In Nürnberg geht die Stadt mit Razzien und ungewöhnlichen Ideen gegen die Afterhour vor

Foto von Kristina Valerina, facebook.com/waschsalon.club. Mit freundlicher Genehmigung

Was wäre Techno nur ohne eine dazugehörende Afterhour? Die Antwort auf diese Frage darf das Nürnberger Partyvolk bald vielleicht am eigenen Leib erfahren. Denn aus Sicht einiger Clubbesitzer wird gerade massiv Stimmung gegen die Party nach der Party gemacht.

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So kam es am Samstagmorgen im lokalen Club Waschsalon zu einer groß angelegten Razzia. Knapp 70 Beamte durchsuchten ab 7 Uhr den gesamten Club inklusive der knapp 200 Gäste und Angestellten. Die Ausbeute der Aktion: Marihuana, Haschisch, Ecstasy, Amphetamine und Crystal Meth. “Die Zahlen bewegen sich sicherlich nicht im Kilogrammbereich, müssen aber dennoch erst ausgewertet werden”, erklärte Elke Schönwald, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken, gegenüber THUMP. “17 Personen wurden wegen des Besitzes von Betäubungsmittel angezeigt. Eine Person muss sich wegen Handels mit Betäubungsmittel verantworten.”

Zudem fand die Polizei in den Räumlichkeiten 33-mal Betäubungsmittel, die bislang noch keiner Person zugeordnet werden konnten. Die Ermittlungen hierzu dauern noch an. Wie die Polizei außerdem mitteilte, wurden zwei Personen festgestellt, die per Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben waren. Sie wurden zufällig in der Diskothek angetroffen. Gegen eine Person wird wegen Fundunterschlagung ermittelt. Bei der Polizei ist man damit, laut Schönwald, zufrieden: “Wir bewerten den Einsatz als Erfolg. Es wurden insgesamt 205 Personen kontrolliert – die genannten Zahlen sprechen für sich.”

Der Waschsalon hatte bereits Präventionsmaßnahmen getroffen

Martin Weinmann, Besitzer des Waschsalons ist über das harte Vorgehen des Einsatzkommandos und die Clubpolitik der Stadt entrüstet. “Ich habe in meiner Laufbahn schon viele Razzien erlebt, allerdings noch nie in einer Diskothek”, berichtet er auf Nachfrage. “Zu dem Zeitpunkt der Kontrolle war ich mit einem DJ in meinem Aufenthaltsraum, bis plötzlich die Musik ausging. Als ich den Raum verließ, standen dort Einsatzkräfte, die mich dazu aufforderten, sich hinter die Bar zu begeben. Diesen Platz durfte ich dann nicht verlassen.”

Der Verantwortliche des Einsatzes erklärte Weinmann daraufhin, dass es sich um eine Razzia handelt. Sein Club sei vermehrt wegen angeblichem Drogenhandel vor Ort aufgefallen. Während der anlaufenden Kontrolle wurde der gesamte Club eingefroren, was außerdem dazu führte, dass, laut dem Betreiber, die knapp 40 Gäste im Terrassenbereich nicht mehr den beheizten Raum betreten durften, bis sie durchsucht wurden. “Von zwei Angestellten von mir, die keinerlei Vorbelastungen nach Betäubungsmittelgesetz besitzen, wurde verlangt, sich komplett auszuziehen. Eine der beiden musste dann sogar in die Hocke gehen, was komplett erniedrigend ist. Diese massiven Untersuchungen wurden durchgeführt, ohne zu wissen, wer etwas dabei hat oder ob überhaupt jemand etwas hat.”

Weinmann selbst hatte bereits vorher versucht, es der Stadt Nürnberg Recht zu machen: eine One-Way-Türpolitik; Securitys; eine Aufforderung an der Tür, Toilettenkabinen nicht zu zweit zu betreten; und: Zero Tolerance für illegale Substanzen. Dies steht so sogar auf der offiziellen Facebook-Seite des Waschsalons. All diese Maßnahmen reichte Weinmann sogar beim Ordnungsamt der Stadt Nürnberg ein – was ursprünglich zu der Einigung führte, dass die Polizei Nürnberg selbst Kenntnisse der Szene in der Klingenhofstraße sammeln wollte und daraufhin weitere Gespräche stattfinden sollten. Tatsächlich passierte stattdessen die Razzia.

Ordnungsamt fordert: Helleres Licht und kein Techno mehr auf Afterhours!

Doch Weinmann wehrt sich: “Die Auflagen, die uns das Ordnungsamt gerne stellen möchte, sind unmöglich zu erfüllen”, meint er. “Drogen haben nicht nur mit elektronischer Musik zu tun, sondern mit der Person die sie nimmt. Sonst wäre das ein willkürlicher Generalverdacht. Die Gäste, die bei uns zur Afterhour kommen, kommen aus vielen anderen Clubs in Nürnberg, die keinen Techno spielen. Das sind einfach Menschen, die Lust haben, noch ein bisschen weiter zu feiern.”

“Techno. Tanzen. Afterhour” – so wirbt der Waschsalon auf Facebook für seine Partys

Auch das Ergebnis der Razzia sei zweifelhaft, so Weinmann. Nur bei knapp zehn Prozent der Gäste seien Drogen festgestellt wurden, die jeweiligen Mengen bewegten sich seiner Kenntnis nach dabei im Eigenbedarf. Es werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Martin Weinmann bangt nun um seine Afterhour und um seine wirtschaftliche Existenz. Denn welcher Gast möchte einen Laden besuchen, in dem regelmäßig die Polizei den Betrieb stoppt? Wie nordbayern.de schreibt, fordert Robert Pollack, der Leiter des Ordnungsamtes in Nürnberg, helleres Licht auf zukünftigen Afterhours – und andere Musik, also keinen Techno mehr. Weinmann findet das komplett unsinnig. “Es gab bereits einen Club, der eine Afterhour mit R’n’B und HipHop veranstaltete. Dieser konnte sich nicht lange halten.”

