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Lang lebe König Knut

Vergesst Amy Winehouse und Whitney Houston - vor genau einem Jahr ist der größten Pop-Star unserer Zeit gestorben.

Es war der 19. März 2011—ein Jahr ist es nun her, Knut ist tot, aber der Mythos des stilisierten Eisbären lebt weiter. Im Schatten von zwei schmutzig-weißen Fellen huldigen die treuen Knut-Kult-Fans ihm mit Blumen, Todesanzeigen und Croissants. Das war sein Lieblingsessen, die hat er immer bekommen—bevor er an einer Gehirnerkrankung zugrunde ging. Die Meisten würden die fanatische Vermenschlichung eines Tieres wahrscheinlich einfach nur als krank bezeichnen und auf ein Defizit an menschlicher Zuwendung zurückführen. Die Leute allerdings, die sich an dem heutigen Tag zusammen gefunden haben, trauern nicht nur um ein wildes Tier. Er war so viel mehr—Trost, Frieden und wie sich herausgestellt hat, für einige auch wie ein Familienmitglied. Deshalb tragen sie ihren toten Freund in Form von Buttons, gedruckt auf Taschen und Tüchern oder auf Münzen mit sich herum. Der Konsens lautet: Knut ist tot, der Zoo-Direktor scheiße und die Andenken-Industrie glücklich, weil sie jedem ihre Eisbären aufbinden und andrehen kann. Der größte Fan, wie sie von sich behauptet, packte mich, als sie mich gesehen hatte, am Arm und erzählte mir ihre erschütternde Trauer-Geschichte:

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Karin, 68

Wir waren völlig entsetzt, wir haben gestern Schilder sturmfest angebunden. Die Bilder sind heute schon zum Todestag abgeräumt. Die Blumen werden weggenommen, die Bilder werden weggenommen, die Texte werden weggenommen. Das ist hier alles von heute.

Knut war für Sie also wirklich einzigartig?
Ja, er war wirklich einzigartig. Er war ein ganz lieber Bär, ein ganz sanftmütiger Bär ein ganz netter Bär. Er hat mit seinen Fans Ball gespielt.

Haben Sie auch mal mit ihm gespielt?
Nein, leider nicht. Leider nicht, leider nicht. Wenn es einem nicht gut ging, dann ist man in den Zoo gegangen. Nur wegen Knut. Und dann ging es einem besser.

Wie war es für Sie, als Thomas Dörflein gestorben ist?
Um Thomas Dörflein und um Knut habe ich mehr geweint, als wenn aus der Familie jemand gestorben wäre—Onkel oder Tante gestorben wäre. Mein Mann ist gestorben und deswegen bin ich in den Zoo gegangen, dann ging es mir immer besser. Aber jetzt ist ja alles weg. Ich war auch zum fünften Geburtstag hier und nächstes Jahr komme ich auch wieder. Ich habe auch in Spandau einen Gedenkstein errichten lassen—zum Gedenken an den einzigartigen Knut.

Sie sind ein treuer Fan!
Ich bin bestimmt Knuts größter Fan. Ich war zu seinem Geburtstag im Rollstuhl hier, weil ich nicht laufen konnte. Bei seinem letzten Geburtstag lag ich im Krankenhaus mit hohem Blutdruck. Da habe ich mir Ausgang geben lassen und habe gesagt, wir hätten eine Familienfeier. Ich konnte ja nicht sagen, ich gehe zu Knut, zu seinem Geburtstag. Ich lasse mir bestimmt nicht meine Trauer verbieten!

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Frank, 50

Was bedeutet es Ihnen, heute hier zu sein?
Ich kannte Knut.

Haben Sie auch Kontakt zu dem Pfleger gehabt?
Ja, den kannte ich auch.

Wie ist Ihr Leben ohne Knut?
Es ist natürlich nicht mehr so wie früher. Die Bären liegen hier jetzt nur noch so rum.

OK, also so sehr nimmt es Sie nicht mehr mit.
Na ja, jetzt nicht mehr. Aber zuerst war das natürlich schon ein Schock. Wenn man so einen Anruf bekommt: Knut ist tot.

Und auf welche Weise trauern sie um Knut?
Ich bin hier.

Ohne Croissants?
Man kann auch Kult treiben.

Charlie, 40

Bevor wir zu Ihrem Buch kommen … Wie fühlen Sie sich heute?
Es ist schon sehr traurig, was mit ihm passiert ist, aber dadurch, dass er so krank war, ist es wahrscheinlich eine Erlösung gewesen.

Interessanter Aspekt. 
Er soll immer Kopfschmerzen gehabt haben. Er ist viel zu früh von seinem Pfleger weggenommen worden. Dann hatte er eine Freundin, ein halbes Jahr lang. Die ist ihm dann auch weggenommen worden. Er war einsam.

Und jetzt haben sie ihre ganze Trauer in diesem Buch verarbeitet? 
Ja, Knut wird zum Nordpol geflogen—keiner bringt es übers Herz, ihm zu sagen, dass sein Freund, Thomas Dörflein, gestorben ist. Knut sucht also seinen Freund auf der halben Welt und lernt verschiedene Tiere kennen, die ihn auf der Suche begleiten. Es ist märchenhaft geschrieben.

Weshalb haben Sie das Buch geschrieben? 
Als Erinnerung an Thomas Dörflein. Ich habe auch selber mal im Tierpark gearbeitet—bei dem Nilpferd „Boulette“. Und ich habe alle Tiere sehr lieb und Knut war natürlich besonders toll. Aber ich liebte auch sehr die Boulette. Ich habe mit Thomas Dörflein zusammen gelernt, das war 1982.

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Wie füllen Sie die Lücke, die Knut hinterlassen hat?
Ich habe mir ein kleines, blindes Meerschwein aus dem Tierheim geholt. Das ist auch sehr lieb und sehr zutraulich … Jetzt, wo Knut nicht mehr da ist, muss man auch an die anderen Tiere denken, die sich freuen, wenn sie Unterstützung haben.

Eveline, 53

Wie ist es heute für sie? Es ist erst ein Jahr her.
Erst ein Jahr her und jetzt … es ist unfassbar, immer noch. Es war schön mit anzusehen, wie der Pfleger mit ihm gespielt hat. Nach dem Tod von Knut habe ich den Zoo ein Jahr lang gemieden. Heute zum ersten Todestag … vielleicht gibt das dann doch Kraft.

Dann ist das eine ziemliche Überwindung für Sie, heute hier zu sein.
Ja, und gerade mit dem Interview … ich muss jetzt doch mit den Tränen kämpfen. Es ist so traurig, dass beide tot sind.

Wie ist es ohne Knut?
Das Leben muss ja weiter gehen. Aber es ist Schade. Man hat sich mit ihm verbunden gefühlt.

Wie füllen sie diese Leere?
Indem man sich alte  Videos anguckt, wenn es nicht zu sehr schmerzen sollte. Oder es gibt ja auch noch viele Knut-Fans, die auch andere Bilder von Tieren online stellen.

Wie stehen Sie denn Flocke gegenüber?
Flocke? Meinen sie die andere Tochter von Lars, die Anori? Das ist von Knuts Vater, sein Kind im Wuppertaler Zoo. Die wurde am 4. Januar geboren. Die ist aber noch nicht draußen.

Noch eine letzte Frage: Was war das Besondere an Knut?
Diese Interaktion von Mensch und Tier. Man hat Knut manchmal beneidet, wie liebevoll er doch aufgezogen wird.

Fotos: Grey Hutton

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