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Boykott oder Abriss? Wie die Fanszenen bisher bei RB Leipzig protestierten

Die Fans des 1. FC Köln entschieden sich jetzt, das Spiel bei RB Leipzig zu boykottieren. In der Hinrunde boykottierten manche Szenen ebenfalls, andere protestierten stimmungsgewaltig. Manche präsentierten sich auch asozial.
Foto: Imago

Boykottieren oder hinfahren und abreißen? Das ist die Gretchenfrage, die sich auch 2017 die aktiven Szenen vor ihrem Auswärtsspiel bei RB Leipzig stellen werden. Der Protest gegen den Brausekonzern wird in den aktiven Fan-Szenen heiß diskutiert. Jetzt entschieden sich die größten Fan- und Ultragruppierungen des 1. FC Köln ebenfalls zum Boykott des Spiels in Leipzig. Stattdessen wird es ein Alternativ-Programm in der Domstadt geben.

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Sportlich sorgten weder Boykott noch Stimmungsgewalt für Erfolg, Leipzig holte zu Hause 19 der möglichen 21 Punkte. Dennoch sorgten die Aktionen fast immer für ein zumindest mediales Echo. Spannend wird es auch, wenn nächstes Wochenende die Frankfurter Eintracht zu Gast sein wird. Wir haben die Fan-Aktionen bei den Leipzigspielen und ihre Folgen aus der Hinrunde aufgearbeitet.

Borussia Dortmund (2. Spieltag, 0:1)

Die Fanszene von Borussia Dortmund boykottierte das allererste Bundesliga-Heimspiel der RB-Historie. Das Bündnis Südtribüne, bestehend aus mehreren Fanclubs und den Ultragruppen, beschloss, nicht zum Spiel zu fahren, sondern das Regionalligaspiel der U23 gegen den Wuppertaler SV zu besuchen und anschließend das Spiel in Leipzig per Radiokommentar aus den Stadionlautsprechern der Roten Erde zu hören. Ganze 5.000 Fans kamen diesem Aufruf nach und veranstalteten zudem noch eine „Dosenwerfen"-Choreo. In Leipzig war der Gästeblock trotzdem innerhalb von nur 22 Minuten ausverkauft und gefüllt mit BVB-Fans, die sich dem Boykott nicht anschließen wollten. Von einem gescheiterten Protest wollten die Organisatoren nicht reden.

Mehr lesen: Warum Fußball-Fans beim Thema RB Leipzig nicht zu Klatschvieh in der Kurve werden dürfen

Borussia Mönchengladbach (4. Spieltag, 1:1)

„Letztendlich sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass ein Boykott des Spiels in Leipzig der falsche Weg ist", erklärten der FPMG Supporters Club und die Ultragruppierung Sottocultura in einer gemeinsamen Stellungnahme vor dem Spiel. Stattdessen wollten die VfL-Fans „für die Werte einstehen, die uns gerade von solchen Produkten unterscheiden." Ihre Form des Protests: Der mit 5.000 Fans gefüllte Gästeblock der Borussen schwieg in den 19 Minuten des Spiels. Angelehnt an zwei riesige Banner mit der Aufschrift „Traditionsverein seit 1900" verkauften sie auch Mottoschals mit dieser Botschaft. Einen weiteren—und ekligen—Protest hatten sie dann zusätzlich noch vor Ort initiiert: Sie fluteten während des Spiels die Toiletten in der Leipziger Arena.

Foto: Imago

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FC Augsburg (6. Spieltag, 1:2)

Unter dem Motto „Keine Sau fährt nach Leipzig" rief die Fanszene des FCA dazu auf, das Spiel zu boykottieren. Zusammen mit dem Verein lud sie stattdessen zu einem „Traditionstag" ein, bei dem unter anderem die U-23 in der Regionalliga unterstützt wurde. In einer ausführlichen Stellungnahme erklärte die Szene Fuggerstadt zudem, „warum Leipzig dem Fußball schadet wie wir ihn kennen und lieben". Der Boykottaufruf wirkte zum Teil, da rund 600 Augsburger Fans am Ende im Stadion waren. Ein weiterer Protest und ein anschließendes (negatives) mediales Echo entluden sich beim nächsten Heimspiel, wo der eigene Spieler Georg Teigl mit Transparenten mit der Aufschrift „Winterpause nutzen, Teigl abschieben" empfangen wurde. Beim Spiel in Leipzig wurde der Ex-RB-Profi nicht nur mit Applaus und Sprechchören empfangen, sondern er ließ sich nach der verlorenen Partie auch noch im Kreis des RB-Teams in der Kurve feiern.