Auch andere Clubs erkennen einen Trend

Doch nicht nur der Waschsalon hat in Nürnberg Probleme mit dem Ordnungsamt. Auch Thilo Färber, Betreiber von Die Rakete hat schon seine Erfahrungen gemacht. Die Polizei kontrolliert auch im Rakete-Umfeld vermehrt. Dagegen gibt es auch Färber zufolge nichts einzuwenden. Und auch eine Razzia wie im Waschsalon hat er im eigenen Club bisher noch nicht erlebt, aber: “Wenn die Schilderungen stimmen, dann bin ich wirklich erschüttert wie die Beamten vorgegangen sind. Wenn Gäste sich komplett ausziehen und demütigende Untersuchungen über sich ergehen lassen mussten, dann macht mich das sprachlos.”

Dass die Stadt gegen die Afterhour klar Schiff macht, kann auch er bestätigen. “Die Stadt geht seit einiger Zeit massiv gegen die Afterhours vor. Auch wir sind davon betroffen. Von Oktober bis Dezember letzten Jahres durften wir nur noch eine Afterhour pro Monat durchführen. Das Ergebnis: Die Afterhours sind in anderen Läden wie Pilze aus dem Boden geschossen.” Färber hofft, dass die Stadt noch einsieht, dass Verbote keine Lösung sind. Er hat eine bessere Idee: “Wir brauchen einen Runden Tisch an dem wir das Problem ganzheitlich für Nürnberg betrachten und Lösungen erarbeiten. Holger Watzka von der Kulturliga Nürnberg ist hier bereits dran und es wird hoffentlich bald erste Gespräche geben.”

Darüber hinaus versucht Die Rakete im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit der Stadt zu kooperieren und ist auch mit der Drogenhilfe in Kontakt. Wie Färber betont, sei man außerdem der erste Club Bayerns, der nach dem Best-Programm geschult wurde, dem Programm zur Drogenprävention in Clubs, entwickelt von der Berliner Drogenhilfe Fixpunkt im Auftrag des Bundesministeriums. Trotz all dieser Anstrengungen, so Färber, ist Die Rakete seinem Empfinden nach dennoch sehr stark im Fokus der städtischen Behörden. Die Ordnungsamt-Forderungen nach mehr Licht und ruhigere Musik für die Afterhours zeigen seiner Ansicht nach, wie wenig Verständnis für elektronische Clubkultur bei den Behörden vorhanden sei.

Ein Laden musste bereits in Folge einer Razzia schließen

Und zu starke Auflagen und Kontrollen haben bereits zur Schließung eines Nürnberger Club geführt. Michael Volkmann kann davon ein Lied singen. Der ehemalige Betreiber des Nano Clubs musste diesen im vergangenen Jahr schließen, nachdem dort zum zweiten Mal seit Eröffnung eine groß angelegte Razzia durchgeführt wurde. Zwischen der ersten im Jahre 2008 und der zweiten 2016 sei das Ordnungsamt nie mit ihm in Kontakt getreten. Anschließend wurde ihm die Konzession entzogen, vorm Nano gab es regelmäßige Kontrollen der Besucher durch die Polizei.

“Diese Kontrollen wurden immer mehr und mehr zur Tortur für die Gäste”, erinnert sich Volkmann. “Und es war auch völlig zu verstehen, wenn dann jemand deshalb nicht mehr kommen mochte – ob nun als Drogenkonsument oder nicht. Die Socken ausziehen, bevor man den Laden betreten durfte, minimierte die Umsätze einfach zu sehr.”

Volkmann klagte, der Konzessionsbescheid wurde noch vor Gerichtsurteil zurückgezogen. Doch die Kosten und die Umsatzeinbußen hatten sich bereits summiert. “Das war dann das Ende!”

Auch bei der Durchsuchung im Waschsalon war der ehemalige Nano-Chef vor Ort. “Es ist unfassbar für mich, dass man unter Generalverdacht steht, nur weil man eine legale Diskothek betritt. Die Kontrolle war für mich ganz klar unverhältnismäßig in Ton und Behandlung. Man konnte etliche Einsatzkräfte sehen, die augenscheinlich nicht genau wussten, was zu tun ist, da sie immer wieder mit dem Einsatzleiter sprachen oder in Gruppen standen und lachten. Einer der Gäste schlief auf dem kalten Boden der Tanzfläche ein, wogegen nichts unternommen wurde.”

Auch Volkmann ist der Meinung, dass man bei der Stadt Nürnberg ein Problem mit der Afterhour an sich hat: “Das Vorgehen wird immer schärfer. Rechtswidrigkeiten wie dieser Generalverdacht sind an der Tagesordnung.” Und die Sache mit der ruhigeren Musik? Hält Volkmann für altbacken und sinnlos. “Das zeigt nur noch deutlicher die Hilflosigkeit der Nürnberger Behörden im Kampf gegen Drogen. Wenn es die Funde zulassen würden, würde man die Läden schließen. Und kommt das Ordnungsamt dann demnächst mit Lichtmessgeräten vorbei? Vielleicht zeigt uns Herr Pollack dann ja, wie man Sleep House auf Nürnbergerisch auflegt.”

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