FYI.

This story is over 5 years old.

THE MORAL COMPASS SISUE

Zu schön, zu jung, zu intelligent

Karl-Heinz Grasser hat zwar viele aufgeregt - der Protest hat sich allerdings in ein paar Leitartikeln und einem halblustigen Twitter-Filme Gag erschöpft

Im Jahr 2000 kam in Österreich die sogenannte Wenderegierung an die Macht. Diese Koalition, bestehend aus der konservativen Volkspartei und der rechten FPÖ, wurde einerseits durch das festgefahrene Proporzsystem der immer gleichen Regierungsparteien möglich, das die Geduld der Bürger bis zum Äußersten gereizt hatte wie eine fette Fleischfliege, die einfach nicht verschwinden wollte. Andererseits war es der ebenso charismatische wie populistische Führer der Freiheitlichen in Österreich, der später bei einem Autounfall verstorbene Jörg Haider, der die Massen mit xenophoben Slogans fesselte und die FPÖ erstmals seit gefühlten 60 Jahren zur zweitstärksten Partei im Lande machte. Zu gutter Letzt spielte auch der Machthunger eines Wolfgang Schüssels eine nicht unbedeutende Rolle, der anfangs versprach, er würde bei einem Wahlverlust in Opposition gehen, schlussendlich aber der Haiderpartei in die Regierung verhalf und somit eine Art Vorreiterrolle in Europa übernahm, was den Rechtsruck eines ganzen Kontinents betrifft.

Anzeige

Diese Wenderegierung brachte zahlreiche schmissige Gestalten an die Macht: Der Burschenschafter und Haider-Anwalt Dieter Böhmdorfer wurde Justizminister aus dem Tierarzt Herbert Haupt wurde ein Sozial- und Frauenminister und der Biobauer und Haider-Vertraute Mathias Reichhold war kurzfristig Infrastrukturminister. Auch der Karl-Heinz Grasser, mit seinen 31 Jahren der bis dato jüngste (und hübscheste) Finanzminister Österreichs und Wunschschwiegersohn der Nation, wurde an die Macht geschwemmt. Als drei Jahre später Neuwahlen ausgerufen und die Regierung komplett umgebildet wurde, durfte Karl-Heinz Grasser als einer von nur drei Ministern sein Amt als Finanzoberhaupt der Republik behalten, was Tür und Tor für eine einmalige Bereicherungskarriere noch weiter öffnete. Eine österreichische Erfolgsstory voller Bestechung und Korruption konnte weiter ihren Lauf nehmen. Vorerst stand jedoch das Märchen im Vordergrund, und nur die Mütter mit ledigen Töchtern waren traurig, als im Oktober 2005 Karl-Heinz die Swarovski-Erbin Fiona Winter-Swarovski (amtlich fortan Fiona Pacifico Griffini-Grasser) ehelichte. Politisch propagierte Grasser das Null-Defizit, also keine neuen Staatsschulden zu machen, was natürlich gemäß den Wünschen der Klientel, die er zu bedienen hatte, vor allem auf der Veräußerung von Staatseigentum basierte. Währenddessen wurden die Taschen mit beiden Händen aufgehalten und Geld gescheffelt, wenn der Grasser nicht gerade mit seiner Frau in Luxusdomizilen urlaubte. Dabei muss man dem ehemaligen Minister irgendwie zugutehalten, dass seine Leistung darin besteht (so zumindest der aktuelle Stand bei Gericht), immer nur an der Grenze zur Illegalität zu schrammen oder einfach bis jetzt nie richtig erwischt worden zu sein. Sei es bei der Privatisierung des staatlichen Immobilienvermögens, bei der großen Bankenpleite von Julius Meinl V., dessen Wertpapiere unter anderem von Grasser vermarktet wurden oder beim eigenhändigen Transport von einer halben Million Euro von Lichtenstein nach Österreich—immer noch muss in Medienberichten die Unschuldsvermutung erwähnt werden.

Um wie viele Millionen Euro Karl-Heinz Grasser in den letzten zehn Jahren reicher geworden und welche Gesetze (ähnlich wie bei Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi) nur zum eigenen Nutzen geschaffen wurden, ist noch unklar. Sicher ist aber, dass eine skrupellose, gewinnorientierte Kaste an jungen Neokonservativen in der Föhnfrisur ein neues Idol gefunden hat.

Sicher ist auch, dass es bis auf ein paar Leitartikel, Falter-Geschichten und einem halblustigen Gag im Land der Seeligen keinen Aufstand gegeben hat. Was aber nicht weiter verwunderlich ist, nachdem hier diverse aufrührerische Tendenzen schon von der Fernsehpredigt eines Kabarettisten befriedigt werden oder einfach, wenn man das Protest Video der ORF Redaktion geshared hat.

Fotos: Regina Hügli