Österreichische Narrenrufe und ihre Bedeutung

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Österreichische Narrenrufe und ihre Bedeutung

Wir haben bei einzelnen Faschingsgilden nachgefragt, warum sie rufen, was sie rufen.

Foto: CC0 Public Domain

In jedem Ort in Österreich, der nicht Wien ist, ist Fasching ein großes Ding. Ich erinnere mich an den Geruch von abgelaufener Schminke und versifften Winnetou-Perücken aus dem Vorjahr. Ich erinnere mich an Zuckerl-Regen, der meinem weichen Kinderkopf Beulen gemacht hat. Ich erinnere mich an einen total vertretbaren Grund, um sich an einem kalten Dienstagvormittag in aller Öffentlichkeit wegzuschießen. Und ich erinnere mich an Aschermittwoche, an denen plötzlich alle die Grippe hatten.

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Während man in Wien nur Leitsätze à la "Dö-Dö-Bling-Bling" oder "Mei-Mei-Meidling" kennt, gibt es im Rest von Österreich haufenweise Faschingsgilden, die einen individuellen Ausruf, einen Brunftschrei, einen Trinkspruch, ein personalisiertes Gelöbnis pflegen. Während der Faschingszeit wird dieser Narrenruf von jedem Anrainer, der keine Spaßbremse ist, gegrölt. Konsequent, inbrünstig und laut. Auch dann, wenn die Bedeutung dahinter oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Wir haben bei den österreichischen Gemeinden mit den verwirrendsten Faschingsrufen angerufen und gefragt, warum sie zur Faschingszeit "Fufu Mumu" oder "Ratti Ratti" im Sprechchor rufen – das heißt, sofern sie es überhaupt selber wissen.

Fufu Mumu!

Wo: Ernsthofen, Niederösterreich

In Niederösterreich nimmt man kein Blatt vor den Mumu-Mund. Sollte es sich hierbei um einen klassischer Call-and-Response-Narrenruf handeln, kann man sich in Ernsthofen einen Saal voller Spaßvögel vorstellen, die gemeinschaftlich "Mumu!" skandieren. Der Präsident der Karnevalsgesellschaft hat dafür eine allzu einfach Erklärung parat: "Die Veranstalter des Ernsthofner Karnevals sind der Fußballverein und der Musikverein. Fußball Fußball, Musik Musik – Fufu Mumu." Ein Schelm, wer dabei Böses denkt!

Fagiti Hurra! Fagiti Hurra! Fagiti gib Gas!

Wo: Timelkam, Oberösterreich

Auf "Fagiti" möchte man zunächst mit "Gesundheit" antworten, ehe man überlegt, ob es sich vielleicht um eine abgewandelte Form von "Fahr, Gitti!" handeln könnte. In Wahrheit handelt es sich – wie offenbar sehr oft im Faschingsruf-Buisness – um eine klassische Abbreviatur. Die Faschingsgilde Timelkam erläutert: "'Fagiti' ist die Abkürzung für Faschingsgilde Timelkam." Manchmal liegt die Wahrheit eben direkt vor uns. "Und 'Hurra', 'Gib Gas', das heißt einfach, dass wir Gas geben." Ja dann!

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Namla woll woll!

Wo: St. Veit/Glan, Kärnten

Hier bin ich aufgewachsen und trotzdem weiß ich bis heute nicht so wirklich, was wir da eigentlich die ganze Zeit gesagt haben. Eine Fagiti-Mumu-Abkürzung geht sich hier ja eher schlecht aus. Um mich also nicht zu blamieren, setze ich meinen besten falschen Wiener Dialekt auf und rufe in meiner Heimat an. Am Telefon erklärt man mir, 'Namla woll woll' komme aus dem Mittelalter und bedeute so viel wie "Nämlich wohl wohl".

So war es den Hofnarren einst erlaubt, dem Adel quasi straffrei das Blaue vom Himmel zu erzählen. Kamen seitens des Adels Zweifel auf, konnten die Narren auf diese Weise mit Nachdruck bestätigen, dass ihre Geschichte nämlich sehrwohl der Wahrheit entspreche. Das wäre soweit der erste Faschingsruf mit tatsächlichem geschichtlichem Hintergrund und irgendwie freut mich das – das heißt, sofern die Theorie auch wirklich stimmt. Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll.

Ratti Ratti!

