Ich will ehrlich sein: Point-and-Click-Adventures haben mich schon immer frustriert. Dumpfes Kombinationsausprobieren, bis man endlich den Löffel mit dem Bunsenbrenner verbunden hat, um aus dem Kellerverlies zu entkommen, ist nicht meine Vorstellung von einer spaßigen Beschäftigung, und wenn irgendein Spiel Schieberätsel enthält, weiß ich, dass ich verloren bin. Wenn man das Prinzip des Entdeckens und Kombinierens auf seine rudimentärsten Elemente runterbricht, landet man ziemlich schnell bei Escape Games, kurzweiligen, oftmals auch visuell sehr simpel gehaltenen Spielen, bei denen man sich den Weg nach draußen (aus einem oder mehreren Räumen) bahnen muss. In aller Regel funktioniert das über das Kombinieren verschiedener Gegenstände, das Lösen von Rätseln wie Schiebepuzzlen und das Finden von Zahlenkombinationen und Schlüsseln. Falls ihr einen langweiligen Bürojob habt, in dem ihr euch unauffällig die Zeit vertreiben wollt: Es gibt ziemlich viele Websites, die Hunderte Titel anbieten, die ihr direkt im Browser spielen könnt.
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Während die Gamingbranche seit ihren Anfangstagen von der perfekten virtuellen Realität träumt und ebenjener durch 3D-Devices wie dem Oculus Rift immer näher kommt, sind es Escape-The-Room-Spiele, die den Sprung in die wirkliche, richtige Realität geschafft haben. In mehreren deutschen Großstädten kann man sich mittlerweile als Gruppe in ein Kabuff einsperren lassen, aus dem man wahlweise entkommen oder in dem man eine bestimmte Aufgabe lösen muss. Auf den Knien durch nachgebaute Detektivbüros rutschen und verzweifelt nach Hinweisen suchen, während sich im Hintergrund die Teammitglieder gegenseitig anbrüllen, weil die Zeit (in aller Regel 60 Minuten) knapp wird—das klang nach so viel Spaß, dass meine VICE-Kollegen und ich das unbedingt mal ausprobieren wollten. Ohne zu viel zu verraten: Wir wurden nicht nur mit singenden Gruselpuppen konfrontiert, sondern haben auch schockierende Einblicke in unser Innerstes gewonnen.(Anmerkung: Es ist ein bisschen schwierig, über die Spielerfahrung zu sprechen, ohne irgendetwas vorwegzunehmen. Wir haben uns aber bemüht.)
THE ROOM
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Ein vom Grundsatz her ziemlich simples Spielprinzip, das The Room mit all seinen Berliner Mitbewerbern teilt. Auch überall dabei: eine Überwachungskamera und ein Flachbildschirm, über den uns der Spielleiter Tipps geben kann, falls wir an einer Stelle nicht weiterkommen. Das The-Room-Team wird uns sehr viele Tipps geben müssen, aber das wissen wir zu Beginn noch nicht.Wir starten in einem gemütlich wie detailverliebt eingerichteten Kommissariat der 20er Jahre—samt Hut, Aktenordnern und Plastikkuchen auf dem Beistelltisch. Mit Geheimfächern, versteckten Türen, hochfahrenden Gemälden und dem Schlusselement, das direkt aus einem Horrorstreifen zu stammen scheint, wirkt das Ganze vor allem wie ein mit viel Liebe zum Detail gestaltetes Filmset. 75 Minuten (eine Stunde und 15 Mitleidsminuten) später befinden wir uns wieder im Eingangsbereich von The Room und sind zu gleichen Teilen beschämt wie glücklich. Beschämt, weil wir uns—nach Aussage der Betreiber—beim letzten Rätsel wirklich ungewöhnlich dumm angestellt haben. Glücklich, weil wir uns trotz allem wie eine übermächtige Mischung aus James Bond und Sherlock Holmes fühlen.
EXIT
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Die Schmach sitzt tief, die Wut auf den uneinsichtigen Spielleiter noch tiefer. Glücklicherweise bietet Exit im Gegensatz zu den Mitbewerbern auch Alkohol an und wir machen uns, wiedervereint und mit Bierflaschen und ein bisschen Wodka bewaffnet, an den zweiten Raum, in dem wir einen wahnsinnigen Chemiker davon abhalten sollen, den Meth-Markt von New Mexico … das Berliner Grundwasser zu vergiften. Souverän lösen wir die Rätsel um chemische Formeln und eine Mikrowelle in Beinahe-Rekordzeit, die ganz große Euphorie zum Schluss bleibt jedoch aus. Irgendwie fühlen sich Detektiv-Storys aus einer komplett anderen Zeit dann doch ein bisschen intensiver an.Während Exit auf junge Partytouristen ausgelegt scheint, ist Questory in Kreuzberg ein Angebot für die richtigen Nerds. Der einzige Raum in der Souterrain-Wohnung wirkt vor allem ziemlich urig, im Vorraum sind sogar alte Zeitschriften ausgelegt, um die Illusion eines Berlins in den 60er Jahren aufrecht zu erhalten. Beim Spiel selbst sollen wir einen Anschlag auf John F. Kennedy vereiteln, nur damit er dann noch ein paar Monate länger leben kann und wenigstens nicht Berlin umgebracht wird. Weil wir den Fall ja lösen werden. Klar. Zu Beginn wissen wir allerdings weder wann noch wo oder wie.Beim Durchsuchen der alten Möbelstücke, Schriftstücke und des prominent platzierten Radios, offenbaren sich Kommunikationsprobleme ebenso schnell wie allgemeine Charakterschwächen. Zunehmend wütend wiederhole ich, dass ich herausgefunden habe, in welchem Stadtteil wir gerade sind, während zwei meiner Kollegen—anscheinend zutiefst entschlossen, mich zu ignorieren—auf eine Schreibmaschine starren. Eine halbe Stunde später wird jemand anderes triumphierend rufen, wo wir uns befinden. Toll. Sie haben Glück, dass das Rätsel um den geplanten Mord an JFK kurz darauf gelöst ist und wir nicht noch eine Stunde in dem kleinen Zimmer verbringen müssen. Sonst hätte ich wohl jemanden mit einem der alten Trenchcoats erstickt. Ich glaube, ich bin mehr so der Typ für Ein-Mann-Missionen.
QUESTORY
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