Wenn Menschen das tun, was sie glücklich macht

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Wenn Menschen das tun, was sie glücklich macht

"Ein Freund meinte mal zu mir: 'Glück ist wie Mathe, man muss das Ganze erst lernen.' Das fand ich richtig schön und auch zutreffend."

Ungarn gilt in den Augen vieler Menschen immer noch als ziemlich trostloses Land. Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Staat dazu noch zum sechsten Mal in Folge als schwermütigste Nation der Welt abgestempelt. Die erschütternde Vergangenheit hilft auch nicht gerade dabei, diesem Ruf entgegenzuwirken.

Für die Fotografin Eva Szombat ist das alles jedoch Bullshit vergangener Tage. Sie hält nichts von Ungarns angeblicher Neigung zur Traurigkeit und konzentriert sich mit ihrer Arbeit deshalb lieber auf das Streben nach Glück in all seinen Formen. 2013 veröffentlichte sie mit ihrem Werk Happiness Book zum Beispiel einen gewollt kitschig anmutenden Guide zum Glücklichsein. Jetzt steht dessen Nachfolger Practitioners in den Startlöchern—und darin geht es um Menschen, die ihr Glück voll ausleben und all die Sachen tun, die ihnen am meisten Spaß machen. Von Ballonkünstlern bis hin zu Froschsammlerinnen sind dabei die verschiedensten Leute vertreten.

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Ich habe mich mit Eva in Verbindung gesetzt, um mit ihr über das Streben nach Glück, über Liebe und über das perfekte Leben als Grund zur Traurigkeit zu sprechen.

VICE: Hey Eva. Warum bist du so vernarrt darin, Glück und Freude zu fotografieren?
Eva Szombat: Ungarn beschweren sich gerne über total unwichtige Dinge. Keine Ahnung wieso, aber irgendwie ist das hier Tradition—vielleicht liegt uns das einfach in den Genen. Ich bin jedoch der Meinung, dass es hier gar nicht so schlimm ist. Ein Freund meinte mal zu mir: „Glück ist wie Mathe, man muss das Ganze erst lernen." Das fand ich richtig schön und auch zutreffend. So ist dann alles ins Rollen gekommen. Der Titel Happiness Book ist auch ironisch gemeint, weil man annehmen könnte, in dem Werk Anleitungen zum Glücklichsein zu finden.

Dein aktuelles Projekt Practitioners kommt im Vergleich zu deinen früheren Arbeiten viel dokumentarischer rüber. Woran liegt das?
Bei Practitioners geht es um echte Menschen. Durch sie ist mir klar geworden, dass der wichtigste Weg zum Glück Beziehungen sind. Die Liebe, die Menschen und der Wert dieser Beziehungen sind dabei die entscheidenden Aspekte.

Sind die fotografierten Leute Bekannte von dir?
Einige von ihnen sind meine Freunde, ja. Mit dem Typen mit dem Krokodil bin ich sogar zusammen. Wir waren mit Freunden im Urlaub und er ist einfach in einen Teich voller Seerosen gesprungen. Außerdem habe ich meinen Kumpel Zoli abgelichtet. Er arbeitet in einem Hotel und wohnt in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung kurz außerhalb der Stadt. Außerdem ist er als DJ unter dem Künstlernamen „Galactic Jackson" tätig und sammelt dazu noch Schallplatten sowie seltene Synthesizer. Seine Synthesizer-Sammlung dürfte sogar mit die größte in ganz Ungarn sein. Eines seiner weiteren Hobbys ist es, berühmte Album-Cover nachzustellen—so kam auch das Freddie-Mercury-Tribute zustande. Er ist ein richtig cooler Typ und immer gut drauf. Für mich ist sein Leben wirklich perfekt.

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Wie hast du dann deine anderen Motive gefunden?
Vor allem durch Hören-Sagen. Ein Freund hat mir von dieser älteren Dame Namens Maria erzählt, die Spielzeugfrösche sammelt. Ich habe sie also angerufen und gefragt, ob ich sie fotografieren darf. Später habe ich dann herausgefunden, dass sie mit dem Sammeln angefangen hatte, als sie an Krebs erkrankt war. Ihre Freunde und ihre Familie haben ihr diese Frösche geschenkt, weil sie wussten, dass sie die mag. Sie hatte irgendwann so viele davon, dass sie sich dazu entschied, mit dem Sammeln anzufangen. Es machte ihr unglaublich viel Freude. Sie ist auch davon überzeugt, dass ihr Hobby ihr dabei geholfen hat, den Krebs zu besiegen.

Erika, die Ballonkünstlerin, habe ich bei einer Veranstaltung kennengelernt, wo sie Ballons geformt hat. Sie sah so glücklich dabei aus, also habe ich sie gefragt, ob sie Teil meines Projekts sein möchte. Sie willigte ein, sagte mir aber, dass sie sehr schockiert gewesen sei, dass ich sie als glücklich wahrgenommen hätte. Zwei Jahre zuvor hatte war ihr Sohn an Krebs gestorben. Sie war schwer depressiv, aber sie hatte auch einen Mann und ein weiteres Kind, ein kleines Mädchen, um die sie sich kümmern musste. Ihre Tochter mochte Ballons, also kaufte Erika ein kleines Set zum Ballonmodellieren für Kinder und fing damit an, Ballonmodelle zu machen, um sie aufzumuntern. Es war die erste Sache, die ihr dabei half, nicht ständig an den Verlust des Sohnes zu denken. Es hat ihr sehr viel Freude bereitet und jetzt macht sie es professionell. Ich habe auch einen Ballonengel fotografiert, den sie für ihren Sohn gemacht hat.

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Sind diese traurigen Geschichten aus der Vergangenheit der Menschen bezeichnend für dieses Projekt?
Ich glaube, dass Menschen, die immer alles gehabt haben, nicht wirklich glücklich sind. Sie wollen immer mehr. Die Arbeit an diesem Projekt hat mir gezeigt, dass Menschen, die Probleme überwunden haben, das Leben tendenziell viel mehr zu schätzen wissen. Ich wollte damit zeigen, dass man sich nicht ständig fragen soll „Was brauche ich noch alles?" oder „Ich will mehr davon". Die Menschen in Practitioners haben alle miteinander gemein, dass sie eine sehr andere Vorstellung von Glück haben. Sie wissen, dass es darum geht, die kleinen Dinge wertzuschätzen. Ich weiß diese Menschen wirklich sehr zu schätzen—sie inspirieren mich und ich will, dass sie auch andere inspirieren.

Weitere Arbeiten von Eva findest du auf evaszombat.com .