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Interviews

Jörg Kachelmann erklärte uns, warum der Supermond Schwachsinn ist

"Deutschland ist global ein Zentrum für Aberglauben, Esoterik und Hokuspokus."

Titelfoto: Jörg Kachelmann

Nach einigen turbulenten Zeiten beschäftigt sich Jörg Kachelmann heute wieder hingebungsvoll mit dem Wetter. Dafür hat er seinen eigenen Wetterdienst gegründet.

Den "Supermond" begutachtete der 58-Jährige bereits in einem Dorf im Mittleren Westen der USA. Sein Fazit ist ernüchternd: "Obwohl ich den Mond beruflich ja öfters anschaue, habe ich keinen Unterschied erkannt."

Wir wollten von ihm wissen, was er vom Rummel um den "Supermond" hält. Vor dem Interview musste er aber erst noch seinem Kind die Windeln wechseln.

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VICE: Können Sie in ganz einfachen Worten erklären, was der "Supermond" ist?
Jörg Kachelmann: Der Mond verläuft nicht im Kreis um die Erde, sondern in einer Ellipse. Deswegen ist er manchmal näher und manchmal weiter weg. Jetzt gerade ist er sehr nah an der Erde und außerdem ist Vollmond—da sprechen die Medien dann von einem "Supermond".

Würden Sie den Mond denn anders nennen?
Ich erkläre es so: Manch ein Pizzaliebhaber erkennt es, wenn seine Lieblingspizza plötzlich einen Zentimeter Durchmesser mehr misst als sonst. Wenn so ein Pizzaliebhaber auch noch jede Nacht den Mond anschaut, erkennt er auch, dass der Mond heute größer wirkt als sonst. Normale Menschen, die nicht zufällig Hobby-Astronomen sind, werden heute keinen Unterschied erkennen.

Warum berichten dann alle über den "Supermond"?
Damit gibt es Klicks—und Blödsinn schreiben bei naturwissenschaftlichen Dingen ist relativ sicher, Mond und Wetter werden die Schwachmaten-Schreiber nicht verklagen, zumal solche Themen in Deutschland gut funktionieren.

Sind wir Deutschen besonders naiv?
Deutschland ist global ein Zentrum für Aberglauben, Esoterik und Hokuspokus. Nirgendwo auf der Welt leben so viele Menschen, die glauben, dass Haare bei Vollmond schneller wachsen oder Holz andere Eigenschaften besitzt, wenn es im Vollmondschein geschlagen wurde oder dass das Wetter sich wegen des Monds ändert.

Nervt Sie die Berichterstattung über astronomische Phänomene?
Nicht immer. Eine Sonnenfinsternis ist zum Beispiel etwas sehr Beeindruckendes. Ich durfte einmal eine totale Sonnenfinsternis erleben—das war berührend. Aber ich habe definitiv ein Problem damit, wenn Leute absichtlich verarscht werden, so wie es jetzt mit dem Supermond passiert. Eltern sagen ihren Kindern: Passt auf, ihr werdet jetzt etwas Tolles sehen! Dabei sehen die Leute keinen Unterschied. Aber Sonnenfinsternis und Supermond werfe ich nicht in den selben Topf.

Wie oft bekommen Sie es mit überzeugten Esoterikern zu tun?
Nicht so oft wie mit Verschwörungstheoretikern. Weil ich mich öffentlich mit deren Chemtrail-Verschwörung auseinandersetze, bekomme ich jeden Monat ein paar Morddrohungen. Esoteriker sind weniger militant, da gibt es halt auch Leute, die Aberglauben ausnutzen. Es ist einfach eine Sauerei, wenn etwas, das aus "Mondholz" gefertigt wurde, plötzlich 50 Prozent teurer verkauft wird, und Menschen an die angeblich besonderen Eigenschaften auch noch glauben.

Werde ich denn heute Nacht wirklich nicht schlechter schlafen wegen des Vollmonds?
Dazu kann ich nichts sagen. Ich weiß, dass die Haare nicht schneller wachsen und dass es kein Mondholz gibt. Ob du schlechter schläfst, da halte ich mich raus.

Ist der Hype in den USA ähnlich?
In dem Dorf im Mittleren Westen der USA, in dem ich bin, schaut niemand wegen des Supermonds nach oben. Hier macht man sich eher um den Preis von Rindern Sorgen.

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