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Rechtsextremismus

Platzsturm und Hitlergrüße: Wie das Brandenburg-Derby abermals eskalierte

Das politisch aufgeheizte Derby zwischen dem SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus wurde fast abgebrochen. Der kritisierte FC Energie schiebt die ganze Verantwortung auf drei Gruppen.

Hitlergrüße, ein Platzsturm und jede Menge Pyrotechnik – das ist die traurige Zusammenfassung des Brandenburger Derbys zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem FC Energie Cottbus am Freitagabend. Der FC Energie titelte über dem Spielbericht auf seiner Website nur: „Ergebnis rückt in den Hintergrund". Denn statt über den 2:1-Last-Minute-Sieg der Babelsberger im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion zu berichten, müssen Klubs, Fans und Medien über zwei Spielunterbrechungen und 19 Festnahmen sprechen.

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Schon in der ersten Halbzeit kam es zu einer ersten Spielunterbrechung. Der Grund war etwa ein Dutzend Energie-Anhänger, die aus dem Block der 400 mitgereisten Cottbusser Fans auf das Spielfeld stürmten. Die Polizei bekam nach Minuten die Lage in den Griff und konnte die Cottbusser vom Platz führen. Wie die „Potsdamer Neusten Nachrichten" berichten, hätten die Sicherheitskräfte die Babelsberger Fans daraufhin an einem Platzsturm gehindert. Auf Videobildern ist zu sehen, dass die 03-Fans ihre Zaunfahnen schützen, aber ruhig im Block bleiben. Das Fan-Portal „Faszination Fankurve" berichtet hingegen, dass auch SVB-Fans auf den Platz gingen: „Von der Haupttribüne reagierten ebenfalls motivierte Babelsberg 03 Fans auf den Platzsturm, betraten das Spielfeld und gingen in Richtung Gästeblock. Zu einem direkten Schlagabtausch beider Fanlager kam es aber nicht."

In der zweiten Halbzeit kam es erneut zu einer Spielunterbrechung und die Partie stand kurz vor dem Abbruch. Auf beiden Seiten wurde Pyrotechnik gezündet. Dabei feuerten unter anderem die Cottbusser aus dem Gästeblock in Richtung Heimblock Pyrotechnik. Doch auch aus dem Babelsberger Block soll Pyrotechnik zurückgeworfen worden sein. Die Cottbusser stiegen wieder auf die Zäune. „Eine schwarz vermummte Truppe hatte sich zusammengerottet und drohte nun den Zaun einzutreten", schreibt das Magazin „turus.net". Die Polizei reagierte daraufhin mit „reichlich Pfefferspray", wie „turus.net" schildert. Nur, weil es keine erneuten Vorfälle gab, wurde die Partie zu Ende gespielt.

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Die Cottbusser Fans fielen zudem mit rechtsextremen Parolen auf. Auf Bildern des „Jüdischen Forums" sind mehrere Fans im Auswärtsblock zu erkennen, die den Hitlergruß zeigen. Nach Angaben des jüdischen Vereins sollen die Cottbusser auch Parolen wie „Arbeit macht frei – Babelsberg 03" skandiert haben. Ebenfalls soll „Zecken, Zigeuner und Juden" gerufen worden sein. Die Babelsberger reagierten mit „Nazischweine" und „Alerta Antifascista". Zudem war hinter dem Gästeblock der Energie-Fans eine Böschung wahrscheinlich durch Feuerwerk in Brand geraten und musste von der angerückten Feuerwehr gelöscht werden.

Fans v. @Nur_Energie skandieren "Arbeit macht frei – Babelsberg 03", zeigen mehrfach Hitlergruß während Spiel gegen @SVBabelsberg03 #SVBFCE pic.twitter.com/Zax1ktC5dp
— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) 28. April 2017

Bilder: JFDA e.V.

„Zumindest beim ersten Mal haben die Ausschreitungen ihren Ausgang im Cottbuser Fanblock genommen", erklärte der Einsatzleiter von der Potsdamer Polizei gegenüber dem „rbb". Die Babelsberger fielen außerhalb des Stadions auf: Aus einer Gruppe von Babelsberger-Fans soll ein Polizeiwagen mit Steinen beworfen worden sein. Laut Polizei wurden 19 Strafanzeigen erstattet, unter anderem wegen Landfriedensbruch, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz. Wie ein Polizeisprecher am Samstag dem „rbb" sagte, sollen sich 14 davon gegen Anhänger von Energie Cottbus und fünf gegen Fans des SVB richten. Laut des Senders habe die Polizei gegen die fünf Fans von Babelsberg 03 Strafanzeigen „unter anderem wegen Sachbeschädigung, Raub und Beleidigung" aufgenommen. Wie sich jedoch alle Anzeigen unter den jeweiligen Fanlagern aufteilen, blieb unklar.

