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“Nur du kannst das sehen”: Facebook-Phrasen und was sie wirklich bedeuten

Facebook-Nutzerin

Selten hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg so viele Interviews hintereinander gegeben und so oft “Sorry” gesagt. Seit Wochen steht Facebook unter massiver Kritik von Medien und Politikern. Der Konzern hat die Daten von Millionen Nutzern nicht richtig geschützt, sodass sie in die Hände der britischen Analysefirma Cambridge Analytica gelangten. Die wiederum hat damit Werbebotschaften während Donald Trumps Wahlkampf auf die Vorlieben der Facebook-Nutzer zugeschnitten. Inzwischen hat das selbst Zuckerberg als “Vertrauensbruch” bezeichnet. Unter dem Hashtag #DeleteFacebook werben Nutzer dafür, das Netzwerk zu verlassen.

Inzwischen erklärt der Konzern besser, welche Daten er über seine Nutzer sammelt. “Wir machen unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenrichtlinie leichter verständlich”, heißt es in einer Pressemitteilung. Grund dafür sind wohl auch strengere Datenschutzregeln in der EU, die ab Ende Mai in Kraft treten.

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Einige Sätze in der Facebook-App und im Facebook Messenger sind aber noch immer so schräg formuliert, dass Nutzer nicht sofort merken, welche Daten sie im Hintergrund gerade Facebook übermitteln. Sechs Beispiele übersetzt Motherboard für euch in einem kleinen Facebook-Phrasen-Lexikon.

1. “Sende Nachrichten an alle deine Handy-Kontakte” = Schicke Facebook dein gesamtes Adressbuch

Die Zeichentrickfiguren freuen sich augenscheinlich darüber, dass sie Facebook ihr gesamtes Adressbuch geschickt haben | Bild: Screenshot | Facebook Messenger

Natürlich möchte man gerne seinen Kontakten schreiben, dazu hat man sie ja gespeichert. “Sende Nachrichten an alle deine Handy-Kontakte” heißt es deshalb nach der Installation des Facebook Messengers, einer der beliebtesten Chat-Apps der Welt. Die Aufforderung ist illustriert mit knuffigen Comicfiguren, die sich gerade offenbar mächtig über die Nachrichten ihrer Handy-Kontakte freuen.

Wer schnell auf den blau hinterlegten Button mit der Aufschrift “Aktivieren” klickt, übersieht aber, was das Ganze eigentlich bedeutet: Der Facebook Messenger möchte “fortlaufend” eure Kontakte synchronisieren, also: Das gesamte Adressbuch auf dem Smartphone mitlesen. Ständig, inklusive aller gespeicherten Kontakte, die keinen Facebook-Account haben: Familie, Eltern, Kollegen, Ärztinnen. Wer einfach nur seinen bereits bestehenden Facebook-Freunden schreiben möchte, sollte da wohl lieber auf “Nicht jetzt” klicken.

2. “Triff dich mit Freunden” = Verrate Facebook jederzeit, wo du gerade bist

Logisch: Wer wissen möchte, welche Freunde in der Nähe sind, muss auch verraten, wo er überhaupt ist | Bild: Screenshot | Facebook

Freunde treffen: mega gut! Wer möchte da schon Nein sagen? Die Aufforderung “Triff dich mit Freunden” sehen Nutzer, wenn sie in der Facebook-App den Menüpunkt “Freunde in der Nähe” antippen. Die Funktion zeigt an, welche Kontakte sich gerade im nächsten Umkreis aufhalten.

In kleinen, grauen Sätzen erklärt Facebook, was ihr dafür preisgeben sollt: den Verlauf der genauen Standorte, die über die Ortungsdienste eurer Smartphones erfasst werden. In anderen Worten: Ihr sollt jederzeit Bescheid geben, wo ihr gerade seid. Facebook wird damit zum persönlichen Peilsender. Um den Standort eines Nutzers zu ermitteln, muss übrigens GPS nicht unbedingt eingeschaltet sein; Facebook darf laut Datenrichtlinie auch beispielsweise Infos über WLAN-Signale und IP-Adressen erfassen.

3. “Nur du kannst dein Aktivitätenprotokoll sehen” = Nur du und Facebook können dein Aktivitätenprotokoll sehen

“Nur du” ist manchmal relativ | Bild: Screenshot | Facebook

Hier ein Like, dort ein Kommentar, da eine angenommene Freundschaftsanfrage: Im Aktivitätenprotokoll führt Facebook Buch über viele Interaktionen, chronologisch geordnet. Was habt ihr nochmal im Mai 2012 gelikt? Das Aktivitätenprotokoll verrät es euch, zu finden im App-Menü unter “Einstellungen und Privatsphäre”. Über der langen Liste steht der Hinweis: “Nur du kannst dein Aktivitätenprotokoll sehen”.

