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THE GRIEVIOUS SINS ISSUE

VICE Reviews

Hier die neuen Reviews

WIRE
Change Becomes Us
Pink Flag/Cargo
9
Live machten Wire zuletzt ein etwas schwächelnden Eindruck, aber im Studio gelang ihnen bei den Aufnahmen zum 13. Album ihrer Karriere erneut mehr als 99 Prozent aller wiedervereinigten Bands. Irgendwie ist es der Band, insbesondere Sänger und Gitarrist Colin Newman gelungen, den Kern ihres Schaffens zu bewahren—eine rätselhafte Entrücktheit mit der klaren Eleganz einer Ballard-Novelle. Natürlich, was auf alten Punk-Compilations noch, um das Mode-Diskurs-Wort „alienated“ zu vermeiden, extrem weit draußen oder auch außerirdisch wirkte, geht heute als gefällig, schlimmstenfalls milde versponnen durch.
BRUCE GILBERT WAS A FRIEND OF MINE MAJOR LAZER
Free The Universe
Secretly Canadian
1
Zu irgendeinem Zeitpunkt—vermutlich nachdem Switch Major Lazer verlassen hatte—dachte sich Diplo, dass er genug Songs über „money making“ und „fucking bitches“ gemacht hätte und er jetzt ein Konzeptalbum über die Befreiung der Welt von „mental slavery“ veröffentlichen wolle. Was ja ok wäre, aber Major Lazer ist halt ein jamaikanischer Cyborg, der seinen Arm in einem Zombie-Krieg verloren hat und auf Partys mit seinem raketenbetriebenen Hoverboard auftaucht. Wenn also Wyclef „Motorrad“ Jean über ein Eagle Eye Cherry Sample irgendeinen austauschbaren Murks von „if you can see it, you can be it“ säuselt, befreit sich bei mir eher das Essen des Vortages, als mein Geist von den Fesseln der Gesellschaft. Wenn auf „Jah No Partial” auf einmal so Wobble Breakbeats einsetzen, hat Diplo wahrscheinlich die Vampir-Szene aus From Dusk Till Dawn vor seinem inneren Auge gesehen, letztendlich ist es aber so aufregend, wie Pendulum beim Urban Art Forms. Ach ja, Bruno Mars ist auch auf diesem Album.
MAJOR FAIL ASH MY LOVE
HEART
The Vinyl Heart Club Records
8
Hier haben wir eine neue Band aus Wien mit der tollen Ursula Winterauer (Agent Cooper) und Andreas Dauböck (Morbidelli Brothers), die mit Ash My Love zu den Wurzeln von allem zurückkehren: Rock ’n’ Roll in der klassischen Zweier-Combo mit einem gehörigen Shotgun-Schuss Blues. Erinnert aufgrund dieses Formats unweigerlich und vor allem an The Kills (!) und die White Stripes, obwohl Ash My Love technisch doch noch ein bisserl von dieser Klasse entfernt sind. Egal, die Stimmen können singen, ergänzen sich perfekt, die vier Songs drehen sich von selbst auf dem Plattenteller. Die Texte handeln von so erquicklichen Themen wie sich zu Hause aufhängen, der Hölle und erkalteten Lieben—Yeah! So soll es sein. Sie haben den Blues, Wien wird also mit Bo Candy noch zur Rock ’n’ Roll City, wer hätt’s gedacht. Man darf sich auf den Longplayer freuen.
MAKE IT WIT CHU STEREO LUCHS
Step usem Reservat
Pegel Pegel!
6
Dancehall auf Deutsch? Das ist gar nicht so einfach. Nebst den Riddims und der ganzen Rhythmik muss Dancehall nämlich auf „Patois“ gesprochen sein, also im Dialekt deiner Insel. Dieser Volksmusik-Charakter macht Dancehall erst echt. Dazu braucht man allerdings eine Insel und einen Dialekt, den man so aussprechen kann, dass er nicht voll behämmert, sondern „irie“ klingt. Die Schweiz ist auch eine Insel und Stereo Luchs macht auf dieser Insel Reggae und Dancehall in ihrer eigenen Sprache. Wie schon Phenomden vor ihm, bekommt der Luchs das vollkommen glaubwürdig und solide hin. Das können nur wenige, die sind darum auch fast vollzählig auf dem Album gefeatured: Von der Stadtlegende E.K.R über Phenomden bis hin zu Ronny Trettmann. In Zürich ist das Album jetzt schon Kult.
RVING D. ALARM TRICKY
False Idols
False Idols
7
Das einzig wirklich Gute von Tricky war ja sein Mitwirken bei Massive Attack und sein Debutalbum. Da hieß er auch noch Tricky Kid und hat sich nicht nach Tricky Granny angehört. Ende der Neunziger war er in den völlig zufällig abgebrannten Sophiensälen in Wien zu bewundern, das war noch düster und heavy und nicht light and supereasy wie heutzutage. Danach kam nicht mehr viel Hörenswertes. Ganjarauch auf Titten zu blasen hat zwar gut ausgesehen, aber rein audiotechnisch kaum genützt. Also bitte, Trickygranddaddy, geh doch langsam in Rente. Doch vielleicht kommt Trip-Hop ja eines Tages wieder, gemasht mit Eurodance oder Goa oder Eurogoadance.
TREULOSETOMATE DAFT PUNK
Random Access Memories
Smi Col
7
Daft Punk haben immer schon gern in die 70er geschielt, und RAM ist eine neongetränkte Hommage an den Over The Top Disco-Funk zwischen Parliament und Giorgio Moroder. Nicht nur eine Hommage, es ist ein Lehrbuch. Moroder höchstpersönlich erzählt auf Track 3, wie das alles früher für ihn war, wie er seinen Disco kreiert hat, welche Einflüsse er heranzog, wie ihm das mit dem Disco-Click eingefallen ist. Und dann geht’s gleich weiter mit der Lehrstunde – Chilly Gonzales liefert die kitschigen (und schönen!) Pianobrücken zwischen den Songs– ja, auch das ist Disco. Pharrell Williams channelt seinen verinnerlichten Stevie Wonder, Julian Casablancas von den Strokes kommt auch zum Zug. RAM ist ein Ära Best-Of-Album, welches eigentlich niemand gebraucht hat aber trotzdem geil ist. Das sollte auch als Kaufgrund reichen. Mir kommt nur vor, die beiden Garcons von Daft Punk haben hier nichts gemacht, außer die Vocodermaschine von einem Studio ins nächste geschleppt. Wir erinnern uns noch einmal, woran Disco zugrunde gegangen ist: das Maxim „less is more“ wurde vollkommen ignoriert. Aber vielleicht ist auch das nur ein konsequenter Teil der Disco-Hommage von Daft Punk.
GANGSTA TWIST

