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Für ihr Recht zieht sie sich aus

Scharfe Mädchen, die sich für den guten Zweck ausziehen. Aliaa Elmahdy macht auch mit. Allerdings hat sie dafür richtig Ärger in ihrem Heimatland Ägypten bekommen.

Im Dezember hat Aliaa Elmahdy nackt bei einem Protest vor der ägyptischen Botschaft in Schwedens Hauptstadt Stockholm teilgenommen. Trotz der frostigen Temperaturen, stand sie mit zwei anderen, ebenfalls nackten Frauen und Mitgliedern der radikal-feministischen Organisation „Femen” im Freien, mit den Worten„Sharia ist keine Verfassung“ in roter Farbe auf ihre nackte Brust und ihren Bauch geschrieben. Es sieht so aus, als würde sie sich bei der Aktion äußerst wohl fühlen, gar nicht wütend oder so— es scheint sogar, als ob sie sich geradezu darüber amüsiert, dass Leute Fotos von ihr machen.

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Das ist nicht das erste Mal, dass Aliaa Schlagzeilen machte: 2011, als sie noch in Ägypten lebte, lud sie Bilder auf ihren Blog, auf denen sie nichts weiter als eine Blume in ihrem Haar, rote Schuhe und gepunktete Strapse anhatte. Das war, wie sie sagte, eine Form des Protestes gegen „die Unterdrückung der Frauen in Ägypten.“ Nachdem das Bild im Internet kursierte, Aliaa Todesdrohungen erhielt und gekidnappt wurde, bekam die 21-jährige in Schweden politisches Asyl gewährt. Dort tat sie sich mit „Femen” zusammen—einer internationalen Aktivistengruppe, die in der Ukraine gegründet wurde und vor allem für ihre Oben-ohne-Proteste gegen Religion und die Sexindustrie innerhalb Europas bekannt ist.

Femen hat dagegen demonstriert, dass islamistische Länder bei den Olympischen Spielen mitmachen dürfen und damit für viel öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Die Gruppe ist auch dafür bekannt, dass sie mit einer Kettensäge nach Kiew gereist ist, um ein drei Meter hohes Kruzifix-Mahnmahl für die Opfer der Stalin Diktatur zu zerstören. Der Gruppe wurde deshalb auch schon vorgeworfen, nicht ganz klar zu definieren, wofür genau sie eigentlich einstehen. Aber egal was du von der Organisation hältst—sicher ist, dass Aliaa auf jeden Fall Mut bewiesen hat, als sie nackt in Ägypten posierte—die Aktion hat sie zu einer Ausgestoßenen in ihrem eigenen Land gemacht. Die Proteste in Stockholm sind 3200 Kilometer weit weg von Ägypten und trotzdem wird sie noch vom Innenministerium Ihres Landes angeklagt—aufgrund von „Blasphemie” und weil sie „das Ansehen des Landes” beschmutzt.

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Wie ich herausfand, hat Aliaa nun vor kurzem einen Ableger von „Femen” in ihrem Heimatland Ägypten gegründet, wo Gewalt gegen Frauen nach wie vor zum traurigen Alltag gehört. Eine Kernaktion des Ablegers ist es dabei Ägypterinnen zu bitten, ihr Nacktbilder von sich zu schicken, die sie dann ins Internet stellen will. Ich wollte wissen, wie sie dabei vorankommt.

VICE: Hi Aliaa, wie kommst du mit deiner Arbeit beiFemen” voran? Was macht ihr da?
Aliaa Elmahdy: Wir protestieren nackt—so wie wir es in Stockholm damals getan haben. Wir protestieren zu allen möglichen Themen wie homosexuellen Rechte oder Prostitution. Wenn Frauen ihren Körper einsetzen, aber nicht nur für Sex, regt es die Leute auf. Die Leute denken dann gleich, dass da was mit dir nicht stimmt.

Was denken deine Eltern über deine Arbeit beiFemen” und was du dort machst?
Sie wissen was ich tue, aber wir haben keinen Kontakt.

Also sind sie dagegen?
Mmmhmm.

Erzähl mir überFemen” in Ägypten. Wie läuft es dort so?
Seitdem ich mich „Femen” angeschlossen habe, habe ich mir gedacht, auch einen Ableger in Ägypten zu eröffnen. Also hab ich eine Facebook-Seite gegründet. In Ägypten werden wir einfach wie Ware behandelt. Wenn ein Mann eine Frau heiratet, sagt er: „Ich nehme sie.“ Das ist wie: „OK, I nehme das T-Shirt.“ Als ob er sie besitzt. Sogar meine Eltern sagten zu mir: „Jetzt bist du billig, du machst es umsonst“, als ich einen festen Freund hatte.

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Was willst du in Ägypten erreichen?
Ich hoffe andere dazu ermutigen zu können, sich von der Angst zu befreien, offen gegen die Sharia oder die Verfassung zu sein—niemand traut sich das. Eines Tages wird es „Femen” hoffentlich überall geben.

Was hat dich beim ersten Mal dazu bewegt, nackt zu posieren und es ins Internet zu stellen?
Zuerst hab ich mich selbst mit der Kamera fotografiert, und dann die Bilder hochgeladen. Ich wollte sie posten, um damit etwas zu kommunizieren.

