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Arabische küche

So haben die Araber die Küche Italiens geprägt

Zwischen der arabischen und der italienischen Essenskultur gibt es einige Verbindungen, zum Beispiel der Hartweizengrieß für Pasta oder süßes Gebäck mit Nüssen.
Foto von giuseppemilo via Flickr

Bei einem Spaziergang durch das Zentrum von Lucera, einem Dorf in der süditalienischen Region Apulien, passiert nicht gerade viel. Klar, es gibt jahrhundertealte Villen, pittoreske Wasserbrunnen und eine große Kirche auf einem riesigen leeren Platz, aber das findet man in jedem Städtchen in der Gegend. Auf den Straßen sieht man nicht einmal irgendwelche Italiener, die sind alle in ihren Häusern, essen Mittag und machen danach ein Nickerchen.

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Was Lucera aber wirklich interessant macht, ist die Tatsache, dass das Dörfchen die letzte arabische Kolonie war. Die Sarazenen, arabische Piraten, wurden aus Sizilien, wo sie 400 Jahre lang gelebt haben, nach Lucera zwangsumgesiedelt. Für 75 Jahre war das Dorf ihre Heimat, sie praktizierten den Islam, bauten Handwerk und Landwirtschaft aus. Im Jahr 1300 wurde das Städtchen von den Christen in ihrem Kreuzzugswahnsinn zerstört.Und diese Kirche auf dem Dorfplatz? Die wurde im selben Jahr gebaut, als die Araber vertrieben wurden, auf den Trümmern der ehemaligen Moschee.

Auch wenn die Moschee nicht mehr existiert, lebt das Erbe der Araber in der süditalienischen Küche weiter. Der Einfluss ist offensichtlich: Hartweizengrieß, der zur Entstehung der Pasta, dem Heiligtum der italienischen Küche, beigetragen hat oder Zubereitungsarten wie gefülltes Fleisch oder Gemüse,und auch wie bei süßen Speisen oft Nüsse verwendet werden—die typische Küche am Absatz des italienischen Stiefels hätte sich ohne die Araber nicht so entwickelt.

Sizilien mit seiner einzigartigen Küche war bei diesem „Aufeinanderprallen der Kulturen" eine Art Mittler, meint Essenshistoriker und Kochbuchautor Clifford Wright. „Der arabische Einfluss in einigen italienischen Gerichten kam wahrscheinlich durch arabischstämmige Sizilianer", die für diese Zeit über innovative Anbautechniken verfügten. Durch muslimische Minderheiten entstand auch in Apulien eine extrem vielfältige Küche, so Katie Parla, Food Journalistin aus Rom.

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In der mittelalterlichen Hafenstadt Trani an der apulischen Adriaküste gab es für mich zum Frühstück sfogliatelle und frischen Blutorangensaft. Sfogliatelle sind ein für die Region typisches, muschelförmiges Gebäck, gefüllt mit Ricotta, Orangeat und manchmal auch mit Marzipan. Diese Mischung aus Nüssen, Früchten und etwas Süßem haben arabische Siedler im 9. Jahrhundert in diese Region Italiens gebracht, meint Wright. Katie Parla bestätigt das und sagt weiter, dass apulisches Gebäck oder Süßigkeiten oft getrocknete Früchte enthalten und „ extrem süß" sind. Bevor die Araber kamen, hat man „gekochten Most und Honig zum Süßen verwendet."

Die arabischen Bauern haben über Sizilien auch den Orangenbaum nach Europa gebracht. Die besten Orangen kommen immer noch aus Sizilien, meint auch der fröhliche Kellner mit markanter Stimmer, bei der jeder Gast von seinem Espresso hochschreckt, aus dem Frühstückslokal. Er erinnert mich ein bisschen an Mario Batali.

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Foto von der Autorin

Fabrizia Lanza leitet eine Kochschule auf dem sizilianischen Land. Bei meiner Frage, inwieweit sich die sizilianische und die süditalienische Küche ähneln, meint sie prompt am Telefon: „Pasta! Bei der Zubereitung von Pasta gibt es viele Gemeinsamkeiten. Die cucina povera, die Küche der Armen: Wir kochen mit altem Brot, Knoblauch und vielleicht ein bisschen Fleisch. Bei uns wird nichts verschwendet."

Mit den Arabern kam auch der Hartweizen im 9. oder 10. Jahrhundert nach Sizilien. Weil er so hart ist und so viel Gluten enthält, konnten Produkte wie Pasta oder Couscous über lange Zeit gelagert werden. „Das hat wirklich alles verändert", schreibt Clifford Wright. „Die im Mittelalter immer wieder eintretenden Hungersnöte waren dadurch nicht ganz so verheerend."

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Und Pasta hat einen weiteren Vorteil: Sie schmeckt auch mit den einfachsten Zutaten. In ganz Apulien gibt es pasta e ceci, Nudeln, meist die nicht so schönen Reste der Tagliatelle vom Vortag, dazu Kichererbsen und Zwiebeln in einer deftigen Brühe. In Lecce, am südlichsten Ende des italienischen Stiefels, peppt man das Ganze noch mit scharfer Paprika und frittierten Pastastücken auf. Ein Essen, das jeden Bauern gut satt macht: deftig, günstig und nahrhaft.

Das Beste, was ich in Italien gegessen habe, war eine einfache Fischsuppe in Gallipoli im Golf von Taronto. Hier im Hafen des Dorfs hat mindestens ein Camorra-Boss eine Yacht zu stehen (meint zumindest Journalist Roberto Saviano). Ich konnte aus einer riesigen Kiste mit Meerestieren auswählen: Leckere Langusten, Gründlinge und Scheiben vom Aal, der mal die Größe einer Python gehabt haben muss, breiteten sich in einem eisgebetteten Stillleben vor mir aus. Der Koch hat dann noch tieforange Muscheln und daumengroße Jakobsmuscheln empfohlen. Das Ganze wurde dann in einer würzig-knoblauchigen Tomatensauce serviert.

Dieser süditalienischen zuppa die pesce wird oft nachgesagt, dass sie arabischen Ursprungs sei, so Wright: „Sie [die sizilianische Version] wird oft in einem Tongefäß zu bereitet, das bis heute arabischstämmige Namen hat." Allerdings sei das noch nicht genug, um eine eindeutige Verbindung herzustellen. „Im Mittelalter gab es nicht verschiedene Gänge wie Vorspeisen oder Suppen, die meisten Gerichte wurden in ein und demselben Topf zubereitet."

Die Geschichte des Essens ist weniger Wissenschaft, sondern hat sich vielmehr unter anderem durch Folklore, Kämpfe und Religion entwickelt, durch Dinge, die viel mit menschlichen Emotionen zu tun haben. Oft ist nur schwer erkennbar, ob ein Gericht aus dem Arabischen kommt oder nicht, meint Wright.

Auch Fabrizia Lanza sieht das ähnlich und fragt rhetorisch: „Was bedeutet überhaupt ,arabisch'? Je mehr ich darüber lese, desto verwirrender ist es. In Sizilien lieben wir bittere Aromen, aber jedes Kind mag anfangs nichts Bitteres. Geschmack entwickelt und manifestiert sich, je älter wir werden. Genauso ist es bei der Essenskultur.

In Beirut isst man keine pasta e ceci, genauso wenig gibt es von der italienischen Mamma Hummus zum Mittag. Die kulinarischen Bänder, die diese zwei Regionen verknüpfen, sind zwar eher dünn und Teil der Folklore, aber das Essen schmeckt sicher besser, wenn man daran glaubt.