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Wir haben Christoph Birós Behauptungen zur Flüchtlingssituation überprüft

Der Chefredakteur der Krone Steiermark kommentiert die Lage in Spielfeld und erzählt dabei Geschichten, die von keiner Seite bestätigt werden können.

In der Krone Steiermark vom 25. Oktober 2015 wurde ein Kommentar von Chefredakteur Christoph Biró veröffentlicht, der seither für Aufregung sorgt. Darin ist die Rede von „Testosteron-gesteuerten Syrern, die sich äußerst aggressive sexuelle Übergriffe leisten", Afghanen, „die in ÖBB-Waggons die Sitze aufschlitzen" und Flüchtlingen, die die sanitären Einrichtungen in den Notquartieren nicht verwenden und ihr „Geschäft just daneben erledigen".

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Biró bezieht sich dabei auf die derzeitige Situation im steirischen Spielfeld. Tausende Flüchtlinge werden dort momentan erstversorgt und können in vier beheizten Zelten die Nacht verbringen, bevor sie an Notquartiere in ganz Österreich überstellt werden.

Der Kommentar zog eine Flut an Beschwerdemails nach sich und wurde bereits dem Presserat vorgelegt. Die Organisation SOS Mitmensch hat unterdessen eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Graz übermittelt. Das Problem mit den Aussagen von Christoph Biró ist nun mal, dass sie laut den zuständigen Stellen schlichtweg nicht der Wahrheit entsprechen.

Bei der Landespolizeidirektion Steiermark werden die Behauptungen Birós als unwahr bezeichnet: „Das können wir alles dementieren", so Pressesprecher Fritz Grundnig gegenüber VICE am Telefon. Weder über aggressive sexuelle Übergriffe von Syrern, noch über die erwähnten Flüchtlingshorden, die Supermärkte stürmen und Waren aufreißen, gäbe es Aufzeichnungen. „Natürlich kann ich nur für die steirische Situation sprechen, aber uns liegen keinerlei Anzeigen diesbezüglich vor."

Foto: Dagmar Engl / VICE Media

Einen Fall von Sachbeschädigung in einem ÖBB-Zug hingegen habe es tatsächlich gegeben—der Grund dafür waren jedoch nicht die von Biró genannten aufgeschlitzten Sitze, sondern ein kaputtes Fenster. Grundnig erklärt: „Das Fenster im Zug ließ sich nicht öffnen, und wurde daraufhin ,herausgekippt'."

Auch dem Roten Kreuz Steiermark, von dem zwei Notquartiere—das frühere Euroshopping-Center sowie ein ehemaliger Bellaflora—betreut werden, sind die Vorwürfe nicht bekannt. Dass etwa die sanitären Einrichtungen nicht verwendet würden, sei „einfach absurd". Außerdem, so Pressesprecher Valentin Krause, gäbe es „so viel wichtigere Dinge, über die berichtet werden sollte. Wie diese Menschen versorgt werden können, zum Beispiel."

Das vom Samariterbund Graz betreute Schwarzl Freizeitzentrum ist laut Polizei kein Notquartier für Flüchtlinge, sondern vielmehr eine vorübergehende Unterkunft für Menschen, die bereits einen Asylantrag stellen konnten. Auch dort werden Birós Behauptungen auf unsere Nachfrage hin abgestritten.

Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass Hörensagen-Geschichten zu Wahrheiten formuliert, Bilder aus dem Kontext gerissen und Märchen verbreitet werden, nur um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Autor Robert Menasse versucht das Ganze in Satire zu packen—und vielleicht ist das auch der einzig richtige Weg, der an der großen Verzweiflung vorbeiführt.

Update 24.10.2016: Christoph Biró muss sich wegen Verhetzung vor Gericht behaupten. Biró selbst sprach kurze Zeit nach der öffentlichen Kritik von einem "Fehler". Er habe das "Augenmaß verloren".

Franz auf Twitter: @FranzLicht