Albträume, Selbstzweifel und null Freizeit: Der harte Weg zum besten Koch der Welt

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Köche

Albträume, Selbstzweifel und null Freizeit: Der harte Weg zum besten Koch der Welt

Nur einer kann Koch-Weltmeister werden. Der Däne Morten Falk hat es versucht und musste einiges durchmachen.

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Der Bocuse d'Or ist der prestigeträchtigste Kochwettbewerb der Welt. Der 26-jährige Morten Falk reiste für Dänemark zum Wettbewerb nach Lyon, um gegen 23 andere Kandidatin aus der ganzen Welt anzutreten und nach fast zwei Jahren intensiver Vorbereitung und Sponsoring im Wert von Millionen dänischer Kronen endlich gastronomischen Ruhm zu erlangen. Dieser Artikel erschien ursprünglich, bevor der Wettbewerb stattfand. Morten Falk erreichte den 10. Platz.

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Ich wollte schon immer der Beste meines Faches sein: Der beste Kochschüler, der beste Souschef und jetzt der beste Koch. Je mehr man erreicht, desto mehr Ehrgeiz entwickelt man auch. Seitdem ich vor drei Jahren zum Koch des Jahres gekürt wurde, habe ich im Kadeau Bornholm einen Michelin-Stern bekommen und vor zwei Jahren wurde ich dann der dänische Kandidat für den Bocuse d'Or. Nächste Woche werde ich endlich in Lyon antreten und mir selbst beweisen, dass ich die besten Köche der Welt beim bedeutendsten Kochwettbewerb schlagen kann.

Bei so einem Projekt, wo sich alles um dich dreht, lässt es sich meiner Meinung nach nicht vermeiden, dass man ein bisschen divenhaft wird. Mit der Zeit bist du davon überzeugt, dass alles, was du tust, richtig sein muss. Du weißt es nicht mehr zu schätzen, dass sich andere um dich sorgen und nur das Beste für dich wollen. Und du vergisst, dass das nicht ihr Traum ist, sondern deiner.

Durch den Druck ist es auch so weit gekommen, dass ich Ende November meinen Assistenten für den Wettbewerb verloren habe. Für ihn war es wesentlich härter, als es sich irgendjemand von uns hätte vorstellen können, also entschieden wir uns, nicht mehr zusammenzuarbeiten, damit das Projekt so gut wie möglich weiterlaufen könnte. Das ist natürlich alles schade, aber wir sind weiter gute Freunde und wollen nach dem Wettbewerb noch einmal über alles reden. Jetzt gerade kann ich das alles noch nicht begreifen.

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Mein neuer Assistent, Joachim Kongsgaard, hat bereits mit Kenneth Hansen vom Svinkløv Badehotel gearbeitet, der vor zwei Jahren für Dänemark beim Bocuse d'Or angetreten ist. Joachim konnte zum Glück fast sofort einspringen und er scheint mir jemand, der sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Zusammen können wir uns wieder voll und ganz auf das Projekt konzentrieren. Wir kennen uns so gut und jetzt gerade ist das ein echter Vorteil. Es hört sich zwar kompliziert an, aber für mich ist er gerade ein Kollege und gleichzeitig mein wichtigstes Werkzeug, um gewinnen zu können. Wir haben keine Zeit, ein Bier zu trinken und einfach nur Freunde zu sein. Das machen wir später.

Sechs Tage die Woche arbeiten wir gemeinsam in der Küche der Hotel- und Gastronomieschule in Valby. Die ist genauso aufgebaut wie die Küche, die wir beim Wettbewerb in Lyon haben werden. Wir treffen uns jeden Morgen noch vor 8 Uhr und versuchen bis 20 Uhr fertig so sein. Aber wenn man gerade voll dabei ist, verliert man schnell das Zeitgefühl. Oft ist es zehn, elf oder sogar Mitternacht, wenn ich nach Hause radele.

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Montags und dienstags bereiten wir alles für unsere drei Probeläufe mit Zeitbegrenzung am Mittwoch, Freitag und Samstag vor. In 5 Stunden und 35 Minuten müssen wir 14 Gerichte von der Karte für unsere Sponsoren, Coaches und die Presse kochen. Bei diesen Tests drehen wir die Musik in der Küche immer voll auf, um einen ähnlichen Geräuschpegel zu simulieren, wie wir ihn auch beim Wettbewerb haben werden, wo Tausende Zuschauer Lärm machen.