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YIKEDY YAK
Besser Ois A Sta Am Schädl
Duzz Down San Recordings
3
Die Tatsache, dass seit längerer Zeit in meiner unmittelbaren Umgebung (damit sind die drei Freunde, die ich habe, gemeint) im Dialekt gesprochen wird, gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit, wie ich es zuletzt im Leib meiner steirischen Mutter verspürt habe, als noch alles wohlig warm und okay war. Leider weiß ich weder gscherten Sprechgesang noch Gitarrenmusik zu schätzen, weshalb dieses Album meine Zehennägel wienerischer Abstammung dazu gebracht hat, sich rückwärts aufzurollen.
G’SPRITZTE

TYLER, THE CREATOR
Wolf  
Odd Future Records
8
„Shit“, muss sich Odd Future-Gangleader Tyler 2012 gedacht haben, als  plötzlich Kendrick Lamar das neue Wunderkind im Rap Game war und für jeden Atemzug Props und Lorbeeren ohne Ende eingefahren hat. Einzige Konsequenz : Nachlegen. Und so begrüßt uns Tyler nun mit einem herzerwärmenden „Fuck You“ auf seinem dritten Album „Wolf“, von dessen Cover er uns lieblich-debil entgegenlächelt. Neben den Odd Future-Homies Earl Sweatshirt und Frank Ocean hat sich Tyler u.a. Erykah Badu und Pharrell Williams ins Boot geholt und liefert uns mit „Wolf“  ein überfettes, räudiges und lautes Hip-Hop Biest voller satter Beats und überzeugenden, rauen Raps, in denen er gewohnt wütend bis bedrohlich düster zum Rundumschlag gegen alles und jeden ausholt. Inhaltlich zeigt sich Tyler dafür mal von einer ganz neuen Seite: "Talking about rape and cutting bodies up doesn't interest me anymore… What interests me is making weird Hippie music for people to get high.“ Geht klar, Tyler.
WOLFKILLS D-MOLL BONOBO
The North Borders
Ninja Tune
8
Gut, halten wir fest (und wir dulden an dieser Stelle keinen Widerspruch): Simon Green ist verdammt noch mal ein Genie. Und gleichzeitig ein Lehrbeispiel für alle diejenigen, die durch glückliche Umstände ein gutes Debütalbum veröffentlicht haben, aber mit allem, was danach kommt, ums Verrecken nicht an den ersten Erfolg anknüpfen können. Bonobos Kreativitätsreservat scheint glücklicherweise noch nicht erschöpft zu sein, im Gegenteil: The North Borders vermittelt bei aller cleverer Detailverliebtheit und Dichte eine derartige zurückgelehnte Coolness, dass man vermuten könnte, der Typ nimmt das Zeug im Schlaf auf. Und hat womöglich Album Nummer drei schon auf Halde, aber spart es sich noch ein paar Monate auf, um nicht überheblich zu wirken.
JIM PANSE PHASEONE
If I Tell You
Williams Street Records
7
Auf einer Mittelmeer-Insel stand dereinst dieser Maschinen, die ausschauen wie ein Miniatur-Märchenschloss (die gibt’s auch als Delfin oder Lastwagen), in das man ein Kind setzen kann. Danach durfte man eine Münze einwerfen und das Ding drehte sich. So eine steht in jedem Kaufhaus. Doch diese eine hatte einen derart speziellen, welligen Achtziger-Sound, dass ich jeweils einen Euro reinwarf, mich davorsetzte und mich so zweieinhalb Minuten in Trance begeben habe. Währenddessen habe ich mir das Hirn zermartert, wie man diesen einmaligen Sound zu einem Tonträger machen könnte. Als Laie bin ich dazu rein technisch nicht in der Lage. Meine Freunde, die dies gekonnt hätten, waren auf dem Festland. Seither musste ich oft an diesen Blechkasten denken, der grossartige Musik macht und dennoch so unbeachtet auf diesem Parkplatz rumsteht. Endlich hat Phaseone meinen Plan umgesetzt und was dabei rauskam, ist die epischste Form von elektronischer Tiefe, die ihr dieses Jahr zu hören bekommen werdet.
