Norbert Hofer hat sich für eine mögliche Präsidentschaft viel vorgenommen. Zum Beispiel fordert er, dass Gesetze ein Ablaufdatum bekommen, Türken nicht eingebürgert werden, die ORF-Gebühren abgeschafft werden, Spenden an Gemeinden abgesetzt werden können, straffällige Asylwerber rigoros abgeschoben werden, Frauen vor einer Abtreibung eine “Bedenkzeit” nehmen müssen, und die Steuerlast gesenkt wird.
Ein Verbotsgesetz gegen Islamisten ist seiner Ansicht “notwendig” und bis September 2016 stand auf seiner Homepage: “Er ist der Einzige, der Gerechtigkeit schafft, indem er Ungerechtigkeiten abstellt: bei Luxuspensionen, Zwei-Klassen-Medizin, Pflege und Familien oder beim Gebühren- und Mietwucher.” Und in einem Inserat deutete er an, wieder für “faire Milchpreise” sorgen zu wollen.
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Wir wollen an dieser Stelle nicht den Inhalt der Forderungen bewerten, sondern uns ausschließlich mit der formellen Machbarkeit beschäftigen. Vieles nämlich, was Hofer fordert, könnte nur mit einem neuen Gesetz oder einer Reform verwirklicht werden. Manches fällt in die Zuständigkeit von Ministerien bzw. der Weisungsbefugnis des jeweiligen Ministers. Nichts fällt jedenfalls in die Zuständigkeit des Bundespräsidenten.
In Österreich haben vier Organe die Möglichkeit ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten: Die Regierung, der Nationalrat, der Bundesrat und die Bevölkerung in Form eines Volksbegehrens. Der Präsident hat in diesem Verfahren ausschließlich das verfassungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes zu bestätigen. Er besitzt keine inhaltliche Gestaltungsmacht, seine Funktionen sind im Gesetzgebungsprozess im Wesentlichen auf die formelle Kontrolle und das etwaige Blockieren beschränkt.
“Ich vertrete freiheitliche Positionen. Davon werde ich auch nach der Wahl keinen Millimeter abgehen.”
Norbert Hofer hat öfter anklingen lassen, dass er das Amt anders auslegen würde. Über Umwege möchte er sich ein inhaltliches Mitspracherecht sichern: Wenn die Regierung nicht die von ihm gewünschten Reformen umsetzt, entlässt er sie. Auch, wenn er diese Position mittlerweile etwas relativiert hat, ist klar, dass er mit seinem “neuem Amtsverständnis” alles andere als überparteilich agieren würde.
Norbert Hofer ist seit 22 Jahren in leitenden Funktionen der FPÖ tätig. Laut seinem alten Lebenslauf trainiert er seit 1996 Freiheitliche nicht nur zum Thema Crash Rhetorik, sondern auch zu Programmatik und Programmentwicklung. Er hat das “Handbuch Freiheitlicher Politik” verfasst, “ein Leitfaden für Führungsfunktionäre und Mandatsträger der Freiheitlichen Partei Österreichs”. Kurz: Er ist der inhaltliche Kopf der Partei. Und dieser möchte er auch bleiben.
Dem Kurier sagte er etwa: “In der Sache bin ich sehr konsequent. Und es ist sehr, sehr schwer, mich von anderen Inhalten zu überzeugen. Denn ich bin ein freiheitlicher Kandidat und ich vertrete Freiheitliche Positionen. Davon werde ich auch nach der Wahl keinen Millimeter abgehen.” Niemand fordert, dass er seine politische Meinung oder Vergangenheit verschweigt, aber bisher war es immer Konsens, dass der Bundespräsident zumindest seine Parteimitgliedschaft ruhend stellt, und sich nicht in inhaltliche Debatten der Tagespolitik einmischt.
Hofer haltet davon offenbar nichts und unterscheidet bei Wahlkampfreden nicht mal mehr zwischen sich und der Partei: „Wir sind heute so weit, dass jeder zweite Österreicher FPÖ gewählt hat”, sagte er nach der ersten Stichwahl der Personenwahl zum Bundespräsidenten. Wer Hofer wählt, wählt FPÖ-Politik von der Hofburg aus, könnte man glauben. Letztere komme so oder so, meint Hofer. Wenn er nicht Präsident werde, wird Heinz-Christian Strache “mit Sicherheit” nächster Bundeskanzler. “Wir brauchen das freiheitliche Original! Denn nur dieses Original ist Garant für eine positive Zukunft in Österreich.” Wie will ein Bundespräsident mit Bundeskanzlern zusammenarbeiten, wenn dieser von sich selbst sagt: “Norbert Hofer unterstützt Heinz-Christian Strache auf dem Weg zur Kanzlerschaft”?
Auch inhaltlich geht aus diesen Reden viel hervor. “Ich will, dass nur Paare aus Männern und Frauen das Recht haben, Kinder zu adoptieren”, sagt er. Oder: “Die Ehe ist Partnerschaften von Mann und Frau vorbehalten. Und ich gehe von dieser Linien nicht ab.”
Ist das nur Wahlkampf-Geplänkel? Sind das bloß Aussagen, die helfen, die Ideologie des Kandidaten besser zu verstehen? Oder besteht er als Präsident dann wirklich auf seine Forderungen? Was ist, wenn der Nationalrat die “Ehe für alle” beschließt und der Präsident Hofer “von seiner Linie” nicht abgehen will? Verhindert er das Gesetz, indem er einfach nicht unterschreibt?
Theoretisch hätte er die Möglichkeit dazu, wie NZZ.at analysiert. Der Nationalrat hätte nur die Möglichkeit den Bundespräsidenten beim Verfassungsgerichtshof, deren Vorsitzenden der Bundespräsident ernennt, anzuklagen. Dafür bräuchte der Nationalrat allerdings eine Zweidrittelmehrheit. Wenn die FPÖ gewinnt, was die Umfragen verheißen, bedeutet das in Zukunft: Ohne Zustimmung der FPÖ sind dem Nationalrat in solchen Fragen die Hände gebunden.
“Die österreichische Verfassung hat Angeln, an denen man sie aushebeln kann. Viele davon liegen in der Hofburg”
Norbert Hofer könnte dann Regierungspolitik von der Hofburg aus machen bzw. machen lassen. Macht das Parlament mit, hat Hofer relativ freie Hand, da er nicht auf lästige Mehrheitssuche im Nationalrat angewiesen ist. Weigern sich die anderen Parteien, nach dem Willen eines mächtigen Manns zu tanzen, steht der Gesetzgebungsprozess still. Ein Machtkampf mit offenen Ausgang wie in Polen würde entbrennen. “Die österreichische Verfassung hat Angeln, an denen man sie aushebeln kann. Viele davon liegen in der Hofburg”, so NZZ.at.
Norbert Hofer will nicht Präsident werden, wie wir dieses Amt bisher kennen. Er möchte “Präsidentenkanzler” sein, wie er bei seinem Antritt sagte. Er möchte freiheitliche Politik machen und gleichzeitig jene Institution sein, die dieses Zustandekommen kontrolliert.
Am 4. Dezember stimmen wir nicht nur über eine Person oder eine Marschrichtung für die Zukunft ab, sondern vielleicht auch über unser System von strikter Trennung zwischen Macht und Kontrolle.
Christoph auf Twitter: @Schattleitner