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Die Rückkehr von ,OMNI‘

Das Archiv des wohl schönsten Science-Fiction Magazins aller Zeiten lagert in einer unscheinbaren grauen Halle in New Jersey. Wir haben darin gestöbert.

Klassische OMNI Cover

„Hast du jemals in einer klaren Nacht den Sternenhimmel betrachtet und die unglaubliche Größe des Universums bewundert … und dich dabei gefragt: Wer und was bin ich; woher komme ich und wohin gehe ich? Hast du jemals die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass es da draußen zwischen all den Sternen Leben — Leben in all seinen Formen — geben könnte? Wenn dieser Gedanke dein Denken und deine Fantasie beflügelt, dann interessiert dich vielleicht eine ganz ungewöhnliche Publikation namens OMNI, die neueste und originellste Zeitschrift im heutigen Amerika.“

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–Bob Guccione, 1983

Das Lager mit der größten OMNI-Sammlung weltweit befindet sich in New Jersey. Es ist das unscheinbarste Gebäude, das man sich vorstellen kann. Eigentlich ist es sogar noch unscheinbarer. Aussehen und Inhalt sind so völlig entgegengesetzt, dass sich das Gebäude in einen negativen Raum visueller Unwahrheit verwandelt. Bei meinem Besuch regnete es. Die beigen Gebäude entlang des A95 Highway waren mit Schimmel und Staub bedeckt. Ich fuhr meinen Mietwagen in ein fast leeres Parkhaus und rannte durch den Regen zu diesem Gebäude, das angeblich die heiligen Reliquien des besten Wissenschaftsmagazins aller Zeiten enthielt.

Vor ein paar Monaten schrieb ich einen Motherboard-Artikel über OMNI. Die Zeitschrift war seit 15 Jahren vergriffen und du kannst dich glücklich schätzen, wenn du ein altes Exemplar in einem Second-Hand-Laden findest. Wenn du aber auf einen Schatz mit Ausgaben stößt, wie es mir als Teenager bei einer Haushaltsauflösung passiert ist, dann wird OMNI dich umhauen. Dann findest du, dass das, was es zu sagen hatte, noch immer so rigoros relevant ist, wie in der Blütezeit der 80er. Die reißerische Mischung aus Wissenschaft und Science-Fiction war sexy, ehrfurchtslos und auf beängstigende Weise vorausschauend. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich bei der Recherche zu dieser Geschichte in der größten OMNI- Sammlung der Welt wiederfinden würde. Aber das sieht man mal, was das Internet alles kann.

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Als mir in einer Email spontan angeboten wurde, in der Sammlung zu stöbern, hatte ich mir lange Tische mit Dokumentenstapeln und Kisten vorgestellt, randvoll mit unveröffentlichten Science-Fiction-Kostbarkeiten. Mir wurde gesagt, es handle sich um ein Archiv, und für mich bedeutete das Wort „Archiv“ etwas Akademisches, eine Einrichtung mit weiße Handschuhe tragendem Personal. Stattdessen ist das OMNI- Archiv eine nebulöse Mischung aus Archivschränken, Bergen von Gemälden und Ordnern voll mit irgendwelchen Drucken und Kritzeleien. Alles verstreut in einem Büro für Sanitätsartikel in Englewood, New Jersey. Es gibt Personal, aber keine Bibliothekare. Es sind Angestellte von Jeremy Frommer, einem schnell sprechenden Finanzier und Unternehmer, der zufällig auf die Sammlung gestoßen war, als er im vergangenen November aus einer Laune heraus einen Lagerschrank kaufte. Darin befand sich ein ziemlich großer Batzen aus dem Nachlass von Bob Gucciones, dem Herren und Meister des Penthouse-Imperiums, der, was weniger bekannt ist, auch das OMNI-Magazins verlegte.

Kunst aus dem OMNI-Archiv

Falls sich überhaupt jemand an ihn erinnert, wird Guccione gewöhnlich als goldumhängter Kitschtycoon mythisiert, dessen Hemd bis zur Taille geöffnet ist. Sein 27.000-Quadratmeter-Haus in Manhattan war die größte Privatwohnung der Stadt. Er sammelte Gemälde von Van Gogh und Picasso und füllte sein Zuhause mit Büsten von Cäsar, napoleonischen Sphinxen und handgeformten Backsteinen aus Italien. Angeblich war er ein Einsiedler. Er schoss die frühen Penthouse-Bilder selbst und liebte Science-Fiction. In Englewood traf ich Jane Homlish, die 37 Jahre lang Bobs persönliche Assistentin war, und sie erklärte es mir so: „Er sagte immer, Leute mit genialem Verstand – und seiner hatte sich als solcher etabliert – seien genauso fasziniert von Sex wie von Wissenschaft.“

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Bob Guccione starb 2010, als OMNI längst der Vergangenheit angehörte. In Englewood bestehen beide jedoch fort. Ein Blatt nach dem anderen wird aus der Versenkung geholt, geprüft und fotografiert. Originale Titelbilder der Zeitschrift werden verfolgt, Gemälde ausgepackt. Leute wie ich kommen ins Spiel, um das Gut zu bestaunen. An einem Nachmittag stieß ich auf Coverskizzen mit verschmierten Bleistift-Aufzeichnungen, unzählige 35mm-Dias, großformatige Bilder, Zeitschriften gebündelt mit gehefteten Schriftstücken, Produktionsmaterialen und zahllose Fotos und Illustrationen. Das totale Chaos. Alles wird noch immer hin- und hergeschoben. Nach einer geballten Ladung ,Lagerung' war Jeremy Feuer und Flamme und die OMNI- Sammlung wächst und wächst.