Was wolltest du kommunizieren? 
Das ich mich nicht für meinen Körper schäme. Und genau das wollte ich mit jedem Kleidungsstück zum Ausdruck bringen. Zum Beispiel mit der Blume in meinem Haar. Meine Mutter hat immer gesagt: „Nein, das ist zu viel, trag das nicht“. Den Leuten auf der Straße könnte dein Aussehen auffallen. Man erzählt den Mädchen in Ägypten Sachen wie: „Lach nicht auf der Straße, geh nicht auf die Straße … mach überhaupt am Besten gar nichts.“

Hat die ägyptische Regierung dir gedroht?
Als ich das Foto zum ersten Mal hochgestellt habe, gab es ein Verfahren [gegen mich]. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist. Jetzt gibt es ein neues Verfahren und man will mir meine Staatsangehörigkeit wegnehmen.

Wie haben die Leute reagiert, als du „Femen” in Ägypten starten wolltest?
Manche Typen haben mir Sachen geschrieben, wie: „Lass die ägyptischen Mädchen in Ruhe.“ und dass ich ihnen meinen Willen aufzwinge.

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Ich habe auf deinem Blog gelesen, dass du ägyptische Frauen nach Nacktfotos fragst…
Ich habe keine Fotos von ägyptischen Frauen bekommen. Aber ich habe welche von Männern bekommen. Manche haben Sachen geschrieben, dass „Frauen auch frei sind“ und so, aber Frauen haben nicht mitgemacht. Manchmal waren es auch Fotos von Pornoseiten. Ich habe auch dummes Zeug gekriegt.

Männer machen auch mit? 
Die Botschaft war an Frauen gerichtet, aber es waren Männer und nicht Frauen, die darauf reagiert haben. Wenn in Ägypten eine Frau ihr Handy verliert, hat sie Panik davor, dass irgendjemand ihre Fotos sieht, auch wenn es nur Foto von ihrem Gesicht sind.

Warum musstest du ins politische Asyl nach Schweden flüchten?
Wenn ich jetzt in Ägypten wäre, würde ich ins Gefängnis wandern. Ich habe viele Morddrohungen erhalten und wurde gekidnappt bevor ich hierher kam.

Wie ist das Kidnapping passiert? 
Ich war für eine Zeit in Alexandria und ein Mädchen, das ich durch Facebook kannte, hat mich gefragt, ob ich bei ihr wohnen will. Ich bin zu ihr gezogen, und hab meinen Kater mitgenommen. Das Mädchen hat mir meinen Kater einfach weggenommen, ohne das ich es wusste. Erst habe ich gedacht, dass er durchs Fenster entkommen ist und habe Poster mit seinem Foto und meiner Telefonnummer ausgehangen. Es haben ein paar Leute angerufen, und als ich sie traf, habe ich gemerkt, dass sie Details aus meinem Leben kannten, die niemand sonst hätte wissen können—beispielsweise, dass ich mich am Morgen vorher mit jemanden gestritten habe und dass ich zu einer Konferenz fahren wollte. Sie haben mir gesagt, dass sie das Mädchen bei dem ich wohne, kannten, und dass sie meinen Kater verschwinden ließ, weil sie nicht mag was ich tue.

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Also hat sie deinen Kater gestohlen, weil sie deine Arbeit nicht mochte? 
Am Anfang hat sie so getan, als sei sie meine Freundin und ich dachte sie hätte eine ähnliche Einstellung wie ich. Obwohl ihre Mutter mich nicht mochte, hätte ich nie gedacht, dass sie so weit gehen würde.

Wer waren diese Leute, die dich angerufen haben? 
Leute, die dieses Mädchen und ihre Mutter kannten. Nachdem sie mich gekidnappt hatten, haben sie mich vor ein Pseudo-Verfahren gestellt—zwei Männer haben diskutiert. Einer von ihnen meinte so: „Wir werden keine Gewalt anwenden.“ Der andere wollte mich vergewaltigen. Sie meinten, dass ich nicht in dem Haus meines Vaters wohne und einen Freund habe. Einer von ihnen sagte: „Jemand anders fickt sie, also warum sollte ich nicht?“ Und sie haben Sachen über meine Nacktfotos gesagt. Ich glaube nicht, dass sie sie gesehen haben, aber sie haben über meine Facebook-Seite geredet. Diese Männer können Sex vor der Ehe haben und mit Prostituierten schlafen und machen was sie wollen, und ich nicht?

Wie bist du denen entkommen? Sie haben mir meine Hosen heruntergezogen, um nachzusehen, ob ich noch Jungfrau bin oder nicht. Nach dem Motto: „Wenn sie eine Jungfrau ist, lassen wir sie gehen, wenn nicht, vergewaltigen wir sie“. Sie haben mich freigelassen, weil einer von ihnen dachte, ich sei noch Jungfrau.

Das klingt grausam. Haben irgendwelche von deinen Freunden die gleichen Ansichten wie du?
Ja, aber viele sind auch Heuchler. Und einige sind neidisch, wenn jemand anderes für die Freiheit kämpft. So wie dieses Mädchen, das mich verraten hat.

Würdest du gern nach Ägypten zurückkehren?
Ja, würde ich gern. Aber ich glaube nicht, dass das jetzt möglich ist.