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Vice Blog

Dürfen Ärzte Asylwerber ablehnen?

In Notfällen müssen Ärzte immer Hilfe leisten. Aber was macht einen Notfall aus?

Am Mittwoch machte der Arzt Thomas Unden mit seiner Aussage, keine Asylwerber in seiner Praxis mehr zu behandeln, Schlagzeilen. Sein Fall wurde von der Wiener Ärztekammer jetzt an die österreichische Ärztekammer weitergegeben. Nun wird dort geprüft, ob sich Unden eines Disziplinarvergehens schuldig gemacht hat. Dieses könnte sowohl eine Geldstrafe oder Mahnung als auch ein Berufsverbot zur Folge haben.

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Weiters könnte es von der Ärztekammer als „erschwerend" bewertet werden, dass der Arzt bereits 2012 eine Strafe wegen seiner frauenfeindlichen Aussage in einer ATV-Sendung bekam, sagt die Leiterin der Stabsstelle Recht der Wiener Ärztekammer, Manuela Mangi.

Über Unden könnte also ein Berufsverbot verhängt werden. Sein Fall macht einmal mehr sichtbar, wie wichtig die Vertrauenswürdigkeit von (und unser Vertrauensverhältnis zu) Ärzten ist. Als Patienten sind wir ihren Einschätzungen oft genauso ausgeliefert wie ihrem Wohlwollen, was die Behandlung angeht. Darum lohnt es sich auch, zu fragen, was ein Arzt eigentlich darf und was nicht.

Darf ein Arzt Patienten ablehnen?

Grundsätzlich darf ein Arzt in begründeten Fällen Patienten ablehnen. Zum Beispiel, wenn diese randalieren oder den Arzt angreifen—also in sehr speziellen Fällen mit sehr konkreten Anlässen. Das Ganze nennt sich dann Privatautonomie. Diese ist im Gegensatz zu Privatpersonen bei Ärzten aber stark eingeschränkt. „Einfach eine Gruppe auszuschließen, ist nicht zulässig. Nur weil jemand Asylwerber ist, darf das kein Grund für einen Ausschluss sein", erklärt Mangi. Zudem sind Asylwerber und Personen mit anerkanntem Asylstatus über die Gebietskrankenkassen versichert und müssten daher genauso wie andere Versicherte behandelt werden.

Thomas Ratka—Professor für Medizinrecht an der Donau-Uni-Krems—sagt, dass diese Ausschließung vermutlich standeswidrig ist. „Standesrecht gibt es in vielen Branchen. Wenn ich jetzt zum Beispiel Rechtsanwalt bin und im Stadium zum Hooligan werde und Raketen schieße, dann handle ich ja auch standeswidrig. Genauso wenig geht es, zu sagen, dass man als Arzt nur mehr Pensionisten oder eben keine Asylwerber mehr behandelt", sagt Ratka.

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Ab wann gilt ein Notfall als Notfall?

In Notfällen müssen Ärzte immer Hilfe leisten. Aber was macht einen Notfall aus? Herrscht akute Lebensgefahr, muss ein Arzt immer helfen—das gilt aber nur in wirklich lebensbedrohlichen Situationen. Hat ein Patient zum Beispiel Fieber, reiche das nicht als Grund, so die Rechtsexpertin der Ärztekammer.

Grundsätzlich gibt es aber keine Behandlungspflicht in Österreich. „Man kann theoretisch den Herrn Unden nicht zwingen, Asylwerber zu behandeln. Außer es ist ein Notfall und die Person schwebt in Lebensgefahr, dann muss er behandeln, wenn er sich nicht strafbar machen will", sagt Ratka.

Was sagt der hippokratische Eid aus und was passiert, wenn ein Arzt ihn bricht?

Der Eid ist bereits über 2000 Jahre alt und Ärzte sind ihm—entgegen anders lautender Meinungen—nicht mehr direkt verpflichtet. Trotzdem ist der Inhalt interessant: Am Anfang geht es im Eid lange um Geld—zumindest indirekt. Der Eidleistende verspricht, dass er seinen Lehrer ein Leben lang achtet und versorgt—ein bisschen wie eine Pensionsversicherung. Weiters verspricht man, Patienten vor Schädigung und Unrecht zu bewahren, keinen sexuellen Kontakt mit Patienten zu haben und die ärztliche Schweigepflicht zu achten.

Auch noch interessant und heute stark diskutiert ist diese Passage: "Ich werde aber nicht und ganz und gar nicht (und) niemandem, auch nicht auf eine Bitte hin, ein todbringendes Mittel geben, und ich werde auch nicht einen solchen Ratschlag erteilen; ebenso wenig werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben." Es brechen also Länder, in denen Sterbehilfe und Abtreibungen erlaubt sind, den Eid.

Früher stellte er nicht nur einen ethischen Code dar, sondern auch eine Standesordnung. Wäre dieser heute noch verpflichtend, dann müssten Studenten zum Beispiel ihre Professoren wie Väter behandeln und Blasensteine dürften nicht operiert werden.

Eva, die lieber mal Recht studiert hätte, auf Twitter: @immerwiederEva