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Küchenkultur

Ich habe mein Restaurant geschlossen, weil es mich fett machte

Früher wog Huub Biro 136 Kilo, dann krempelte er sein Leben um, gab seinen Beruf als Koch auf und wurde Triathlet.

Das Klischee des übergewichtigen Kochs hat sich durch Comics und Trickfilme in unsere Köpfe eingebrannt. Doch wie ist es wirklich, wenn man in der Gastronomie arbeitet und übergewichtig ist? Der niederländische Koche Huub Biro – Spitzengewicht 136 Kilo – schloß sein Restaurant Trattoria Senza Nome, um Triathlet zu werden. Hier erzählt er, wie es sich anfühlt, in einer professionellen Küche übergewichtig zu sein – und welche Beschwerden und Einschränkungendas mit sich bringt.

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„Ein guter Koch ist dick", sagte man früher. Bullshit. Fett zu sein ist in keinem Beruf praktisch – außer vielleicht als Sumoringer. Trotzdem kenne ich viele Köche, die immer weiter weiter zugenommen haben, auch ich. Das ist so ein Phänomen des 21. Jahrhunderts, glaube ich.

Überstunden gab es in unserem Beruf schon immer, aber früher waren die Köche körperlich aktiver. Wir arbeiten normalerweise in einem Bereich von zwei Quadratmetern, wie ein Huhn im Käfig, und bewegen uns kaum.

Die Arbeitsbedingungen sind natürlich mittlerweile besser als früher. Wir müssen keine alten Öfen mehr mit Kohlen oder Öl befeuern oder schwere Töpfe voll mit Krabbensuppedurch ein Sieb seihen. Heute drücken wir einen Knopf, um den Herd anzuschmeißen, und überall in der Küche stehen vollautomatische Geräte. Der Beruf des Kochs ist weniger arbeitsintensiv, deshalb verbrennen wir weniger Kalorien und haben mehr Zeit, uns mit Essen vollzustopfen.Eine riskante Kombination für Leute wie mich, die keinen schnellen Stoffwechsel haben.

Mit 14 habe ich angefangen, in der Küche zu arbeiten, fünf bis sechs Tage die Woche, auch abends und am Wochenende. Bis vor Kurzem hatte ich ein eigenes Restaurant, jetzt gehören mir immer noch zwei Eisdielen. Mein Restaurant habe ich geschlossen, weil es aus mir einen fetten, kranken Menschen machte. Mit jedem Schritt auf der Karriereleiter legte ich mindestens eine Hosengröße zu.

Die unregelmäßigen Essgewohnheiten sind ein Fluch für unseren Körper. Ich habe sieben Tage die Woche gearbeitet, jeden Tag war ich erst fünf Stunden im Eiscafé und habe Eis gemacht, dann arbeitete ich bis Mitternacht oder länger im Restaurant. Meine erste Mahlzeit habe ich mittags gegessen, gegen 12, was ziemlich spät ist. Dann habe ich vor dem Abendservice zusammen mit dem Team in der Küche was gegessen – doch auch währendder Arbeit habe ich nicht mit dem Essen aufgehört.

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Ein Koch muss sein Essen probieren, mir passierte das zu oft. Ich habe IMMER probiert. Zwei Esslöffel Risotto hier, zwei Löffel vom Flan mit Schlagsahne da. Wenn ich um halb sieben das warme Brot aus dem Ofen geholt habe, konnte ich nicht widerstehen und musste mir eine Scheibe abschneiden und sie mit Butter und Salami essen. Das wurde irgendwann zur Routine. Nach einem Abend hatte ich drei bis vier warme Mahlzeiten gegessen.

Und nach der Arbeit ging es weiter: Das ganze Team hat noch ein bisschen was getrunken. Wie viele andere Köche, mag ich gute Weine und gute Drinks und dazu gab es natürlich auch gutes Essen. Um zwei oder drei Uhr morgens haben wir oft noch schnell ein Ochsenkotelett in den Ofen geschoben oder noch was in die Pfanne gehauen. Manchmal kamen auch andere Kollegen mit Essen vorbei: Lachs, ein gutes Ragout oder geräuchertes Fleisch.

Und auch außerhalb der Arbeit drehte sich alles ums Essen. In einem Restaurant zu essen war meine Art der Entspannung. Zusammen mit anderen Köchen bin ich überall hingereist, nur um zu essen – Salzburg, Lyon, Mailand. Wir haben uns die besten Restaurants rausgesucht und sind zwei oder drei Mal pro Tag essen gegangen. Wenn wir den Küchenchef kannten, wurde auch nach 23 Uhr noch was für uns gekocht. Wir haben uns quasi durch die Städte gegessen.

Nach so viel Essen und Trinken hat man am nächsten Tag so gar keine Lust, Sport zu machen. Ich zumindest nicht, ich musste mich erholen. Und durch den Alkohol, der noch in meinem Körper war, bekam ich Appetit auf Fettiges – es ist ein Teufelskreis. Selbst wenn ich am nächsten Morgen aufwachte und eigentlich überhaupt kein Essen sehen oder riechen wollte, fiel ich immer wieder in dasselbe Muster zurück, sobald ich in meiner Küche war.

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Irgendwann bereitete mir mein Gewicht dann echte Probleme und Beschwerden: Ich konnte mich nur noch schwer bücken und meine Kochhose passte nicht mehr. Damals rissen wir noch Witze – meine Hose wäre so groß wie ein Zelt und so weiter –, doch als ich keine Hosen mehr in normalen Geschäften kaufen konnte und meine Jacke wirklich so groß war wie ein Zelt,fragte ich mich mehr und mehr, ob ich wirklich so leben will.

Und dann fingen auch die körperlichen Probleme an: Ich stand den ganzen Tag auf meinen Beinen, nur mein Oberkörper war in Bewegung, da taten mir irgendwann die Knie weh. Ich bekam Krampfadern durch mein hohes Cholesterin und hatte immer wieder Krämpfe, gerade wenn ich Alkohol trank. Und weil ich so dick war, schwitzte ich viel mehr, ich bin schnell dehydriert. Einmal versagten sogar meine Nieren und ich musste ins Krankenhaus.

Ich wusste, ich müsste mein Leben komplett umkrempeln: Ich fing an Sport zu machen, trainierte für Triathlon-Wettkämpfe und gab meinem Leben allgemein mehr Struktur. Das war schwer, als ich noch als Koch arbeitete. Jetzt, da mein Restaurant geschlossen ist, habe ich weniger Probleme und 16 Kilo abgenommen.

In den vier Monaten, in denen meine Eiscafés geschlossen sind, reise ich durch die Welt – Dubai, Japan, Neuseeland, Australien –, um dort an Triathlons teilzunehmen. Den Rest des Jahres arbeite ich jeden Nachmittag ein paar Stunden in meinen Eisdielen, doch vorher fahre ich 100 Kilometer Fahrrad und laufe noch 15 oder schwimme zwei Kilometer. Ich war nie glücklicher.

Gutes Essen bleibt weiter ein Teil meines Lebens, aber Sport gehört jetzt eben auch dazu. Ich habe so eine „Alles ist möglich"-Einstellung: Mach was du willst, aber mach es in Maßen. Schade, dass das so schwer ist, wenn man in einer Küche arbeitet.

Aufgezeichnet Stefanie Staelens.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Niederländisch bei MUNCHIES NL.