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Für den SV Babelsberg sind die Auswärtsfans aus Cottbus für die Krawallen verantwortlich. In einer Stellungnahme beklagte der Verein, dass es zu „Übergriffen aus dem Cottbusser Gästeblock" gekommen sei. Der SVB kritisierte eine „massive Vermummung" und „volksverhetzende und menschenverachtende Artikulationen aus dem Gästeblock". Zwar will sich der Klub „kritisch mit der aktiven Fanszene in der Nordkurve zu der Pyroaktion zu Beginn des Spiels auseinandersetzen", doch soll es laut SVB eine „Differenzierung und Abgrenzung" geben. „Der SVB wehrt sich aber strikt dagegen, dass in einzelnen Medienberichten diese 'illegale Showeinlage' mit den Aktivitäten der randalierenden Gäste gleichgesetzt wird und undifferenziert von randalierenden Hooligans gesprochen wird", heißt es auf der Website. Mehr Sicherheit im Stadion konnte es laut Aussage des SVB übrigens nicht geben: Im Vorfeld sei für eine „kaum noch zu steigernde Absicherung" gesorgt worden.

Schon im Vorfeld des Spiels in der Regionalliga Nordost hatten Vereine und Polizei sich vor möglichen Ausschreitungen wegen der politischen Dimension des Derbys gefürchtet. Während die aktive Fanszene von Babelsberg 03 sich als linkspolitisch sieht, tummeln sich in der Cottbusser Fanszene Mitglieder der rechtsextremen Szene. Die Hitlergrüße sind nur ein erneuter ekliger Höhepunkt. Die Cottbus-Fans hatten bereits in der Nacht zum Freitag in Potsdam mehrere Graffitis der Babelsberger Fanszene übersprüht und Sprüche wie „Scheiß Bbg! Nur Energie!" und ein Keltenkreuz gesprayt, wie die „Potsdamer Neusten Nachrichten" berichten. Schon im Hinspiel hatten die Cottbusser Fans bereits mit massiven antisemitischen Vorfällen für Schlagzeilen gesorgt.

Mehr dazu: Wie rechte Cottbus-Fans linkspolitische Babelsberg-Anhänger empfingen

Energie Cottbus steht nach erneuten Verfehlungen der eigenen Anhänger zunehmend in der Kritik. Eine offensichtliche Unterwanderung rechter Kader in der eigenen Fanszenen ist nicht mehr zu leugnen. „Wir sprechen hier von Personen, die sowohl der losen als auch organisierten rechtsextremen Klientel zuzuordnen sind", erklärte das Präsidium des FC Energie Cottbus in einer heute veröffentlichten Stellungnahme und machte drei berüchtigte – davon zwei vom Verein mit Erscheinungsverbot belegte – Gruppierungen vor Ort verantwortlich: „Mitglieder der Gruppen Inferno Cottbus und Unbequeme Jugend, mit dabei war auch zweifelsfrei eine nicht unwesentliche Anzahl von Personen der „New Society" Chemnitz." Energie-Geschäftsführer Normen Kothe äußerte sich auch ziemlich deutlich in der „Lausitzer Rundschau": „Wir begrüßen das rigorose Vorgehen der Polizei gegen die Störer und hoffen, dass die diese zweifelsfrei festgestellt wurde. Diese Personen wollen kein Fußballspiel sehen und kennen anscheinend keine rechtsstaatlichen Grenzen mehr. Ihnen ist augenscheinlich nur durch Polizei und Gerichte beizukommen."

Besonders der FC Energie muss wohl mit drastischen Strafen des Fußballverbandes rechnen. Erst vor einem Monat hatten die Cottbusser in Bautzen für eine Spielunterbrechung gesorgt. Und nun muss sich der Klub auch noch von den eigenen Fans – etwa bei Facebook – viel Kritik über die erneuten Vorkommnisse anhören. Andere Beobachter fragen sich, wann der Verein mehr als nur symbolische Aktionen gegen die rechtsextremen Fans unternimmt. Der Klub will mit „mit bundesweiten Stadionverboten und unbefristeten Hausverboten" reagieren. Der Verein erklärte aber auch, dass die Möglichkeiten zur Sanktionierung damit „ganz klar ausgeschöpft" seien. Dabei verweist der Klub auf Polizei sowie Justiz und erklärte, dass die „Sanktionierung der Vereine grundlegend in Frage" gestellt werden müsse. Auf die kritische Berichterstattung der Medien hatte der FC Energie übrigens auch eine Antwort: „Es heißt zumeist 'die Vereine müssen…' - ein Lösungsansatz kommt dabei nicht. Die Verantwortung für diese Vorfälle tragen letzten Endes ausschließlich die Störer selbst." Fragt sich, ob diese Einstellung für eine bessere Lösung sorgen kann.