Foto: Imago/Krieger

SV Werder Bremen (8. Spieltag, 1:3)

Die Ultra-Gruppierungen Infamous Youth, Caillera, L'Intesa Verde und UltrA-Team Bremen sprachen sich in einem Kommuniqué (welches sogar RB-Fangruppen für gut erklärten) gegen einen Boykott des Spiels aus. In ihrem Schreiben führten sie unter anderem aus, dass sie sich einen differenzierteren Umgang mit der Kommerzialisierung im Profifußball wünschen und kritisierten neben der „Nein zu RB"-Kampagne auch die Doppelmoral in der Bewertung von Klubs als „Traditionsvereine" und „Emporkömmlinge". Den Gästeblock füllten dann etwa 4.500 Bremer Fans, die unter anderem mit einem Banner mit der Aufschrift „Haake statt Brause" auf die Bremer Bierkultur anspielten.

Foto: Imago

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1. FSV Mainz 05 (10. Spieltag, 1:3)

„Das zu recht sehr umstrittene Konzept des Vereins Rasenballsport Leipzig hat auch uns Kopfzerbrechen bereitet", erklärten die Supporters Mainz. „Nach vielen Gesprächen haben wir uns entschieden, dieses Spiel nicht zu boykottieren, sondern im Gegenteil zu pushen." Daher organisierten sie einen Sonderzug nach Leipzig. Der Block Q hatte sich zudem ausführlich mit der RB-Kritik, dem Verein und dem Fußballgeschäft auseinandergesetzt. Beim Spiel füllten etwa 1.200 Mainzer Fans den Gästeblock. Optisch hoben sie ihren Vereinsstatus mit einem „1.FSV Mainz 05 e.V" -Banner hervor. Für Aufregung sorgte vor allem ein „statuiertes Exempel" an drei Mainzer Fans, die eine Red-Bull-Werbeplane am Gästeblock abgehängt hatten und dafür Stadionverbote erhielten sowie 7.000 Euro Schadensersatz zahlen mussten.

Foto: Imago/Jan Huebner

FC Schalke 04 (13. Spieltag, 1:2)

Der FC Schalke spielte binnen weniger Tage gleich zwei Mal gegen Red Bull—in der Bundesliga sowie in der Europa League gegen Salzburg. Statt die Spiele zu boykottieren, wollte die Fanszene gemeinsam zeigen, „dass Werte, Tradition und Leidenschaft für kein Geld dieser Welt zu kaufen sind", wie es in einem Statement der Ultras GE hieß. Für einen einheitlichen Auftritt produzierten sie extra für die beiden RB-Partien königsblaue Regenjacken mit einem „Kumpel- und Malocherclub"-Logo. Zum einheitlich gekleideten und vollen Gästeblock hatten die Fans auch ein Banner mit der Aufschrift „Gegründet von Kumpeln und Malochern" aufgehängt. Nach der Niederlage taten es ihnen dann sogar die S04-Spieler gleich: Sie standen gemeinsam nach Abpfiff mit einer kleineren Ausgabe des Banners vor dem Auswärtsblock.

Foto: Imago/Picture Point

Hertha BSC (15. Spieltag, 0:2)

Nachdem sich zahlreiche Gruppierungen wie die Ostkurve Hertha BSC, die Harlekins Berlin 1998 oder die Hauptstadtmafia 2003 im September zu einer Diskussionsrunde über den Umgang mit RB trafen, fuhren die Hertha-Fans geschlossen zum Spiel nach Leipzig und protestierten nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen den eigenen Klub beziehungsweise dessen Trikotpolitik. „Hertha nur echt in Blau-Weiß seit 1892" stand auf zwei Transparenten im prall gefüllten Auswärtsblock. Diese Botschaft untermalten sie mit weißen und blauen Plastikponchos. Zudem zeigten sie zahlreiche RB-kritische Banner—von denen vor allem eines für deutschlandweite Schlagzeilen sorgte, weil sie sich auf die Burnout-Erkrankung von RB-Manager Ralf Rangnick bezogen: „Ey Ralf, wir warten sehnlichst auf deinen nächsten Burnout". Anschließend distanzierte sich der Verein von dieser Botschaft.

Foto: Imago