Der Schulabschluss ist in Norwegen eine verdammt große Sache. So groß, dass das Ganze bei der sogenannten “Russ-Feier” einen Monat lang (ja, genau) gefeiert wird. Während dieser Zeit lassen sich Zehntausende junge Norweger und Norwegerinnen – wegen der roten Abschlussmützen als “Russ” bezeichnet – so richtig gehen. Der Exzess beginnt in den letzten Tagen der Klausurenphase Mitte April und findet seinen Höhepunkt traditionell am 17. Mai, dem norwegischen Verfassungstag.
Als Russ wird von einem erwartet, jeden Tag das gleiche rotblaue Outfit zu tragen und es kein einziges Mal zu waschen. Weitere wichtige Teile der Party sind – neben rauen Mengen an Alkohol – die vielen Mutproben und die “Russ-Karten”. Dabei handelt es sich um eine Art Visitenkarte, auf die Schüler ein persönliches Motto schreiben und ein Foto drucken, das sie in ihrem schlimmsten Suff-Zustand zeigt.
Videos by VICE
Das wahre Highlight des Russ-Monats ist allerdings der 24-stündige Ausflug in einem Partybus, quasi ein Rausch auf Rädern. Die Busse werden für diesen Anlass extra individuell hergerichtet, manche Schüler sparen jahrelang, um sich besonders außergewöhnliche Extras leisten zu können.
Vor ein paar Wochen kontaktierte ich eine Gruppe Abschlussschüler, die ihren Partybus auf Facebook beworben hatten. Schließlich luden sie mich ein, sie bei ihrer “Class of 2018”-Russ-Tour zu begleiten und die Party zu dokumentieren.
Der Trip begann am 16. Mai in der Osloer Innenstadt. Kurz nach Mitternacht konnte ich die Musik schon von Weitem hören, weil der Bus mit einer Sound-Anlage ausgestattet war, nach der sich so mancher Festival-Veranstalter die Finger lecken würde. Als ich dann ins Fahrzeug stieg, war die Musik tatsächlich unerträglich laut. Schnell reichte mir einer der Organisatoren Ohrstöpsel, aber die brachten auch nicht sehr viel. Es fiel mir teilweise echt schwer, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren, ich konnte nie genau sagen, ob meine Fotos tatsächlich scharf waren.
**Auch bei VICE: **Hinter den Kulissen von Londons hedonistischer, polyamoröser Einhorn-Bewegung
Dieses feuchtfröhliche Chaos war gewollt: 22 Schüler hatten drei Jahre lang alles vorbereitet und geplant. Laut eigener Aussage steckten sie insgesamt zwei Millionen norwegische Kronen, also knapp 210.000 Euro, in den Umbau des Busses. Für die rollende Party wurden dann aus gut 150 Bewerbern 20 Schüler ausgewählt – zum Großteil Mädchen – und für die goldenen Tickets je 55.000 norwegische Kronen – knapp 5.800 Euro – einkassiert. Der Bus wurde übrigens schon einer Gruppe Schülern verkauft, die nächstes Jahr ihren Abschluss feiern wird.
Hätte man dieses Geld auch besser investieren können? Mit Sicherheit. Aber seinen Schulabschluss feiert man halt nur einmal im Leben. Und Sparen ist im späteren Leben sowieso noch oft genug angesagt.
Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.