KAPITÄN ZUKUNFT YEAH YEAH YEAHS
Mosquito
Interscope
8
Vor ein paar Jahren haben alle Indie gehört, dann hat Pete Doherty die magische 27 doch überlebt und die gesamte Musikrichtung ist irgendwie fad geworden. Es scheint auch kaum einer dieser Indieacts überlebt zu haben, außer den Kings of Leon (unerklärlicherweise). Die Ausnahme sind die Yeah Yeah Yeahs, die es trotzdem irgendwie geschafft haben, alle paar Jahre ein relevantes Album rauszubringen—mit Mosquito haben sie es schon wieder vollbracht. Mosquito ist so, als hätten Fever To Tell und It’s Blitz miteinander ein Baby gehabt und Show Your Bones wäre mit einem Gospelchor und einem halbvollen Eimer Soul danebengestanden, während Fever To Tell mit voller Härte immer wieder zugestochen hat.
OH YEAH KARDIAC
Play God
Hirntrust Grind Media
8
Fast immer, wenn ich auf SoundCloud der neuesten distorted tortured spastic Music aus dem Hause Hirntrust lausche, taucht ein Banner mit weiterführenden Links auf: „Follow Hirntrust, Lana Del Ray and Al Jazeera on SoundCloud“. Das befriedigt mich fast genauso wie ausnahmslos jedes Release dieses großartigen Labels aus Linz.
PIZZA MAMPF MOZES AND THE FIRST BORN
I Got Skills
Siluh
7
Velvet Underground werden ja immer hipper und hipper, was sagt man dazu. Und man kann dieses Revival wieder mal auf die Black Lips zurückführen. Mehr ist eigentlich nicht zu sagen bei dieser Musik, denn es ist ein Template, klingt alles gleich. Die entscheidende Frage ist nur, ob es gut gemacht ist oder nicht. Das erkennt man erst, wenn man beim Hören der ersten Nummer sofort selbstgewuzelte Zigaretten in der Weide an irgendeinem Baumstamm lehnend rauchen will, mit einem langhaarigen Girl (oder Boy, jaja) im Arm und die Welt in der Brusttasche tragend. Entweder dieses Gefühl kickt oder nicht. Bei Mozes ist das der Fall, aber noch schleppend. Noch radelt man nicht schnurstracks in die Praterauen, sondern wird noch vom Pommes-Stand abgelenkt, denn der Sänger klingt wie ein Holländer klingt—so wie Mike Myers in Goldmember. Lauter „schs” wo sie nicht sein sollten. Aua aua, ich hab schon Bauchweh von der Majo. Also bitte, ihr Bibeljünger, wir wollen mehr Rotz hier drin und nicht so viel Balladenstyle, wir sind hier nicht beim Oasis-Karaoke. Ihr seid recht langsam. Aber am richtigen Weg.
CRIPWALK

Wir verlosen 2 Mal die neue MOZES AND THE FIRST BORN EP, als Bonus gibt's die neue Mile Me Deaf MCD "Brando" dazu. Interesse? Mail an: win@vice.at, Betreff "Halsmuschi". DEADBEAT
Primordia
BLKRTZ
5
Zu meinem 23. Geburtstag hat mir meine Großmutter eine Soundmaschine geschenkt, die mir das Einschlafen erleichtern soll. Omas wissen, was gut ist, und so haben mich die Klänge des Urwalds, den ich niemals betreten werde, dahingehend trainiert, nicht mehr mit den Augenringen einer Drogenabhängigen durchs Leben zu gehen. Vielleicht wäre es ratsam gewesen, dieses Dschungel-Easy-Listening-Album nicht zum ersten Mal beim Sex zu hören. Die traurigen Augen meines One Night Stands, als ich wieder aufwachte, nagen immer noch an meinem Gewissen.
SLEEP NIGHT STAND