FYI.

This story is over 5 years old.

Die Geschichte des Südsudan

Öl und Wasser

Man könnte die neuere Geschichte des Sudans als einen einzigen, langen Krieg mit vereinzelten Ruhetagen beschreiben. Doch trotz der Krisen ließ sich der Sudan nicht davon abhalten, nach Ölvorkommen zu suchen.

John Garang, der ehemalige Anführer der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee im April 1986. STR/AFP/Getty Images

Man könnte die neuere Geschichte des Sudans durchaus treffend als einen durchgängigen Krieg mit vereinzelten Ruhetagen beschreiben.

Der erste große Aufstand des letzten Jahrhunderts fand 1955 statt, als südsudanesische Soldaten einer Garnison der Sudan Defence Force in Torit, Äquatoria, eine Meuterei anzettelten. Sie war das Ergebnis einer Verkettung von Ereignissen, ausgelöst durch die arabisch geführte Regierung, die zuvor falsche Versprechungen hinsichtlich einer gleichberechtigten Repräsentation des Nordens und des Südens im föderativen System gemacht hatte. Die anfängliche Rebellion war weder besonders gut organisiert noch wirklich effektiv. Doch Khartoum schaffte es nicht, sie niederzuschlagen, und so konnte sich der Protest auch in den ländlichen Gebieten des Südens breitmachen. Dort legten Guerilla-Kämpfer die Saat für eine klarer definierte Sezessionsbewegung.

Anzeige

Knapp ein Jahrzehnt später folgte ein relativ unspektakulärer, dafür aber sehr lang andauernder Buschkrieg. Die Stämme der Acholi, Bari, Dinka, Madi, Nuer und Lotuko übten permanent Überfälle auf sudanesische Militäreinheiten aus, sodass sich die mehrheitlich aus nervösen Wehrpflichtigen bestehenden Regierungstruppen in belagerte Garnisonen zurückzogen.

1963 lief der sudanesische Offizier Joseph Lagu, ein Angehöriger des Madi-Stammes, über, und schloss sich der Sache des Südens an. Er verpasste der Widerstandsbewegung—die bis dahin kaum mehr als eine Reihe regionaler, nur lose verbundener Aufstände gewesen war—eine professionelle militärische Struktur und sicherte sich die Unterstützung Israels und anderer Länder, die die Bewegung militärisch ausbildeten und mit Waffen versorgten. Das Ergebnis war eine Rebellenarmee, die den Namen Anyanya—„Schlangengift“—erhielt.

Trotz der Rebellion ließ sich der Sudan nicht davon abhalten, nach Ölvorkommen zu suchen. 1959 begann eine Reihe europäischer und amerikanischer Firmen damit, im Norden nach Öl zu bohren. Als dies ohne Erfolg blieb, verlagerte man die Suche weiter in den Süden, wodurch sich der Krieg von einem Kampf um Territorium zu einem Ressourcenkonflikt entwickelte.

Am 25. Mai 1968 putschte Oberst Dschafar Muhammad an-Numairi gemeinsam mit drei weiteren führenden Militärs die Zivilregierung aus dem Amt. Numairi hatte in Juba gedient und brachte eine Sensibilität für regionale Probleme mit. Seine Politik der Verstaatlichung und sein Verständnis für die Belange der Südsudanesen brachten dem Land etwas Stabilität, da er die Notwendigkeit erkannte, Lösungen für die Beschwerden des Südens zu finden. Die konnte man zum großen Teil durch eine Teilautonomie der Region aus der Welt schaffen. Doch trotz seiner sozialistischen Orientierung war Numairi nicht dazu bereit, an kolonialen Trennungslinien zu rütteln.

Anzeige

Zu diesem Zeitpunkt bekam die Anyanya Unterstützung vom Befehlshaber der ugandischen Armee, Idi Amin, der dem Kakwa-Stamm angehörte und aus dem Grenzgebiet zum heutigen Südsudan im hohen Norden Ugandas stammte. Amin heuerte den deutschen Söldner Rolf Steiner, ein Veteran des Biafra-Krieges, an, um die Rebellen militärisch auszubilden.

Es dauerte jedoch nicht lange, bevor Lagu und Steiner anei­nandergerieten und Lagu dem Glücksritter befahl, den Sudan zu verlassen. Einer von Lagus Nachwuchsoffizieren war ein junger Dinka namens John Garang, der sich im Oktober 1970 ganz dem Kampf verschrieb.

In Anbetracht des drohenden Kontrollverlustes über die Hälfte des Landesterritoriums setzte die sudanesische Regierung Friedensgespräche an, durch die der „Siebzehnjährige Krieg“, wie man den Konflikt mittlerweile nannte, beendet werden sollte. Am 27. Februar 1972 hatte der Sudan in Addis Abeba schließlich ein Friedensabkommen ausgehandelt, welches das Land zwar einte, aber auch die Blaupause für den nächsten Krieg schuf: In dem Abkommen fand Öl keinerlei Erwähnung, und der dürftige Plan, die Anyanya-Rebellen in die sudanesische Armee zu integrieren, war von Anfang an zum blutigen Scheitern verurteilt.

1974 begann Chevron in den frisch befriedeten Regionen des Süd- und des Zentralsudans mit der Suche nach Öl. Die erste Quelle wurde 1978 in Bentiu entdeckt, einer Stadt, die mitten im heutigen Norden des Südsudans liegt, der Heimat der Dinka und der Nuer.

Die Entdeckung von Öl veranlasste die Regierung dazu, die internen Grenzen des Sudans neu zu ordnen. 1980 schuf sie in der Region Greater Upper Nile den Bundesstaat Unity, wobei sie die Grenzen um die Gegend von Bentiu derart umgestaltete, dass sich die Stadt und ihr Öl nun unter der Kontrolle des Nordens befanden. Südsudanesische Soldaten wurden in Unity durch Regierungstruppen aus dem Norden ausgetauscht. Die Provinzregierung des Südens wandte ein, dass sich das Öl unter Stammesgebiet befand, und wollte es über Lamu nach Kenia transportieren. Wie nicht anders zu erwarten setzte sich der Norden durch und sicherte sich die volle Kontrolle über die Reserven.

Als Folge davon wurde der Süden nun in drei Regionen aufgeteilt. Mithilfe von Chevron sicherte sich Numairi die Unterstützung der USA und knüpfte gleichzeitig Verbindungen zu den von Hasan at-Turabi angeführten Islamisten. Während der Ölkrise 1973 bekam Numairi von George H. W. Bush, damals UN-Botschafter der USA, den Tipp, dass amerikanische Spionagesatelliten potenzielle Erdölvorkommen unter dem Sudd ausgemacht hatten, in einem Gebiet zwischen Bentiu, Malakal und Nasir. Bush machte Numairi daraufhin mit einigen begierigen amerikanischen Ölfirmen bekannt. Chevron sollte in der Folge 880 Millionen Dollar investieren und mehr als 80 Ölquellen bohren. Man fand Öl von Kordofan bis Melut und entfachte damit einen weiteren Konflikt, der die nächsten drei Jahrzehnte anhalten sollte.

Im September 1983 schaffte die sudanesische Regierung sämtliche politischen Parteien ab und wandte sich einer strikten Auslegung der Scharia zu, womit sie gegenüber dem christlichen und animistischen Süden einen harten Kurs einschlug. Zudem schaffte sie die Autonome Region Südsudan ab, die 1972 im Zuge des Addis-Abeba-Abkommens etabliert worden war.

Kurz darauf gab Garang die Bildung der Südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung und -armee bekannt. Somit begann der Zweite Sudanesische Bürgerkrieg.