Auf der Suche nach dem Amerikanischen Traum bei Europas größter Super-Bowl-Party

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Popkultur

Auf der Suche nach dem Amerikanischen Traum bei Europas größter Super-Bowl-Party

Seit 25 Jahren veranstalten die Vienna Vikings die inzwischen größte Super-Bowl-Party Europas im Wiener Marriott Hotel.

Der neue Präsident ist vereidigt, die Dekrete fliegen uns um die Ohren und es gibt wenig in der amerikanischen Zukunft, was uns optimistisch stimmen könnte. Spätestens seit der Trump-Wahl wird uns die Ami-Kultur von Tag zu Tag suspekter. Trotzdem wird auch in diesem Jahr die größte Super-Bowl-Party Europas im Wiener Marriott gefeiert. In Deutschland noch eine Randerscheinung, ist das Event in Österreich längst salonfähig geworden.

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Zwischen Mozartkugeln und Handküssen treffen sich 1500 Amerika-Enthusiasten, schlaflose Geschäftsleute sowie Österreichs Sportprominenz und eine bunte Mischung an Super-Bowl-Fans in der Nacht von Sonntag auf Montag direkt am Buffet. Wir wollten dabei sein. Unsere Erlebnisse haben wir hier chronologisch notiert.

20:43 Uhr: Ankunft Wien Stubentor. Die ersten Fans stehen schon mit uns im U-Bahn-Aufzug, der – wie es sich für Wien gehört – nicht nach Pisse stinkt. Wir als Berliner sind zum ersten Mal heute Abend irritiert.

20:48 Uhr: Weiter zum Marriott. Das Hotel ist standesgemäß in rot-weiß-blau erleuchtet und die wartenden Massen schlängeln sich schon über die Straße bis um die Ecke. Zum Glück sind wir akkreditiert. Der Page winkt uns durch und wir warten in der Lobby.

Alle Fotos von Wilhelm Rinke

21:00 Uhr: Es geht los. Wir gehen an den etwas zu jungen Cheerleadern vorbei die Treppe hoch. Obwohl wir fast die ersten sind, die reinkommen, laden die Leute sich schon die Teller am Buffet voll. Die Gäste haben 60 Euro aufwärts gezahlt, um hier zu sein und das muss man erst mal wieder rein bekommen. Überall liegt wahllos Merchandise rum; Handcreme for Men und Damenrasierer.

21:47 Uhr: Wir haben gerade unsere Führung mit dem Organisator beendet. Seit 25 Jahren veranstalten die Vienna Vikings, österreichischer Rekordmeister, die inzwischen größte Super-Bowl-Party Europas. 35 Hektoliter Bier und 3500 Hamburger werden verzehrt. Wir treffen auch den Rest der Presse. Ein Mann in weißer Camp-David-Jacke und grauem Vokuhila ist für sämtliche Wiener Zeitungen hier (oder auch für die eine Wiener Zeitung, wer weiß das schon so genau).

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21:54 Uhr: Im VIP-Bereich wird irgendeine Frau – wir müssen noch rausfinden, wer – von den Cheerleadern abgeholt und unser Freund mit dem Vokuhila rennt hinterher. Foto-Termin.

22:00 Uhr: Während wir Mini-Burger, Entre Côte in Pfeffersauce und Onion Rings essen, bekommt die jung gebliebene Dame einen Football in die Hand gedrückt und posiert mit dem neuen Star der Vienna Vikings. Wer ist die Frau? Wir müssen leider feststellen, dass die Berichterstattung bis zum Coin-Toss bei der deutschen Übertragung bleibt. Kein Interview mit Präsident Trump darüber, wie er den Super-Bowl-Abend verbringen wird. Kein Rüberschalten zu den Kasernen nach Afghanistan. Keine Heldenstorys über Super-Bowl-Teilnehmer, die eine schwere Kindheit hatten und jetzt Geld an irgendeine Charity spenden. Wie soll man so in Stimmung kommen?

