Bild: IMAGO / Ikon Images
Illustration von Sophie Chadwick
Früher an jenem Tag hatte mich meine Ärztin mit den Ergebnissen meiner Blutuntersuchung angerufen. Sie hatte mich angewiesen, sofort in die Notaufnahme zu gehen und zu sagen, dass meine Hämoglobinwerte gefährlich niedrig seien. Ich fühlte mich desorientiert und einsam und weinte still, während die Schwestern mir Plastikventile an den Arm hängten. Ich war so müde, dass ich kaum gehen konnte, und man schob mich in einem Rollstuhl die langen Krankenhauskorridore entlang. Sogar sitzen fiel mir schwer. Mein Körper klappte immer wieder in sich zusammen. Man kann sehr schnell vergessen, wie zerbrechlich der Mensch ist, wenn man die ganze Zeit so von einer Flut der Ablenkung vereinnahmt ist, dass man aufhört, auf seinen Körper zu hören. Doch an jenem Tag wurde mir mehr als deutlich vor Augen geführt, dass niemand unverwundbar ist.
Die extreme Müdigkeit hatte Ende Juni angefangen. Ich war gerade von einem Festival nach Hause gekommen und fühlte mich ein wenig erschöpft, nachdem ich so schwer getragen hatte, aber ich dachte, es würde mir schon wieder besser gehen, wenn ich mich den Rest des Tages ausruhte. Stattdessen wurde die Lethargie noch schlimmer. Alltägliche Aufgaben fielen mir extrem schwer. Ich fühlte mich die ganze Zeit völlig erschöpft und so frustriert, dass es mir Tränen in die Augen trieb. Ich kämpfte mit meiner Arbeit und konnte kaum einen Treppenabsatz hochgehen. Der Gedanke an mein normales, leichtes Workout füllte mich mit Anspannung—an den meisten Tagen konnte ich einfach nicht die Energie dafür aufbringen. Ich konnte mich nicht einmal in die Küche schleppen, um zu kochen, und sehr oft wollte ich einfach auf dem Sofa liegen und aufgeben. Ich hatte angefangen, mitten am Tag einzuschlafen.Jeden Monat, seit ich in die Pubertät gekommen war, hatte ich eine lebensbedrohliche Menge an Blut verloren—und ich hatte es für normal gehalten.
Anzeige
Es war eine Erleichterung, eine Diagnose zu bekommen und zu wissen, dass meine körperliche Erschöpfung einen Grund hatte. Die schwere Anämie war durch meine starken Monatsblutungen verursacht worden. Jeden Monat, seit ich in die Pubertät gekommen war, hatte ich eine lebensbedrohliche Menge an Blut verloren—und ich hatte es für normal gehalten. Nachtbinden mussten um Mitternacht gewechselt werden und an den schwersten Tagen konnte ich das Haus nicht ohne mindestens fünf Super-Tampons verlassen.MUNCHIES: Spinat hat nicht so viel Eisen, wie lange Zeit angenommen. Macht nichts, er ist trotzdem klasse.
Anzeige
Anzeige
„Eisenmangel wird bei menstruierenden Frauen als Indiz für eine Krankheit nicht so ernstgenommen wie bei Männern und Frauen nach den Wechseljahren", erklärt Sophie Osbourne, eine Ärztin.Ihre Aussage passt zu meiner eigenen Erfahrung—vor einem Jahr zeigten meine Blutwerte eine geringfügige Anämie, doch meine Ärztin hielt es nicht für wichtig genug, es mir mitzuteilen.„Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass ein geringfügiger Mangel sich zu einem schwerwiegenden Mangel entwickelt, wenn nicht noch andere Faktoren im Spiel sind", fährt sie fort. „Sehr schwere Monatsblutungen führen im Laufe der Zeit sicherlich zu schockierend niedrigen Eisenwerten."Osbourne erzählt mir, dass sie im Laufe ihrer Karriere bereits viele Frauen mit Eisenmangel eingewiesen hat. „In vielen Fällen hatte man Verdacht auf Darmblutungen, doch am Ende war die Menstruation schuld."In der Schule, in der Arbeit und in der Öffentlichkeit erfinden Frauen und Mädchen immer innovative Methoden, ihre Tampons auf dem Weg zur Toilette im Ärmel zu verstecken, oder diskret ihre Menstruationstassen auszuleeren. Das Stigma um Perioden brachte mir schon sehr früh bei, dass mit Körpern, die nicht männlich sind, Dinge passieren, die seltsam und falsch sind und über die man einfach nicht spricht.Ich hatte, als ich aufwuchs, keinen Richtwert oder Vergleich, an dem ich mich orientieren konnte, also hinterfragte ich auch nicht, was mit mir geschah.
Anzeige
Heutzutage sprechen wir nicht wirklich über Menstruation. Ich hatte, als ich aufwuchs, keinen Richtwert oder Vergleich, an dem ich mich orientieren konnte, also hinterfragte ich auch nicht, was mit mir geschah. Der Gedanke, mit meinen Freundinnen über meine Menstruationsprobleme zu sprechen, machte mich nervös und ich fühlte mich wie eine Betrügerin, wenn ich meinen Arbeitgebern sagte, dass ich aufgrund meiner Schmerzen nicht zur Arbeit kommen würde. Im Laufe der Jahre lernte ich, mit meinem Problem umzugehen. Mein Umstieg auf wiederverwendbare Tassen reduzierte peinliche Problem mit dem Auslaufen. Ich vermied Stresssituationen, was die monatlichen Schmerzen verringerte. Freiberuflich zu arbeiten, bedeutete, dass ich ein paar Tage freinehmen konnte, ohne mich schuldig zu fühlen, weil ich keine Chefs mehr hatte, vor denen ich mich rechtfertigen musste.Ein paar Tage nach meiner Bluttransfusion fühlte ich mich immer noch müde und frustriert. Ich rief meine Ärztin an. Ich hatte naiv angenommen, die Prozedur würde in etwa so wirken wie Handy-Aufladen—ich wurde mit Blut vollgepumpt und konnte wieder losziehen, so gut wie neu. Stattdessen schickten sie mich mit einer Tüte voller Medikamente nach Hause. Ich kam eine Zeit lang auf ganze 10 Tabletten am Tag, von denen die schwerwiegendste meine Periode komplett stoppen sollte, damit der schwere Blutverlust nicht die ganze Transfusion zunichte machen konnte.Es dauerte Wochen, bis ich mich wirklich erholt hatte. Ich bin immer noch nicht fertig mit dem Genesungsprozess, doch immerhin fühle ich mich wieder lebendig. Es sind die kleinen Dinge, wie schnell die Treppe hochlaufen, weil ich etwas vergessen habe, ohne dass ich innehalten und mich ausruhen muss. Es ist das Fehlen von bohrenden Kopfschmerzen. Es ist die Fähigkeit, auf mein Fahrrad zu steigen, ohne das Gefühl zu haben, dass ich gleich ohnmächtig werde. Mit der Lethargie kam auch ein Abstumpfen der Sinne, doch nun sind meine Emotionen auf überwältigende Dankbarkeit gepolt. Dass es mir besser geht, dank Fremden, die ihr Blut gespendet haben—Blut, das jetzt mein Blut ist—, erfüllt mich immer wieder mit Ehrfurcht. Ich habe immer noch ein bisschen Angst vor meiner Periode. Aber ich glaube, ich bin den schlimmsten ihrer Folgen entkommen—zumindest vorerst.VIDEO: Amazone Katerina ist vielleicht keine Feministin, aber mit dem weiblichen Körper kennt sie sich aus.