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Ich habe eine seltene Störung, wodurch alles wie auf einem Magic-Mushroom-Trip aussieht

"Es handelt sich dabei wirklich um ein einzigartiges neurologisches Problem", findet der Neurologe Dr. Jason Barton.

Foto von Jackie Dives

Ich lebte auf einem Berggipfel in der Region der Kootenays in der kanadischen Provinz British Columbia, als ich merkte, dass mit meinen Augen etwas nicht stimmte. Ich sah in völliger Dunkelheit helle Muster. Diese Muster wirbelten und wandelten sich. Sie waren immer da, Tag und Nacht. Ich litt zur selben Zeit an schrecklichen Migränen, also machte ich mir Sorgen, dass da ein Zusammenhang bestehen könnte. Den gab es auch tatsächlich, doch zum Glück nicht auf die furchteinflößende Oh-mein-Gott-es-ist-ein-Tumor-Art, wie ich anfangs angenommen hatte.

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Nach Monaten der Tests und der händeringenden Wartezeit diagnostizierte der Optho-Neurologe Dr. Jason Barton bei mir eine Störung namens Augenrauschen oder "Visual Snow". "Sie werden nicht blind und Sie bilden es sich auch nicht ein", versicherte er mir. "Es handelt sich dabei wirklich um ein einzigartiges neurologisches Problem."

Die Symptome sind vielseitig, vom typischen Migränezeug bis hin zu den trippy Aspekten, die ich durchgehend erlebe: Gegenstände ziehen eine Spur oder einen Kometenschweif hinter sich her (das wird Palinopsie genannt) und mein Sichtfeld zieren starke Farbkontraste und glimmernde Lichter. Ich kann nur schwer auf Raster und geometrische Muster sehen. Die Erfahrung ist sehr psychedelisch und die Muster sind wirklich überall.

Von Bartons etwa 7.000 Patienten und Patientinnen in den letzten 7 Jahren hatten, mich mitgezählt, etwa 16 diese "kuriose und interessante" Störung. Wir 16 haben zumindest genug gemeinsam, um zu dieser Diagnose zu gelangen.

In einer Forschungsarbeit von 2014, die in der Fachzeitschrift Brain erschienen ist, wird die Störung sowohl von einer anhaltenden Migräneaura (die visuelle Komponente einer Migräne) als auch von LSD-Flashbacks, offiziell Hallucinogen Persisting Perception Disorder genannt, abgegrenzt. Die Arbeit listet die verschiedenen Symptome auf und fasst sie alle unter dem Begriff des Augenrauschens zusammen, doch jemandem wie mir, die Fragen zu den Ursachen und Behandlungsoptionen hat, bringt das nicht viel.

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Raster, sage ich euch | Foto: Lee Glickenhaus | Flickr | CC BY 2.0

Unweigerlich fragte ich mich, ob diese visuelle Störung von meinem Psychedelika-Konsum herrührte, oder vielleicht von den Medikamenten, die ich nahm, um meine Migräne in den Griff zu kriegen. Hatte ich mir das etwas selbst angetan? Oder hatte ich einen Hirnschaden? Stimmte etwas mit meinem Nacken nicht? Eine Gehirnerschütterung? Oder Krebs? Ich versuchte, mich nicht hinreißen zu lassen, meine Symptome zu googeln, und kämpfte um einen Termin bei einem Spezialisten.

Zuerst kam ich nicht zu Dr. Barton, sondern zu einer Assistenzärztin. Sie testete meine Reflexe und meine periphere Sicht.

Dann forderte sie mich auf, die Wand anzusehen. Sie leuchtete mir auch mit einem grellen Licht direkt ins Auge und sagte, ich solle Bescheid geben, wenn ich wieder sehen könne. Der Fleck blieb. Es dauerte so lang, bis ich wieder normal sehen konnte, dass es schon unbehaglich wurde, wie sie wartete und sanft nachfragte, während ich versuchte, mir die Panik nicht anmerken zu lassen. Diese Untersuchung war die einzige, bei der meine Sicht sich merklich anormal verhielt.

Ein Arzt, der sich nicht mit Augenrauschen auskennt, könnte es auch als einen ganz normalen Vorgang verkennen, sogenannte entoptische Phänomene, oder Potentialschwankungen der Photorezeptoren. Zu einem gewissen Grad sehen alle Menschen Rauschen, doch jene wie ich, die Augenrauschen haben, sehen mehr von dieser normalerweise unsichtbaren Information. Oft geht diese Störung Hand in Hand mit Tinnitus, woran ich auch leide. Es ist, als könnten Teile meiner Augen und Ohren nicht abschalten.

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"Die meisten von uns sind sich in einer stillen Umgebung eines gewissen Hintergrundsummens bewusst", erklärt Dr. Barton. "Im Fall der Sicht sind die meisten von uns sich nicht bewusst, dass sie eine gesprenkelte Textur hat, aber wer auf einen wolkenlosen blauen Himmel oder eine glatte weiße Wand schaut, wird vermutlich schon sagen können, dass es ein Rauschen oder gesprenkeltes Muster gibt. Normalerweise sind wir uns dessen aber nicht bewusst."