22:12 Uhr: Noch mehr Presse in Camp-David-Kluft, diesmal mit Glatze. Die jung gebliebene Dame ist wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Diesmal auf der Brunnen-Wasserfall-Installation. Wer zur Hölle …

22:46 Uhr: Kurze Hot Dog Pause. Wir laufen noch ein bisschen durch die Lobby des Hotels. Wie gesagt hatten wir erwartet, bei einem so amerikanischen Event ein mitschwingendes Statement zu Trump wahrnehmen zu können – welcher Richtung waren wir uns zwei Tage nach dem Akademikerball nicht sicher. Hier scheint es allerdings in einer merkwürdigen Unreflektiertheit nicht um Statements zu Politik oder Amerika zu gehen. Hoffentlich ändert sich das, wenn der erzkonservative Country-Star Luke Bryan das "Star-Sprangled-Banner" anstimmt oder die ausgesprochene Trump-Gegnerin Lady Gaga die Bühne vor 800 Millionen TV-Zuschauern einnimmt. Wir stellen fest, dass die Cheerleader wahrscheinlich minderjährig sind.

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23:01 Uhr: Zum ersten Mal zeigt Anheuser-Busch seinen im Zuge des Einreiseverbots viel diskutierten Werbespot. Der handelt von dem deutschen und unfreiwilligen Immigranten Busch, der in die USA einwandert um sein eigenes Bier zu brauen. Pathos und Langeweile.

23:37 Uhr: Noch 20 Minuten bis Anpfiff. Wir haben unsere Wetten abgeschlossen. Matt Ryan wird den ersten Touchdown des Spiels machen, die 210 Euro nehmen wir natürlich mit. Unsere Nachbarn halten uns für etwas inkompetent und haben hier auf die Nummer 11 der Falcons gesetzt.

00:06 Uhr: Eine Horde Dackel läuft in Slow-Mo zu "Can't live without you" in Hot-Dog-Outfits über eine Wiese. Immer noch keine Nationalhymne. Wir fragen uns, ob die Cheerleader wirklich minderjährig sein können, wenn sie nach 12 Uhr noch am Buffet stehen.

0:14 Uhr: 15 Minuten bis zum Kickoff und der Stream wurde immer noch nicht umgeschaltet. Wir werden nervös und sehen zum 150. Mal die gleiche Rasiererwerbung. Die Amis haben es besser drauf, vor dem Spiel Dramatik aufzubauen. Ich weiß immer noch nicht, wie der neue Präsident den "God Given Sunday" verbringt. Letztes Jahr erzählte Michelle, dass sie wie jede andere Familie Chicken Wings und Pizza vor dem Fernseher essen werden und dass sie, auch wie jedes Jahr, etwas "Grünzeug" rausstellen wird, was aber, wie jedes Jahr, keiner anrühren wird.

0:28 Uhr: Die Nationalhymne erklingt. Einsam steht ein Mann neben dem Buffet, die Hand auf dem Herz, der Blick gen Amerika, beziehungsweise Richtung Fernseher.

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0:32 Uhr: Wir wollen noch auf den Ausgang des Coin Toss wetten. Auf die Falcons. Der 92-jährige Ex-Präsident Bush Senior soll uns Glück bringen. Der Wettstand nimmt unsere Wette nicht mehr an. Zu spät. Die Falcons gewinnen. Wir hätten gewonnen. Super Bowl 51 startet. Wir haben Bock!

0:55 Uhr: Arnie is back! Diesmal für ein mobiles Kriegspiel. "Hasta la Vista, Baby". Brady hat zwei Sacks kassiert, wir sitzen an dem Tisch mit dem Rest der Medienvertretung und einen Typen mit durchsichtiger Brille und Lederweste mit Totenkopfknöpfen.

1:08 Uhr: Wir wissen immer noch nicht, was der Präsident essen wird. Auch googlen ergibt nur, dass er für die Patriots ist. Klar. Das erste Viertel ist vorbei. 0 Punkte auf beiden Seiten. Unsere Wette ist noch machbar.

1:17 Uhr: Touchdown Falcons. #24. Kein Geld für uns. Der Rest des Events scheint auch nicht happy. Trikots der Patriots dominieren das Bild. Nur hinter uns schreit einer einsam "Touchdown!!!"

1:41 Uhr: Noch fünf Minuten im zweiten Quarter. Noch fünf Minuten bis Lady Gaga! Wird sie kopfüber vom Dach kommen? Wird sie für den Eklat sorgen? Wie umgeht man die fünf Sekunden Verzögerung, die seit dem #nippelgate bei jeder Liveübertragung genau davor schützen soll? "Yvan eht nioj?"