Ein Blick in die Datenrichtlinie von Facebook zeigt, dass dieser Satz wohl nicht ganz stimmen kann, denn auch Facebook weiß natürlich über die Aktivitäten seiner Nutzer Bescheid. “Wir sammeln die Inhalte, Kommunikationen und sonstigen Informationen, die du bereitstellst, wenn du unsere Produkte nutzt”, heißt es dort. Dazu gehören unter anderem die “Personen, Seiten, Konten, Hashtags und Gruppen”, mit denen Nutzer interagieren. Außerdem sammelt Facebook Informationen “über die Zeit, Häufigkeit und Dauer deiner Aktivitäten”. Daraus lässt sich ein Aktivitätenprotokoll erstellen. Und das ist weitaus detaillierter als das, was angeblich “nur du” sehen kannst.

4. “Stelle sicher, dass dein Profil auf dem neusten Stand ist, damit andere dich besser kennenlernen können” = Informiere uns regelmäßig darüber, zu welcher werberelevanten Zielgruppe du gehörst

So ein Fenster erscheint, wenn ihr in der Facebook-App “Entdecke Personen” antippt | Bild: Screenshot | Facebook

Es ist kein Geheimnis, dass sich Facebook durch den Verkauf von Werbung finanziert. Wer eine Anzeige schalten möchte, kann dabei die Zielgruppe eingrenzen, wie Facebook im Netz erklärt. Beispielsweise auf Leute, die an einem bestimmten Ort leben oder sich für bestimmte Serien interessieren. Bis vor Kurzem war es offenbar auch möglich, gezielt Nutzer mit bestimmter sexueller Orientierung anzusprechen; Facebook hat diese und ähnliche Funktionen aber abgestellt, wie Buzzfeed News berichtet. Um herauszufinden, zu welcher Zielgruppe ihr gehört, muss Facebook natürlich so viele Informationen wie möglich sammeln.

Während Marktforschungsunternehmen zu diesem Zweck Umfragen machen, preist Facebook das Datensammeln als etwas anderes an: Nicht etwa für die Werbekunden sollt ihr euer Profil ausfüllen, sondern für die Bekanntschaften und Freunde, die euch “besser kennenlernen” möchten. Stimmt auch, ist aber nur die halbe Wahrheit.

5. Private Nachricht = Nachricht an einen Freund und an Facebook

Sind private Chatnachrichten auf Facebook wirklich privat? Manchmal nicht, wie aus Berichten von unter anderem Bloomberg hervorgeht. Demnach hat der Konzern bestätigt, dass im Privaten verschickte Links und Bilder automatisch überprüft werden. Bloomberg zitiert eine Facebook-Sprecherin, die erklärt: Ein automatisches System scanne im Chat gepostete Fotos, um zu erkennen, ob etwa bekanntes Bildmaterial von sexueller Gewalt an Kindern verbreitet wird. Verschickte Links überprüfe Facebook auf Schadsoftware.

Außerdem greife Facebook auf Textnachrichten zu, wenn ein Nutzer im Chat über die Meldefunktion Alarm schlägt, etwa um sich gegen Mobbing oder Drohungen zu wehren. Nach Motherboard-Recherchen gilt das wohl auch für Ende-zu-Ende verschlüsselte Chats. In diesem Fall liest ein Mitarbeiter der “Kundenbetreuung” mit, wie Facebook auf seiner Hilfeseite erklärt. Auch wenn diese Kontrollmaßnahmen in einigen Fällen hilfreich sein können: “Privat” ist auf Facebook offenbar ein relativer Begriff.

Wenn ihr im Gespräch eine Chatnachricht meldet, wird sie von Facebook überprüft | Bild: Screenshot | Facebook Messenger

6 .”Installiere Protect, um deine mobilen Daten zu kontrollieren und deine persönlichen Informationen zu schützen” = Informiere Facebook über jede Website, die du besuchst und jede App, die du benutzt

“Daten kontrollieren” und “Informationen schützen” das ist doch mal was! Diesen Service bewirbt Facebook im App-Menü unter “Einstellungen und Privatsphäre/Mobile Daten”. Nutzer sollen sich hierfür die App “Onavo Protect” herunterladen. Facebook hat das Unternehmen Onavo im Jahr 2013 aufgekauft, die App soll Nutzer im offenen WLAN mithilfe eines Virtual Private Network (VPN) schützen. Zugleich nutzt das der Konzern aber zur Überwachung seiner Nutzer.

Die App verspricht Schutz und Kontrolle, sammelt aber auch jede Menge Daten | Bild: Screenshot | Facebook

In den Datenrichtlinien von Onavo heißt es, man sammle: “Informationen über (…) die Nutzung deiner Apps, die Websites, die du besuchst und die Menge der Daten, die du nutzt”. Um für Onavo zu werben, schreibt Facebook in seiner App: “Hole mehr aus deinem Telefon heraus”. Dabei ist es wohl vor allem Facebook, das mithilfe von Onavo “mehr aus deinem Telefon” herausholt.

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