Foto von Jackie Dives

Weil ich an schlimmen Migränen leide, habe ich auch wellige Muster in der Mitte meines Blickfelds. Sie sehen aus wie weit entferntes Hitzeflirren über einer Straße. Wenn eine Migräne im Anmarsch ist, nimmt alles, auch das Rauschen, zu und wird intensiver. Ich lebe in Vancouver, wo zur Zeit die Kirschbäume blühen; das Muster der Blüten auf dem grauen Gehweg kann manchmal zu viel sein.

Auch meine Farbwahrnehmung leidet, sodass ich zum Höhepunkt einer Migräneattacke ein grünliches und ein rötliches Auge habe. Es ist ein bisschen, als hätte ich eine 3D-Brille auf, nur mit unaussprechlichen Schmerzen.

Laut der neuesten Forschung zu der Störung liegt die Ursache im Gehirn und nicht im Auge, und hängt vermutlich mit dem Botenstoff Serotonin zusammen. Drogen wie LSD, MDMA, Psilocybin und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer verändern alle den Umgang des Hirns mit Serotonin.

Das letzte Mal, dass ich Psychedelika zu mir genommen habe, waren es Pilze, die ich eigenhändig gesammelt und getrocknet hatte. Meine Freundin und ich zogen sie uns rein, doch ich nahm nur eine kleine Dosis. Wir liefen um einen Teich, wieder und wieder. Wir brauchten Stunden, bis wir kapierten, wie man auf der Straße läuft.

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Diese Pilze willst du nicht essen: Lies auf MUNCHIES, warum Nuss-Nougat-Creme nicht gut für dich ist

Gerade als die Pilze anfingen, ihre Zauberkraft zu entfalten, verlor das Erlebnis für mich seinen Reiz. Die Gefühle des Pilzrauschs waren angenehm, doch durchzogen von einer wachsenden Bestürzung, wie ich sie noch nie gespürt hatte. In diesem Moment wurde mir klar, was die Optiken, wie ich sie inzwischen nannte, bedeuteten.

Als die wunderschönen Farben des Frühlings und das Wasser des Teichs einen psychedelischen Schimmer entwickelten und dieses besondere Aussehen annahmen, als würde alles vor Leben strotzen, wollte ich den Trip am liebsten abbrechen. Es ähnelte so sehr meinen alltäglichen Erlebnissen, dass es nicht besonders oder schön war. Die Optiken waren einfach nur intensiver als die, mit denen ich jeden Tag klarkommen musste.

Barton sagt, einige Leute, die an der Störung leiden, würden vom Konsum illegaler Halluzinogene berichten, während andere das Phänomen bemerken würden, nachdem sie ihre Antidepressiva abgesetzt hätten.

Im neuesten Fall, den Barton diagnostiziert hat, traf das auch zu: Nachdem sie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer abgesetzt hatte, hatte die Patientin "verwehten Regen" in ihrer Sicht. Ich experimentierte selbst um die Zeit herum, als mir das Augenrauschen auffiel, mit Sumatriptan, einem Mittel, das sich auf Serotonin auswirkt und das bei Migräne helfen soll.

Foto von Jackie Dives

Laut Barton wissen Neurologen schon lange, dass ein Herumspielen an den Serotonin-Werten beeinflussen kann, wie das Gehirn visuelle Informationen verarbeitet. Auch die vorige Generation der Medikamente, die heute durch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ersetzt wurde, war bekannt dafür, Palinopsien auszulösen. Die Verbindung zum Serotonin kommt bisher einer Erklärung dafür am nächsten, warum das Rauschen zumindest in meinem Fall an psychedelische Halluzinationen erinnert.

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Barton hat versucht, Medikamente zu verschreiben; in einem Fall hat er ein ganzes Jahr lang experimentiert. Er sucht auch Methoden, um die Vorgänge zu testen und anhand dieser Tests besser zu erklären, wie diese chemischen Systeme sich auf anscheinend völlig unterschiedliche Hirnareale auswirken.

Pharmazeutische Behandlung ist für mich nicht attraktiv. Stattdessen versuche ich mein Bestes, das seltsame visuelle Abenteuer schätzen zu lernen, auf das mich mein Gehirn mitnimmt. Die Welt ist jeden Tag ein faszinierender, psychedelischer Ort.

Erst gestern Abend war ich bei einer Dinnerparty und ging dort auf die Toilette. Das Bad war komplett weiß gefliest. Auf dem Boden hatten die Fliesen nur eine Seitenlänge von zwei bis drei Zentimetern. Mein Gehirn sah darüber noch ein weiteres glitzerndes, texturiertes Raster, das auf dem Bodenmuster tanzte. Es war schön, und wenn ich die Zeit gehabt hätte (denn ich kann mich nicht auf dem Klo verstecken wie eine 15-Jährige bei einer Erwachsenenparty), dann hätte ich mich dort gut eine Stunde aufhalten und darin verlieren können.

Ich glaube, mein Teenager-Ich würde das hier für ziemlich cool halten, und manchmal ist es das auch. Ich mag die Vorstellung, ein seltsames Gehirn zu haben. Mir gefällt vor allem, dass meine Störung nicht degenerativ ist.

Und was die psychedelischen Substanzen angeht … der gesunde Menschenverstand und meine ärztlichen Anweisungen sagen mir deutlich, dass ich das wohl in Zukunft lassen sollte. Mal sehen, wie das läuft.