1:55 Uhr: Tom Brady wirft die Interception. Touchdown. Neuer Spielstand 21-0 für die Falcons. Schon 14-0 war ein Vorsprung der in der 51-jährigen Geschichte der Super Bowls noch nie eingeholt wurde. Bleibt als Highlight wirklich nur noch die Halftime-Show.

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2:05 Uhr: Noch zwei Sekunden bis zur Halbzeit. Die Patriots bekommen ihre ersten Punkte. Field Goal. 21-03. Das Buffet hat gewechselt. Statt "Make your own Burger" gibt es jetzt Chicken Wings und eher nicht sehr gute "Mac'n'Cheese". Ich stolpere zum 32. Mal über irgendwelche Kabelschläuche. Aber Lady Gaga wird kommen und die Cheerleader sind immer noch am Buffet und müssen demnach wohl volljährig sein.

2:29 Uhr: Half-Time-Show ist vorbei. Politisches sollte unterschwellig anklingen, als Lady Gaga vor der riesigen, von Drohnen umkreisten Flagge "This Land is My Land" singt. Die Show hat Spaß gemacht. Lady Gaga war aber auch keine Katy Perry! Nur wir haben uns gefeiert.

2:36 Uhr: Kick-Off 2. Halbzeit. Die Falcons starten auf der 19. und die Patriots drücken die Falcons gut zurück.

2:55 Uhr: Wir werden besoffener. Die Bar ist ja offen. Am Buffet gibt es inzwischen Kipferl und andere Mehlspeisen. Die Falcons scoren ihren nächsten Touchdown 28-3 und wieder klatscht der gleiche Typ einsam in die teilnahmslose Halle. Der Kommentator stellt die Promis im Stadion vor. Vize-Präsident Mike Pence ist da. Niemand rührt sich.

3:03 Uhr: Wir stellen fest: Das Potential dieser Veranstaltung wird nicht ausgenutzt. Riesiges Hotel. All you can eat. Open Bar. Das Adrenalin des Super Bowls und alle sitzen gediegen in ihren Stühlen und schauen auf die Leinwand. Armes Deutschland. Äh, Österreich. Arme Welt. Arm auf jeden Fall.

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3:06 Uhr: Touchdown New England. Field Goal Attempt verpasst. Ist New England scheiße! 28-9. Wir fanden es amüsant. Unsere Nachbarn zeigen keine Regung. An uns läuft ein Typ in grauem NFL-Sweater vorbei. Perfekte Metapher für die Stimmung hier. Grau und Hauptsache keine Position beziehen. On-Side Kick durch New England. Recovered durch die Falcons. Das war's. Aber die Barkeeperin ist sehr süß und besorgt neue Getränke.

3:11 Uhr: Baywatch is back. Dwane "the Rock" Johnson bringt uns den Klassiker der Slow-mo-Bikiniläufe zurück auf die große Leinwand. Der Abend nimmt wieder eine sehr positive Wendung! America, Fuck Yeah!

3:17 Uhr: Wie viel Uhr ist es jetzt wohl in diesen USA? Rechnen wird schwieriger.

3:37 Uhr: Da es durch das weitere Field Goal 28-12 steht, ist es wieder ein "Two-Game-Match". Alles ist wieder möglich. Warum kocht die Stimmung nicht?

3:39 Uhr: Gerade schreibe ich diese Zeile: Fumble durch Matt Ryan. Turn Over. New England Ball.

3:41 Uhr: Warum tragen die Bedienungen alle dunklen Lippenstift?

3:59 Uhr: Edelmann von den Patriots macht einen incredible Catch und die Crowd wird heiß. Es sind noch 8 Punkte und 40 Yards bis zum größten Comeback in Super Bowl History. Spätestens jetzt gibt es auf dieser Veranstaltung keine hübschen Frauen mehr.

4:05 Uhr: Touchdown Partiots. 28-26. "Two-Point-Conversion". 28-28. Wir machen durch bis morgen früh.

4:16 Uhr: Overtime zum allerersten Mal in der Super-Bowl-Geschichte. Wir haben Bock. Hab ich das schon erwähnt? Ein Amerikaner mit Pailletten-bestickter Amerika-Basecap aus Jeans rät uns, Politik komplett aus dem Artikel raus zu blasen. Die Super Bowl ist das einzig Gute, was ihnen noch bleibt. Denn Trump sei weder real noch Politik. Namaste.

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