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Auch wenn der Wettbewerb schon kurz vor der Tür steht, testen wir immer noch neue Saucen und Garnituren aus, wir wollen unser Timing und den Geschmack immer weiter optimieren. Jedes Gericht besteht aus wahnsinnig vielen Elementen, also haben wir eine Checkliste mit den 60 Sachen vorbereitet, die schon bereit liegen müssen, bevor wir überhaupt anfangen. Die ganzen Zutaten, die Messer und Werkzeuge müssen auf einem Tablett bereitstehen, damit wir keine Zeit verlieren, nur weil wir irgendwas suchen. Wir nehmen unglaublich viel Equipment mit, damit wir auch keine Zeit damit verschleudern, um zum Beispiel ein Messer während des Wettbewerbs zu waschen.

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Morten Falk und Joachim Kongsgaard

In meinem Kopf kreist gerade alles um das Menü und die ganzen logistischen Fragen. Meine Mitstreiter habe ich auf Facebook gelöscht, weil ich nicht sehen möchte, wie sie vorankommen oder was sie machen. Zum Glück kann ich noch schlafen. Für die sieben Stunden Schlaf bin ich echt dankbar, auch wenn ich schon von schrecklichen Albträumen heimgesucht wurde: Ich bin beim Wettbewerb, meine Farce wird nichtsund meine Saucenklumpen, währenddessen steht das französische Jury-Mitglied Régis Macon neben mir und schreit mich an.

Im letzten Mai hat mein Selbstvertrauen einen kleinen Dämpfer versetzt bekommen, als ich es bei den europäischen Meisterschaften in Budapest, dem Vorläufer für Lyon, gerade so geschafft habe. Ich bin es nicht gewöhnt, auf dem zehnten Platz zu landen. Danach war ich fast schon depressiv, und dieses Gefühl hat sich durch den Sommer durchgezogen, obwohl ich mir vom Wettbewerbstraining eine Auszeit gegönnt habe und im Kadeau Bornholm gearbeitet habe.

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VIDEO: Chef's Night Out: Kadeau

Zum Glück habe so viele talentierte Leute um mich herum, die mir helfen, wo sie nur können. Selten bekomme ich ein Nein zu hören. Im August habe ich ein paar von ihnen zusammengetrommelt Per Thøstesen, Mark Lundgaard, Torsten Vildgaard und andere dänische Spitzenköche. Ich meinte zu ihnen: „Ich schaff' das nicht alleine. Ich brauch' eure Hilfe." Wir haben alles durchgesprochen und schon am nächsten Tag klingelte mein Telefon.

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„Wir können – wir wollen – wir werden gewinnen!"

Es war einer der Köche. Er meinte: „Pass auf. Was ich dir jetzt sage, ist nicht gerade nett, aber wenn ich dir dabei helfen soll, dann reißt du dich besser zusammen. Du musst ein bisschen mehr Willen ausstrahlen, ich muss spüren, dass du das hier wirklich willst."

Das musste ich erst mal sacken lassen. „Verdammt, was für ein Idiot", dachte ich mir. Aber ich wusste, dass er Recht hatte.

Das war der Arschtritt, den ich in diesem Moment dringend gebraucht habe.

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Ich habe mich seit Budapest echt ins Zeug gelegt – damals war ich zeittechnisch am Limit. Dieses Mal habe ich einen besseren Flow und ich werde mehr Zeit haben, Dinge noch mal anzupassen, sollten irgendwelche Fehler passieren.

Das ist einfach gerade mein großer Traum. Ich hoffe wirklich, dass das nicht auch in fünf Jahren noch ein Traum ist. Wenn ich aber doch auf dem fünften Platz lande und ich sicher weiß, dass ich etwas hätte besser machen können, dann habe ich echt Angst, dass ich unbedingt noch einmal teilnehmen will – auch wenn ich meine Freunde nicht mit all dem belasten will.

Es wird auf jeden Fall ein harter Wettbewerb. Die anderen Teilnehmer sind einfach verdammt gut und wollen den Titel genauso sehr wie ich. Letzten Endes liegt es ganz allein an mir. Ich allein entscheide, ob ich wirklich der Beste bin.

Aufgezeichnet von Lars Roest-Madsen