Wo: Korneuburg, Niederösterreich

"I bin nur der Wirt…" entgegnet man mir im Gasthaus "Zur Linde" auf die Frage, warum man in Korneuburg zu Fasching "Ratti Ratti!" durch die Straßen brüllt. Die Nummer war auf der Facebook-Seite des Korneuburger Faschingsvereins angegeben. Obwohl er nur der Wirt ist, ruft er freundlicherweise einmal lautstark durchs Lokal und ein bisschen fühlt es sich an, wie ein Telefonstreich in Moe's Taverne – mit dem Unterschied, dass ich eine ernstgemeinte Frage stelle. Niemand der Anwesenden kennt sich aus, ich solle auf der Gemeinde anrufen.

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Nach einer entspannenden Minute im Warteschleifenmusik-Himmel möchte mich eine hustende Dame gerade mit einem Spezialisten verbinden, als ich plötzlich auf der Korneuburger Gemeinde-Homepage die Anmerkung "Rattenfängerstadt" entdecke und mich in Grund und Boden schäme, so sehr, dass ich nur noch ein "Falsch verbunden" herauskotze und auflege.

Blatsch Blatsch!

Wo: Völkermarkt, Kärnten

"Unser Bürgermeister heißt Blaschitz, vielleicht hamsas da abg'leitet", entgegnet man mir auf meine Anfrage bei der Gemeinde. Der Verweis auf die Obleute der Faschingsgilde liegt nahe, hilft mir aber leider genau so wenig weiter – auch dort weiß man nicht um die Bedeutung von "Blatsch Blatsch". Der Ruf sei vor Jahren übernommen und nie hinterfragt worden.

Ich weiß eh, dass es ums Saufen geht, möchte dennoch eine offizielle Bestätigung und mache einen pensionierten Völkermarkter Faschingspräsidenten ausfindig, der mir Aufklärung verschafft: Natürlich habe es etwas mit dem Wasser zu tun, weil man ja an der Drau lebe, und natürlich trinke man auch gerne das eine oder andere Glas. Natürlich!

Hobt's a Hond frei?

Wo: Plainfeld, Salzburg

Das ist insofern ein ungewöhnlicher Narrenruf, weil es sich weder um ein lustig klingendes Fantasiewort handelt, noch um eine Abkürzung oder einen Frage-Antwort-Chor. Das ist einfach eine stinknormale Frage, die obendrein auch noch verständlich ist. Dennoch interessiert mich ihr Ursprung. "Das kommt aus dem Boarischen", erfahre ich bei Mitgliedern der Faschingsgilde Plainfeld. Bei einem Ausflug der Gilde ins Münchner Hofbrauhäus traf man auf eine Gruppe aus Bayern, die mithilfe dieser einfachen Frage sicherstellen konnte, ob jeder in der Runde über eine freie Trinkhand verfügt. Das gefiel so gut, dass man schlichtweg importierte.

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Wied Wied Fagott!

Wo: Ottnang, Oberösterreich

Obwohl mich die Vorstellung eines betrunkenen "Faggot!"-Sprechchors eher unbehaglich macht, bin ich an diesem Punkt so weit, dass ich Eins und Eins zusammenzählen kann. "Wied Wied Fagott!" mag sich für ein auf Anglizismen trainiertes Ohr wie das meinige zunächst anhören wie eine homophobe Kiffer-Parole, dahinter steckt jedoch einfach die Wiedhacker Faschingsgilde Ottnang. Dennoch: Da hätte man durchaus bessere, weniger angsteinflößende Kofferwörter schachteln können.

Rante Putante!

Wo: Sillian, Osttirol

"Rante Putante!" ist rein phonetisch gesehen wahrscheinlich sogar mein Lieblings-Narrenruf. Es klingt so pastoral, fast schon wütend. Ein bisschen erinnert es mich an das kleine Geschäft für Druckerpatronen namens "Toni Patroni", an dem ich täglich vorbeigehe und mir vorstelle, wie der Inhaber bei jeder neuen Kundschaft enthusiastisch "Toni Patroni!!!" brüllt. Ich hoffe, er ist eher klein und hat einen Schnäuzer.

Außerdem klingt "Rante Putante!" irgendwie Italienisch, was angesichts der geographischen Lage der Marktgemeinde Sillian ja gar nicht so weit hergeholt ist. Google Translator behauptet, die Übersetzung wäre "Wie viele Episoden!" – aber das hier ist nicht die zweite Staffel  Stranger Things, das hier ist Fasching und da schreit man nicht einfach Sinnvolles, da jodelt man irgendeinen Kauderwelsch. Nachdem bei der Narrengilde niemand ans Telefon geht, verrät mir ein Dialektportal recht schnell die wahre Bedeutung: "Auf gehts!" RANTE PUTANTE!

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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