Krokodilleder mit gelben Jeans, einem roten T-Shirt und einem gelben Hut kombinieren.

Das ist wahre Hingabe. Versuchen die ärmeren Mitglieder der Kirche nach außen hin immer noch Wohlstand zu vermitteln, weil das ganze Predigen darauf abzielt, reich zu werden?
Definitiv, es ist so ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis—die Leute tun in der Kirche alles: von Ehemännern und -frauen finden über Geschäfte machen. Man könnte denken, dass einmal die Woche eine Hochzeit stattfindet, so wie die Leute angezogen sind.


Mitglieder des House of God-Securityteams.

Denkst du, dass die Pfarrer selber glauben, was sie predigen?
Ich glaube, all diese Pfarrer da draußen, die Wohlstand auf die gleiche Weise wie Fireman predigen, sind eine Mischung aus richtigen Betrügern, Leuten, die sich selbst vormachen, sie würden daran glauben, weil sie nicht damit leben könnten, Betrüger zu sein und Leuten, die einfach ein bisschen verblendet sind. Trotz alledem drängt sich erstmal der Verdacht auf: „Er leitet hier eine erfolgreiche Kirche, zu der jeden Sonntag Hunderte von Menschen kommen. Ist das keine gute Sache?” Aber dann denkt man: „Wo geht das ganze Geld hin?” Genauso wie ich hin- und hergerissen bin, ist Fireman es wahrscheinlich auch.

Was ist mit der Stelle im Film, als er sagt, dass Jesus „einen Buchhalter hatte”? Er weiß doch genau, dass er da Mist erzählt oder?
Sie neigen dazu, einige biblische Bezüge herzustellen und sie zu verdrehen. Weil die Leute in der Gemeinde vorher noch nie die exakte Formulierung gelesen haben, neigen sie vielleicht dazu, sich nach der Interpretation von dem zu richten, der sie ihnen beibringt. Es gibt zwei oder drei Zeilen, die Bezug auf Judas Ischariot nehmen, der der Hüter des Geldbeutels gewesen sein soll. Fireman und Pfarrer wie er nehmen das dann auf, als wäre er Jesus’ Buchhalter gewesen.

Was denkst du darüber?
Ich habe es so verstanden, dass Jesus und seinen Jüngern Geschenke, Essen und Geld gegeben wurden, als sie umherzogen, um zu predigen. Judas, der ein Zöllner war, konnte gut mit Zahlen umgehen, also führte er eine Art Bestandsbuchhaltung. Ich glaube nicht, dass das bedeutet, dass Jesus extrem reich war und jemanden brauchte, der seine Bücher in Ordnung hielt.


Ein Werbeplakat für Dr. Firemans Exorzismus-Gottesdienst.

Das klingt glaubwürdiger. Bist du jemandem außerhalb von Nigeria begegnet, der diese Kirchen in Frage stellt und daran zweifelt, ob wirklich etwas hinter dem Exorzismus und der Heilung steckt?
Einigen. Die meiste Kritik kommt von der anglikanischen Kirche. Die Katholiken sind auch keine großen Fans, weil sie Gemeindemitglieder an diese Kirchen verlieren. Weil die katholische Religion ein bisschen auf Wundern gegründet ist, haben sie dem, was die Pfarrer sagen, aber nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Die Anglikaner hingegen schon, weil sie niemals von irgendwelchen Wundergeschichten ausgegangen sind. Ansonsten seufzen die Leute still und heimlich deswegen, aber weil „alles für Gott” ist, kann man öffentlich nicht schlecht darüber reden.

Aber die Leute, die geheilt und exorziert werden, wirken sehr echt, oder?
Ja, so sah es auch für mich aus.

Also denkst du, dass die Prediger betrügerische Taktiken verwenden, die dazu beitragen, letztendlich mehr Geld zu machen?  
Das ist der schwierige Teil. Ich kann natürlich keine geheime Absprache beweisen, aber ich kann verstehen, warum die Leute in solchen Situationen mitspielen. Wenn man noch neu in der Kirche ist und bei vermeintlichen Exorzismen mitmacht, ist das auf jeden fall ein guter Weg, innerhalb der kirchlichen Hierarchie aufzusteigen und dem Pfarrer zu beweisen, dass man jemand ist, auf den man sich verlassen kann.


Hey kuckt mal, Werbung funktioniert!

Du betonst die große Anzahl winziger Kirchen, die überall aus dem Boden schießen. Wandeln sich viele von diesen jetzt auch der Wohlstandstheologie zu, um damit Geld zu verdienen?
Ja, sicher. Am Beunruhigendsten und Gefährlichsten ist, dass alle diese neuen Kirchen dazu neigen, sich diese Art der Wohlstandsreligion zu predigen und die dazu passenden Lesarten der Bibel in ihren Glauben mitaufnehmen. Sie neigen dazu, sich sehr ausführlich mit Wundern und so zu beschäftigen, was eine gute Möglichkeit ist, den Leuten das Geld aus der Tasche zu nehmen.

Sie glauben, dass es wahrscheinlicher wird, dass sie von einem Wunder heimgesucht werden, wenn sie der Kirche mehr Geld geben?
Ganz genau.

Bist du selber Christ? Bist du an diese Sache mit irgendwelchen Vorurteilen gegangen, was diese Pfarrer angeht?
Ich behaupte mal, dass ich bisschen religiöser als der Durchschnitt bin, aber immer noch sehr durchschnittlich. Ich habe diesen Film gedreht und wusste ungefähr, was dabei rauskommen würde, aber ich wusste nicht, wie verärgert ich über all das sein würde. Man muss über solche Mensch nachdenken, die so etwas tun. Fireman umgibt sich mit all diesen Typen in glänzenden Anzügen, während er sie dazu ermutigt, so viel Einkommen zu erwirtschaften wie möglich. Angesichts dieser Tatsache denkt man: „Ihr seid wirklich ein Haufen Arschlöcher.”


Fotos werden immer verschwommen, wenn der Teufel darauf fertig gemacht wird.

Ja, ein paar dieser Geschichten sind angsteinflößend, wie diese Frau, die all ihre Habseligkeiten der Kirche gegeben hat und mit nichts zurückgelassen wurde, weil ihr Pfarrer ihr erzählt, dass es Gottes Wunsch war.
So etwas ist auch nicht gerade selten. In England gibt es ähnliche Fälle, wo Kirchen HIV-infizierte Menschen überzeugt haben, dass sie aufzuhören sollen, ihre Medikamente zu nehmen, weil Gott sie angeblich heilen würde—diese Leute starben.

Oh Gott, das klingt nicht sehr christlich. Hast du dir diesen britischen Kirchen genauer angeschaut?
Ja, ich hab viel in England recherchiert. Diese Kirchen gibt es mittlerweile überall. Es gibt Nigerianer, die den amerikanischen Ethos nach Nigeria gebracht haben und jetzt bringen sie ihn wieder in die USA und predigen den Wohlstand in alten Kirchen aus dem 19. Jahrhundert. Sie gehen auch in Länder wie die Ukraine oder Thailand.

Wie werden sie in der Ukraine angenommen?
Wo auch immer es Nigerianer gibt, werden sie sehr gut angenommen, was ein beängstigender Gedanke ist.


Hier könnt ihr euch Nigeria’s Millionaire Preachers anschauen.