Er hat nur ein Ziel: die weltweit größte Sammlung dieses fast vergessenen Magazins zu besitzen. Jeremy sagte mir: „Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, das dieser Sammlung gleicht.“ „Ich denke nicht einmal, dass es das für irgendeine Zeitschrift gibt, schon gar nicht für die coolste Sci-Fi-Zeitschrift für Geeks der 80er- und 90er- Jahre.“

Wie bei Penthouse, wo man in den 90er-Jahren gezwungen war, die typisch weichgezeichneten Nacktbilder durch Hardcore-Sex zu ersetzen, endeten auch OMNIs glorreiche Zeiten mit dem Aufkommen des Internets. Der Druck wurde 1995 nach einem kurzen Intermezzo als Online-Magazin eingestellt. Dark Empire zufolge, einer deftigen Biographie über Bob Guccione, die von seinem Sohn verfasst wurde und die ich in Jeremys Archiv entdeckte (zusammen mit einer beträchtlichen Anzahl von Absageschreiben von Verlegern), war die Zeitschrift 1978 gegründet und 18 Jahre später beendet worden, nachdem sie Verluste von 80 Million Dollar eingebracht hatte. Natürlich ist das Bestehen als Druckauflage über 18 Jahre nicht zu verachten, doch OMNI war von Penthouse finanziert worden. Und wenn ich finanziert sage, dann meine ich auch finanziert: Das Schockierendste, was ich in Jeremys Aktenschränken fand, waren nicht die Penthouse-Negative, sondern Zeitschriftenstapel mit Rechnungen, auf denen detailliert aufgeführt war, wieviel jeder Mitarbeiter verdiente. Für die Ausgabe vom November 1989 gab Gucciones Unternehmen, General Media Inc., 16.843,65 Dollar für Illustrationen aus – Sonnensegel, mit Airbrush gemalte Labyrinthe, Neptuns Schattenriss vor tiefschwarzem Himmel. Es versteht sich von selbst, aber ich sage es trotzdem: Diese Summe stellt das gesamte monatliche Betriebsbudget vieler heutiger Zeitschriften in den Schatten.

Doch Bob war nunmal vernarrt in die Kunst. Seine Villen in Manhattan und am Hudson River waren voll von Alten Meistern und Hunderten Gemälden von Künstlern, die er für die Illustration von OMNI und Penthouse ausgewählt hatte. „Design war sein Ein und Alles“, sagte Jane. Gleichgültig, ob sie gerade Bilder für Penthouse aussuchten oder das Layout der futuristischen Hochglanzseiten von OMNI entwarfen. „Ich wusste, dass wir am Ende über vertikale und horizontale Ausrichtungen, über die perfekte Platzierung, Design, Farben und Licht nachdenken würden.“ Als Gucciones Imperium zusammenbrach – General Media ging 2003 bankrott – wurden seine persönlichen Güter liquidiert, um Schulden zu begleichen. Die Van Goghs, Modiglianis, Picassos und Renoirs gingen ins Auktionshaus; der Rest der Kunstwerke – sexy Bilder ebenso wie Science-Fiction-Landschaftsbilder – verstreute sich in alle Himmelsrichtungen.

Das war jedenfalls bis zu Jeremys unerwartetem Lagerfund so. Obwohl OMNI preisgekrönten Wissenschaftsjournalismus und kanonische Science-Fiction publizierte (regelmäßige Beiträge kamen z.B. von William Gibson, Orson Scott Card, Ursula K. Le Guin und George R. R. Martin), rücken in den Archiven nun die Kunstwerke in den Mittelpunkt. Sie sind überall: Sie stapeln sich an den Wänden, auf dem Leuchttisch und quellen aus den Regalen. Sehr bald wird das ganze Material Englewood verlassen. Gleich einer Hydra, deren knurrende Köpfe mit jedem Schwertschlag zweifach nachwachsen, kehrt OMNI mit aller Macht zurück. Eine Kunstausstellung ist in Arbeit, einen Teil davon habe ich schon gesehen: Originale der Lithographien und Bilder aus der Zeitschrift—Kunstwerke, die Jeremy und andere mit großem Aufwand aufgespürt haben. Das Lager birgt momentan 53 surrealistische Ölmalereien und Fantasy-Landschaftsbilder sowie Werke von Rafal Olbinski, Robert Kittila, Jon Berkey, Tsuneo Sanda und Bruce Jensen. Ein Panel bei der Toronto Fan Expo gabe es schon und momentan ist ein Buch über die Kunstsammlung bei Powerhouse Books in Vorbereitung, sowie eventuell weitere Stände bei Messen im ganzen Land.

Als ich das Lager wieder verließ, meinte Jeremy, dass mich das Schicksal hierher geführt habe. Dass ich eine der wenigen Dutzend Menschen auf der Welt sei, die dieses Material zu sehen bekäme. Dass ich mit ihnen nach Toronto kommen sollte. Dass das neue OMNI jemanden wie mich gut gebrauchen könne. Und dass ich ihre Geschichte erzählen könne, wenn ich möchte. Hier ist sie also. Und ohne Vorwarnung bin ich auf einmal mittendrin. OMNI war wirklich das großartigste Wissensmagazin aller Zeiten, nicht obwohl, sondern gerade weil es von einem komplizierten, missverstandenen und visionären Schürzenjäger herausgegeben wurde—einem Mann, der, umgeben von Geld und Sex, abgeschottet von der Außenwelt, auf seinem einsamen Landgut den Luxus hatte, unbefangen über die Zukunft spekulieren zu können. Selbst ein Millionär wie Guccione hat keinen Einfluss darauf, was nach seinem Tod mit seiner Vision geschieht, doch sie bleibt – in Einzelteilen – in den Händen ihres zufälligen Erben. Vielleicht kann sie wieder zu neuem Leben erwachen. Zunächst in New Jersey. Und dann bis zu den Sternen.