Wie Ecuador Julian Assange in einem Koffer aus London schmuggeln wollte
Assange auf dem Balkon der Botschaft, in der er seit drei Jahren haust. Bild: imago

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Wie Ecuador Julian Assange in einem Koffer aus London schmuggeln wollte

Geleakte Dokumente mit Fluchtszenarien deuten darauf hin, als würde der Wikileaks-Gründer nicht so bald aus der ecuadorianischen Botschaft in London wegkommen.

Julian Assange haust seit über drei Jahren in der Enge zweier Räume der ecuadorianischen Botschaft in London, wo sich der prominente Asylsuchende und die Konsularmitarbeiter in schönster Regelmäßigkeit auf die Nerven gehen.

Sobald der Wikileaks-Gründer und prominente Hacker jedoch einen Fuss vor die Tür setzen würde, würde er geschnappt: 50 Polizisten bewachen rund um die Uhr das Gebäude. Nach seiner Festnahme droht Assange eine Auslieferung nach Schweden, wo er wegen eines Sexualverbrechens vor Gericht gestellt werden soll.

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Nun bezeugt ein Satz Dokumente, die aus der ecuadorianischen Botschaft gesickert sind, dass die dortigen Diplomaten trotz aller Reibereien ihre Köpfe rauchen ließen, um den vielleicht berühmtesten Online-Aktivisten der Welt an der britischen Polizei vorbei elegant aus dem Konsulat zu schmuggeln.

Hier eine Übersicht über die Fluchtmöglichkeiten, die eine konsularische Brainstorming-Einheit Ecuadors in Erwägung zog und die durchaus an die halsbrecherische Missionplanung aus GTA V erinnern.

  • „Assange könnte in Verkleidung versuchen, das Dach zum nahegelenenen Helipad zu überqueren oder sich in den Menschenmenge des (Kaufhauses) Harrod's verlieren."

Das Problem daran: Wie sollte man den Hacker möglichst kreativ verkleiden, ohne dass seine Flucht auffallen würde?

  • Assange könnte selbst die diplomatische Immunität erhalten, indem man ihn zum offiziellen ecuadorianischen UN-Vertreter erklärt.

Klingt plausibel, doch es gibt auch bei diesem Szenario einen Haken: Die New Yorker Generalversammlung der Vereinten Nationen könnte seinen Status ad hoc zurückziehen, was noch während seiner Flucht zu seiner Festnahme führen würde.

  • Assange flüchtet in einem Diplomatenwagen als Fluchtauto, denn „die Wiener Konvention schützt Diplomatenautos gleichermaßen wie diplomatische Gebäude".

Kleiner Pferdefuss hieran: Die Agenten des Scotland Yard stehen leider auch schon im Gebäude, denn Ecuador nutzt das Haus nicht exklusiv. Sie würden Assange schnappen, bevor er überhaupt die Autotür erreichen würde.

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Und so diskutierten die Botschaftsmitarbeiter als letzte Möglichkeit noch eine etwas exotischere Fluchthilfe: Den Schmuggel des australischen Aktivisten aus der Botschaft in diplomatischem Gepäck.

Das sogenannte Diplomatengepäck darf nicht untersucht oder geöffnet werden und noch nicht einmal unter einen elektronischen Scanner geschoben werden. Im Diplomatengepäck befindet sich amtliche oder geheime Korrespondenz; ein solcher Koffer ist üblicherweise in ein deutlich markiertes Segeltuch eingewickelt und versiegelt. Auch der Kurier des Diplomatengepäcks darf entsprechend dem Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen nicht festgehalten oder verhaftet werden.

Alles andere würde als grobe Verletzung internationaler diplomatischer Regeln gewertet. Die Frage, ob das die Geheimdienste angesichts der politischen Brisanz rund um den Fall Assange wirklich stören würde, bleibt jedoch offen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Menschen in Diplomatengepäck geschmuggelt würden.

Zudem—das geht ebenfall aus der Powerpoint-Präsentation zu Asanges Flucht hervor—erstreckt sich der Schutz des Gepäcks nur auf Inhalt, der entfernt an Dokumente erinnert. Julian Assange ist, obwohl durch geleakte diplomatische Dokumente zur Berühmtheit gekommen, immer noch ein Mensch und ein Symbol. Daher schließt das geleakte Dokument auch mit deutlichen Bedenken gegen diese Option: „Die britische Polizei ist mit der Technologie ausgestattet, um Körperwärme zu erkennen."

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So absurd und gleichzeitig erfrischend zupackend diese Variante auch scheinen mag, es wäre nicht das erste Mal, dass Diplomaten zu diesem Mittel der Wahl greifen würden, um Menschen zu schmuggeln.

1964 sollte der isrealische Doppelagent Mordechai Louk in diesem Koffer heimlich unter Ausnutzung der diplomatischen Immunität von Rom nach Kairo reisen. Die Zollbeamten in Rom hörten allerdings seltsame Töne aus dem Kleiderkoffer, den zwei ägyptische Konsularbeamte an den Flughafen rollten. Das seien „Akkordeon-Klänge", behaupteten diese kreativ; doch als der Koffer schließlich später gewaltsam geöffent wurde, fiel ein halbbetäubter Spion mit Sturzhelm aus dem präparierten Gepäckstück und der schöne Plan war dahin.

In diesem Diplomatenkoffer sollte der Spion Mordechai Louk 1964 von Rom nach Kairo reisen—er wurde vorher entdeckt. Bild: imago

Zwanzig Jahre später wurde der damalige nigerianische Verkehrsminister Umar Dikko im Exil in London betäubt, in eine Holzkiste gesteckt und mit dieser als diplomatisches Gepäck deklariert zurück nach Lagos verfrachtet.

Die Lehren, die daraus für Assanges nächste Reise getroffen werden könnten: Auf die kongeniale Koffer-Idee kamen auch schon die britischen Beamten, wie aus den geleakten Dokumenten hervorgeht.

Denn ein etwas zu sorgloser britischer Polizist wurde schon mit einer handgeschriebenen Notiz unter dem Arm fotografiert, auf der die Koffermethode durchaus auch den Weg in die Köpfe der Polizisten gefunden hat: „Assange wird unter allen Umständen verhaftet", heißt es in den Befehlen auf dem Zettel, „Ob unter Immunität, in Diplomatengepäck oder einem Diplomatenfahrzeug".

Es scheint bislang, als würde der Wikileaks-Gründer nicht so bald aus der ecuadorianischen Botschaft in London wegkommen.