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Heulsuse der Woche: Urin-Nazis vs. Hundekot-Vermieter

Rechtsradikale urinieren in der S-Bahn auf ausländische Kinder und eine Wohnungsbaugesellschaft will Mietern kündigen, deren Hunde auf die falsche Wiese kacken.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Urinierende Nazis

Der Vorfall: Zwei besorgte Bürger (oder so) haben ein Problem mit Ausländern—und womöglich sich selbst.

Die angemessene Reaktion: Seine kruden Thesen für sich behalten, sich idealerweise bilden und seine Ressentiments abbauen.

Die tatsächliche Reaktion: Auf eine Mutter und zwei Kinder pissen.

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Mittlerweile könnte man leicht den Eindruck gewinnen: Da draußen sind alle wahnsinnig. Eigentlich könnte man mittlerweile einen „Beschissene Sachen, die beschissene Menschen machen, weil sie Angst vor Zuwanderung/Arbeitslosigkeit/Bierknappheit haben"-Liveticker einrichten und während wir an anderer Stelle bereits festgehalten haben, wie viele potentiell tödliche Angriffe in dieser Woche auf Flüchtlinge getätigt wurden, ist die heulsusige Aktion an dieser Stelle vor allem eins: widerlich.

Sigmar Gabriel bekämpft Nazis mit Nazi-Rhetorik.

Was war passiert? Zwei Neonazis (32 und 37) pöbelten sich einmal lautstark durch eine Berliner S-Bahn, bis ihre Aufmerksamkeit schließlich auf eine ebenfalls im Wagon sitzende Menschengruppe fiel. Eine Mutter mit ihren beiden Kindern (circa 5 und 15), scheinbar mit Migrationshintergrund. Das nahmen die beiden Männer, die laut der Bundespolizei schon in der Vergangenheit durch „rechtsextreme Straftaten" auffällig wurden, zum Anlass, ihren rassistischen Parolen Taten folgen zu lassen. Nachdem sie die Frau und die Kinder erst beleidigten, soll einer der beiden auf die Kinder uriniert haben. Ja, wirklich. Die Polizei, die von Zeugen des Vorfalls verständigt wurde, nahm die Rechten fest und ermittelt nun wegen Körperverletzung, Beleidigung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Außerdem wird nach den Opfern gesucht, die nach dem Vorfall mit der Bahn weitergefahren sein sollen.

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Wie hieß es in American History X so schön? Warum selbst etwas schreiben, wenn es jemand anderes schon besser gesagt hat. Deswegen endet diese Heulsusennominierung mit einem Zitat von Frank Henkel. Der Berliner Innensenator äußerte sich zum Vorfall nämlich wie folgt: „Hier werden Menschen entwürdigt, und zwar von Tätern, die sich selbst wie Tiere benehmen. Das ist die unerträgliche Fratze des Rassismus." Da möchten wir der CDU ausnahmsweise mal zustimmen.

Heulsuse #2: Die Gelsenkirchener gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft

Der Vorfall: Damit die Hunde ihre Notdurft nicht mehr überall verrichten, legt die GgW für die Mietparteien eine Hundewiese an.

Die angemessene Reaktion: Sich mit den Hundehaltern zusammensetzen und sachlich ausdiskutieren, warum das die beste Lösung für alle ist.

Die tatsächliche Reaktion: Den Mietern, die ihre Hunde anderweitig ausführen, mit Kündigung drohen.

Es gibt wahrscheinlich so gut wie niemanden, der im Brustton der Überzeugung sagen würde: „Wisst ihr, was ich echt mag? Hundescheiße." Deswegen ist es uns sehr wichtig direkt eingangs festzustellen, dass wir mit diesem Heulsusenkandidaten durchaus mitfühlen können. Die Gelsenkirchener gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (kurz GgW—und so werden wir sie auch im Rest des Textes nennen, damit wir diesen Namen nie wieder voll ausschreiben müssen) hatte nämlich eigentlich nur Gutes im Sinn, als sie ankündigte, eine große Hundewiese im Erler Schieven-Viertel anlegen zu wollen. Damit soll verhindert werden, dass beispielsweise Kinder, die auf den anderen Grünflächen Ball spielen, sich nicht lebensgefährlich verletzen, weil sie in Hundekacke ausrutschen (dieses Beispiel haben wir uns aus Veranschaulichungsgründen selbst ausgedacht). Dreimal jährlich soll die Hundewiese komplett gereinigt werden, der Boden aus Sand und Gras alle zwei Jahre sogar komplett ausgetauscht werden.

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Das klingt nach einer Lösung, mit der eigentlich niemand unzufrieden sein sollte. Zumindest in der Theorie. Wer auch nur irgendeine Art von Erfahrung mit Lebewesen hat, weiß natürlich, dass man einen Hund nicht dazu zwingen kann, sein Geschäft zu einer bestimmten Zeit und an einem ganz bestimmten Ort zu erledigen. Und manchmal hat man eben kein Plastiktütchen zur Hand, mit der man die Wurst unter minimalem Würgen entsorgen kann. Das wiederum kann zukünftig zu ziemlich harten Konsequenzen führen, zumindest wenn es nach GgW-Geschäftsführer Harald Förster geht. Der möchte nämlich ein Abmahnungssystem für Hundekacke einführen. Eine falsch gelegte Wurst: erste Abmahnung. Zwei falsch gelegte Würste: zweite Abmahnung. Drei mal falsch geschissen: Kündigung.

Die Hunde-Show aus dem Paralleluniversum.

„Auf unsere Wiese kackt nämlich niemand ungestraft", ließ Förster bei der Informationsveranstaltung zur „Energetischen Quartiersentwicklung" verlauten, bei der der Hundewiesenplan vorgestellt wurde. Und was vor allem erst mal ziemlich dramatisch klingt, könnte unter Umständen auch gar nicht rechtens sein. Gegenüber derwesten.de reagierte der Sprecher des Deutschen Mieterbunds ziemlich irritiert über diese vollmundige Ankündigung und erklärte: „Diese Praxis ist mir völlig unbekannt. Und ich mache den Job schon sehr lange." Zwar sei es durchaus möglich, durch Verstoß gegen die Hausordnung seine Wohnung zu verlieren, allerdings sei es nicht rechtens, eine Kündigung nach dem dritten Mal auszusprechen. Man wird sehen, ob es zu einer gewaltigen Schlacht mit Hundekacke-Wurfgeschossen, weinenden Kindern und jeder Menge Softeis für die Schaulustigen kommen wird. Schließlich geht es um die Wurst (haha!).

Letzte Woche: Die ‚Deutsche Stimme' dreht ein wirres Video über Gender Mainstreaming und Frauke Petry vermutet eine Verschwörung, weil sie bei einer Talkshow ausgeladen wurde.

Der Gewinner: die homophoben Nazis (allerdings sehr, sehr knapp)!