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Zum Jahrestag der Reichspogromnacht posten deutsche Neonazis eine Liste jüdischer Einrichtungen

VICE liegen Hinweise vor, dass die NPD eng mit der antisemitischen Neonazi-Gruppe verflochten sein könnte.

Erinnern an die Reichspogromnacht in Wiesbaden. Das Gedenken wurde dieses Jahr von Neonazis gestört | Foto: imago | Michael Schick

Der 9. November 1938 ist einer der dunkelsten Tage der deutschen Geschichte. In ganz Deutschland steckten Nationalsozialisten jüdische Geschäfte und Synagogen in Brand, beschmierten und zerstörten Fensterscheiben jüdischer Geschäfte. Die Nazis lebten ihren Hass auf offener Straße aus. Gestern, exakt 78 Jahre später, postete eine Neonazi-Gruppe auf Facebook eine Liste mit jüdischen Einrichtungen in Berlin: Schulen und Kindertagesstätten und Friedhöfe. Roter Hintergrund, darauf steht in gelber, Frakturschrift: "Juden unter uns!" Überschrieben war das Ganze mit der Überschrift: "Heut ist so ein schöner Tag".

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Es ist nicht anders zu verstehen denn als Drohgebärde, als indirekter Aufruf zu Gewalt.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) fand den Facebook-Post. Zuerst berichtete der Tagesspiegel darüber. Die Projektleiterin der MBR kontaktierte die Inhaber der genannten Geschäfte. In einer E-Mail, die VICE vorliegt, warnte sie die Läden, dass es in den letzten Monaten verstärkt zu Schmierereien, Steinwürfen und Sachbeschädigungen gegen Einrichtungen von Initiativen gegen Rechtsextremismus gekommen sei.

Ihnen seien "seit März dieses Jahres zehn solcher Vorfälle bekannt geworden, darunter waren auch drei Brandanschläge auf privat genutzte PKW von Engagierten", schreibt sie. Nach der Veröffentlichung der Liste wolle man die Inhaber der auf der Liste genannten Geschäfte und Einrichtungen informieren und sensibilisieren.

Ein Sprecher der Polizei Berlin sagte VICE auf Anfrage: "Der polizeiliche Staatsschutz prüft." Man wisse von dem Umstand, von der Seite und dem Post, weitere Details gebe man zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht heraus.

Der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck meldete den Post bei Facebook. "Ich war erschrocken", sagt Beck zu VICE. "Ich dachte mir: Das kann doch nicht sein, ein solcher Post ausgerechnet auch noch an einem Tag wie dem 9.11."

"Zuerst bekam ich von Facebook eine automatisierte Nachricht, dass der gemeldete Post mit den Gemeinschaftsstandards übereinstimmt." Daraufhin beschwerte er sich nochmals und twitterte:

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Facebook meint: Kein Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards! @HeikoMaas übernehmen Sie! https://t.co/trg3JdeCyP
— Volker Beck (@Volker_Beck) 9. November 2016

"Ich finde, dass Plattformen wie Facebook eine Verantwortung haben, Posts zu entfernen, in denen zu Gewalt angestachelt wird", sagt Beck. "Die rote Linie, die Facebook zieht, finde ich nicht richtig. Bei nackter Haut ist man penibel, bei Hass scheintolerant."

Nach Medienberichten über die Karte fand Facebook den Post wohl dann doch zu hetzerisch für die Standards—heute Morgen war der Originalpost der Neonazi-Gruppe auf Facebook nicht mehr zu finden.

Eine gleichnamige Facebook-Seite war allerdings für ein paar Stunden aufrufbar und postete die Karte mit den jüdischen Geschäften erneut. Unterschrift: "Antifanten und Schmierfinken der Presse melden unsere Seite. Der Grund: Weil wir Werbung für 'Jüdische Locations' machen. :D Ps: Heute ist wirklich ein schöner Tag". Auch die neue Seite war nach kurzer Zeit wieder gelöscht, nach wenigen Minuten allerdings gab es schon eine weitere. Die Ansage:

Darunter die Liste jüdischer Geschäfte, die wir genau wie den Namen der Gruppe aus offensichtlichen Gründen nicht verbreiten | Screenshot: Facebook

Die NPD Neukölln scheint nicht daran interessiert, dass sich das antisemitische Bild nicht weiter verbreitet. Stattdessen ruft sie sogar dazu auf, die Neonazi-Seite zu liken. Der Post wurde mittlerweile wieder gelöscht, wir haben allerdings einen Screenshot gemacht:

Der Name der Neonazi-Gruppe ist geschwärzt, der Post der NPD mittlerweile gelöscht | Screenshot: Facebook

Bemerkenswert ist auch ein Detail auf der Seite der Neonazi-Gruppe: Auf ihrem Blog auf Wordpress, der seit März 2016 geblockt ist, stand bis 2013 die NPD mit Telefonnummern und Website im Impressum. Wenn diese Angaben der Wahrheit entsprechen, dann würde die NPD Neukölln die Gruppe, die offen antisemitisch hetzt, nicht nur unterstützen, sie wären eng mit einander verflochten. Anruf in der NPD-Geschäftsstelle, Stefan Lux, stellvertretender Landesvorsitzender und Geschäftsführer der NPD in Berlin, hebt hab. Er wisse dazu nichts, sagt er. "Es kann aber schon sein, dass die Neuköllner sich kennen."

Am wichtigsten sei jetzt, dass die Polizei zweifelsfrei herausfindet, wer hinter dem Post steckt, sagt Volker Beck. "Wir dürfen nicht zulassen, dass der Hass dazu führt, dass Leute sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen oder ihre Geschäfte zumachen. Juden dürfen in Deutschland keine Angst haben."